Onboarding und Fachkräftemangel im Mittelstand

Für eine erfolgreiche und nachhaltige Veränderung hin zur neuen Arbeitswelt braucht es vor allem eine Kulturveränderung. Denn New Work, ob als Element oder als Gesamtkonzept, funktioniert nur dann, wenn es in eine entsprechende Kultur eingebettet wird. Topmanagement als Vorbild, eine Kultur von Vertrauen, moderne Führung und die Selbstkompetenz von Mitarbeitenden sind Kulturfaktoren, die eine Voraussetzung für den Erfolg von New Work abbilden und Menschen emotional fördern. Ein Interview mit Silke Masurat, Gründerin der zeag GmbH und des Arbeitgebersiegels TOP JOB.
Interview von DIGITALE WELT – Fremd Autorschaft
5. Juni 2023
Interviewpartner
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Wie ist der Mittelstand in Bezug auf New Work heute schon aufgestellt?

Vor Corona haben wir mit der Universität St. Gallen eine Studie durchgeführt, die beleuchtet und in Zahlen misst, wie gut der Mittelstand in Sachen New Work aufgestellt ist. Damals waren das circa 25 Prozent der Unternehmen, die in den neuen Arbeitsformen angekommen sind. Was viel interessanter ist, ist die Tatsache, dass nur 6 Prozent aller untersuchten Unternehmen wirklich erfolgreiche Pioniere sind. Alle anderen haben negative Effekte erleben müssen – bedingt durch neue Arbeitsformen, die nicht gut implementiert wurden. Corona hat die Zahl derer, die neue Arbeitsformen anbieten und leben, deutlich erhöht. Leider aber nur in den unausweichlichen New-Work-Themen wie Homeoffice oder zeitlich flexiblem Arbeiten. New Work ist jedoch viel mehr.

Dieser katapultartige Eintritt in die neuen Arbeitswelten ist vielen leider nicht nachhaltig gelungen. Auch wenn es vordergründig gut funktioniert hat, hat es in sehr vielen Fällen eine schlechte Unternehmens-Performance herbeiführt und die Mitarbeitenden sehr belastet. Laut einer „TOP JOB“-Studie mit der Uni St. Gallen zum Thema Hybrid Work aus dem Jahr 2022 sind viele Mitarbeitenden erschöpft und gesundheitlich gefährdet.

Wo liegen hier die Schmerzpunkte?

Grundsätzlich gibt es verschiedene Erfolgsfaktoren, die New Work ausmachen:

  • Inspirierende Führung und generell ein anderes Führungsverständnis
  • Ausgesprochen starke Vertrauenskultur (BASIS)
  • Flexible Strukturen
  • Selbstkompetenz der Mitarbeitenden

Zusätzlich braucht es eine ausgeprägte New Culture und ein Topmanagement, das vorangeht. Ohne diese Komponenten scheitert New Work als angestrebte Unternehmenskultur. Viele Unternehmen haben diese für New Work unbedingt nötige Vorbereitung coronabedingt nicht geleistet.

Wie gelingt die ganzheitliche und ehrliche Implementierung von New Work in Unternehmen?

Einer erfolgreichen Implementierung von New Work geht umfassende kulturelle Arbeit gepaart mit einer großen Dringlichkeit voraus. Darin liegt die Herausforderung. Unternehmen sollten den Schwung ausnutzen, den Corona ihnen beschert hat, aber eben ohne zu überhasten. Die Thematik braucht allem voran eine hohe Priorisierung und ein starkes Commitment von der Geschäftsführung. Gleichzeitig ist es unbedingt nötig, sich mit den oben genannten Erfolgsfaktoren im Zusammenhang mit der Unternehmensstruktur auseinanderzusetzen.

1.       Ich brauche ein Commitment aus dem Topmanagement

a.       Priorisierung und authentische Verfechtung von New Work

2.       Was ist unser Zukunftsbild? – WICHTIGE FRAGE – es geht nicht um Besprechungsoasen und Post-its

a.       Wie wollen wir künftig zusammenarbeiten? Dieses Bild gilt es zu kommunizieren und dabei alle Mitarbeitenden abzuholen

3.       Ich brauche New Work nicht in allen Bereichen

4.       Ich brauche einen Plan – kurzfristiger Aktionismus bringt nichts

Vielmehr: Kein umfassendes Changemanagement vorab entwickeln, das möglicherweise eine lange Umsetzungszeit benötig. Die Menschen sind bereits im Homeoffice gewesen – jetzt müssen Unternehmen entscheiden, welchen Weg sie gehen wollen. Ich brauche eine klare Roadmap, die nicht allzu lange läuft, und ich würde einen Check empfehlen, der Klarheit darüber schafft, wie ein Unternehmen in den Erfolgsfaktoren aufgestellt ist. Welche New Culture haben wir? Wie sind wir in den unterschiedlichen Bereichen aufgestellt? Wo preschen wir voran, wo sind wir reif, wo können wir New Work einsetzen?

5.       Klare Spielregeln aufstellen

Unternehmen stoßen mit New Work in ein für sie komplett neues Feld – wie soll ich mich als Arbeitgeber verhalten? Dazu sollten gemeinsam mit dem Team Lösungen partizipativ entwickelt werden.

Ganz elementar: Gute, moderne Führung! Die Idee, dass man in den neuen Arbeitsformen keine Führungskräfte mehr braucht, halte ich für falsch – Unternehmen brauchen Menschen, die Führung übernehmen, und Laissez-faire ist keine gute Führung.

Ist Kommunikation das einzige Mittel, um Mitarbeitende wie Führungskräfte abzuholen und Verunsicherungen oder gar Angst vor Veränderung zu vermeiden?

Kommunikation steht in jedem Change ganz oben. Welchen Weg gehen wir? Welche Sorgen und Ängste gibt es? Wie schon erwähnt – der Umschwung muss vom Topmanagement angestoßen werden. Jede einzelne Führungskraft muss den Umschwung wollen. Ist diese Voraussetzung nicht gegeben, darf eine solche Führungskraft keine entsprechende Position bekleiden. Wichtig ist auch, dass ein Unternehmen nicht kopflos New Work einführt. Es gibt durchaus auch Bereiche, in denen zum aktuellen Zeitpunkt neue Arbeitsformen keinen Sinn ergeben.

Ab welchem Punkt macht es Sinn, eine Unternehmenskultur a la New Work zu etablieren? Für welche Frage oder welches Problem kann New Work die Lösung sein?

Neue Arbeitsformen sind unter anderem deshalb auf den Plan getreten, weil sie Unternehmen helfen, auf aktuelle Herausforderungen zu reagieren. Schneller, kreativer, innovativer, agiler, flexibler zu sein – diese Herausforderungen sind real. Diese Brille würde ich aufsetzen, wenn ich im Unternehmen bin und überlege: Wo fange ich denn an? Wie mach ich das denn?

Antwort: Da, wo ich kulturell reif bin, und vor allem dort, wo ich diese Themen brauche. Wo ich sowohl schnell als auch flexibel reagieren muss. Es gibt Unternehmensbereiche, da habe ich Routineprozesse und muss Mitarbeitende nicht in eine agile Welt schleudern.

Gibt es auch die Möglichkeit, New Work im Hybrid-Modell einzuführen (langsam und etappenweise)?

Mir ist wichtig zu sagen, dass im Zusammenhang mit mobilem Arbeiten, als einem Teil von New Work, die 100-Prozent-Lösung nicht erfolgreich ist. 100 Prozent Homeoffice ist nicht so erfolgreich wie viele gedacht haben. Verschiedene Studien benennen mindestens zwei Präsenztage als gutes Maß.

New Work sollte unbedingt hybrid eingeführt werden, denn nicht alle Unternehmensbereiche sind gleich und haben die gleichen Herausforderungen, die gleiche kulturelle Reife oder das gleiche Bedürfnis. Ganz nach dem Motto: Nicht jedem das Gleiche, sondern jedem das Seine. Ich muss allerdings, wenn ich New Work hybrid einführe, extrem gut kommunizieren. Ich muss kommunizieren, warum das keine Ungleichbehandlung ist, sondern im Gegenteil den einzelnen Bereichen eines Unternehmens gerecht wird bzw. klaren und guten Gründen folgt.

Interview geführt durch:

Extern geführte und eignereichte Experten-Interviews rund um unsere Themenschwerpunkte. DW prüft und untersagt werbliche Inhalte, nimmt sonst aber keine redaktionellen Korrekturen oder Eingriffe vor.

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