Künstliche Intelligenz in der Medizintechnik: Herausforderungen und Chancen für das Gesundheitswesen

Von   Viacheslav Gromov   |  Gründer und Geschäftsführer   |  AITAD
20. August 2024

Künstliche Intelligenz in der Medizintechnik: Herausforderungen und Chancen für das Gesundheitswesen

 

Die rasante Entwicklung künstlicher Intelligenz (KI) hat das Potenzial, das Gesundheitswesen grundlegend zu transformieren. Von der präzisen Bildgebungsdiagnostik bis hin zur maßgeschneiderten Therapie verspricht die Integration von KI in medizinische Geräte und Systeme eine Revolution in der Patientenversorgung. Im Mittelpunkt dieser Transformation steht die Embedded-KI, die es ermöglicht, KI-Fähigkeiten direkt in medizinische Geräte und Systeme zu integrieren.

 

Die Vorteile von Embedded-KI im Gesundheitswesen

 

Embedded-KI bietet eine Vielzahl von Vorteilen für das Gesundheitswesen. Sie unterstützt Ärzte und Pflegepersonal durch die Bereitstellung von Echtzeitinformationen und Analysen bei fundierten Entscheidungen und erhöht die Effizienz im Arbeitsalltag durch die Automatisierung von bisher manuellen Aufgaben. Dadurch können die Gesamtkosten im Gesundheitswesen erheblich gesenkt werden, während gleichzeitig das Risiko von Infektionen und medizinischen Fehlern reduziert wird, was die Patientensicherheit durch Kontinuität erhöht, und die Behandlungsqualität verbessert.

Mit Embedded-KI bekommt man auch die Datenschutzproblematik in Griff: Durch die lokale Verarbeitung der Sensordaten, entfällt deren Übertragung; stattdessen werden nur noch die benötigten Informationen übertragen. Das kann pseudonymisiert erfolgen, so wie es vom Gesundheitsdatennutzunggesetz (GDNG) gefordert wird. So können die Daten einerseits Privatsphäre-schützend für den individuellen Patienten genutzt werden, anderseits aber auch aggregiert für Forschungszwecke zur Verfügung gestellt werden.

Nutzt der Patient beispielsweise ein Sensorarmband (siehe die Vertiefungskapitel weiter unten), so werden damit gleichzeitig eine Vielzahl von Vitalparametern erfasst. Dadurch können diese Daten auch für Forschungszwecke miteinander synchronisiert weitergegeben und auf Korrelationen untersucht werden. Dies könnte auch einen großen Schritt zu einer ganzheitlicheren und gleichzeitig individuelleren Medizin mit sich bringen.

 

Typische Use Cases für Embedded-KI-Systeme:

 

  • Ein Sensorarmband, das laufend die Vitaldaten der Patienten analysiert und so beispielsweise ein datenschutzgerechtes Monitoring von Stürzen, Notrufen, Unruhelagen oder Immobilität und Arhythmie für den Hausarzt trackt und ihn benachrichtigt.
  • Schlaganfall- und Herzinfarkterkennung per Nahinfrarot-Kamera im Gesicht oder per Stimme, ebenfalls zum Einsatz in der Notaufnahme – durch Grundmarker und Symptome (Lähmung, Schweiss, Augen, Hecheln, Blässe, etc.) .
  • Autarke Sprachsteuerung für OP-Geräte. Dort, wo nicht sterile Assistenten auf Zuruf des operierenden Arztes medizinische Geräte steuern, kann eine Sprachsteuerung dem Personalmangel im Safety-Bereich begegnen.
  • Erkennung von Fehlbelastungen bei Prothesen – durch Vibrations- und Druck-Lifeanalysen mitsamt Zustandserkennung (Sitzen, Aufstehen, schnell laufen, etc.).
  • Lage- und Unruheerkennung im Patientenbett – durch Wärmebild, Benachrichtigung bei Aufstehen, Toilettengang oder Sturz bei Personalmangel.
  • Hinderniserkennung für elektrische Rollstühle – angefangen bei Untergrund und Fahrprogramm.
  • Lageerkennung von Werkzeugen oder automatischen Schritten – von OP-Leuchten, die sich auf die Situation seitens Lichtfarbe und Intensität einstellt bis hin zum Handstück eines Dentalsystems.

Die Use Cases zeigen, dass Embedded-KI in vielen Bereichen eine wertvolle Unterstützung bieten kann und gleichzeitig zu einer Entlastung des in der Gesundheitswirtschaft beschäftigten Personals führt. Für den Patienten steigt die Versorgungsqualität, da die Daten zum Teil auch kontinuierlich erfasst werden und so bessere Auskunft über den Gesundheitszustand geben können.

 

Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt

 

In Bezug auf den Arbeitsmarkt im Gesundheitswesen ist zu erwarten, dass Embedded-KI einige Arbeitsabläufe automatisieren wird, während gleichzeitig neue Anforderungen an die Qualifikation und Zusammenarbeit entstehen. Insbesondere entlasten Embedded-KI Systeme Fachkräfte von wiederkehrenden Routineaufgaben oder notwendigen Qualifikationen bzw. menschlichen Fehlern/Druck (als Assistenzsystem), so dass diese sich vermehrt anderen Aufgaben widmen können. Im besten Fall führt dies auch zu einer Entspannung auf dem Gesundheits-Arbeitsmarkt.

 

Use Case „Sensorarmband“ genauer angeschaut

 

Wenn wir uns in eines der Embedded-KI-Use Cases vertiefen wollen, ist das medizinische Armband mit Embedded-KI ein sehr anschauliches Beispiel. Ziel ist es, ein Armband (Wearable) ähnlich einer Smartwatch zu entwickeln, das den medizinischen Anforderungen wie längere Batteriedauer, bestimmte Sensoren (wie Sauerstoffsättigung, etc.), Desinfizierbarkeit, Datenschutz und den Verzicht auf Display genügt. Da kommen keine üblichen Smart Watches infrage. Durch Embedded-KI an Bord solchen Armbands werden nur noch Ergebnisse und Erkenntnisse nach außen an Arzt und Pflegepersonal geschickt, was sowohl datenschutzrechtlich einfacher ist als auch seitens Kosten keine größere Speicherinfrastruktur vor Ort benötigt. Nicht zuletzt ist zu erwähnen, dass die Daten, die von der KI im Band in Echtzeit analysiert wären in der Auflösung und Menge gar nicht per Funk übertragbar wären (auch wegen Energieaspekten).

Das Band sollte dann den Patienten ab der Klinikaufnahme dauernd begleiten. Aber kommen wir nun zu den Vorteilen und dem Nutzen eines solchen Armbands:

Sturzerkennung und Alarmierung
Im Falle eines Sturzes sendet das Armband automatisch ein Signal an das Krankenhauspersonal. Ebenso durch lokale Spracherkennung, wen der Patient nach „Hilfe“ oder „Notfall“ ruft. Dies ermöglicht eine schnelle Reaktion und die sofortige Versorgung des betroffenen Patienten.

Datenschutz und Ethik
Natürlich wirft die Verwendung solcher Technologie gerade in Medizin auch Fragen des Datenschutzes und der Ethik auf. Es ist wichtig sicherzustellen, dass die Daten, die durch das Armband gesammelt werden, angemessen geschützt sind und nur für medizinische Zwecke verwendet werden. Zudem müssen Patienten informiert werden und ihre Zustimmung zur Nutzung dieser Technologie geben. Bei dem Armband mit Embedded-KI findet keine Roh-Datenweitergabe statt. Stattdessen werden die Daten direkt vor Ort im Armband ausgewertet und die Künstliche Intelligenz handelt direkt. Das spart nicht nur Zeit, die Daten sind auch deutlich besser vor Missbrauch geschützt.

Kontinuierliche Überwachung und Früherkennung
Ein Armband mit Embedded-KI im Krankenhaus könnte kontinuierlich lebenswichtige Gesundheitsparameter wie Herzfrequenz, Blutdruck oder Sauerstoffsättigung überwachen. Die Embedded-KI kann diese Daten in Echtzeit verarbeiten und dem Träger sowie medizinischem Fachpersonal wertvolle Einblicke in den Gesundheitszustand geben, da Anomalien wie Arhythmie und Ähnliches durch die KI vor Ort erkannt werden und nur die Info (der Alarm) ans Personal geschickt wird. Dadurch könnten medizinische sofort Maßnahmen ergreifen und Komplikationen verhindern.

Optimierung der Pflegeprozesse und Ressourcennutzung
Indem durch das Armband kontinuierlich Gesundheitsdaten gesammelt und analysiert werden, kann das Pflegepersonal die Bedürfnisse der Patienten besser verstehen und personalisierte Pflegepläne entwickeln. Dies führt zu einer verbesserten Patientenerfahrung und einem schnelleren Genesungsprozess. Ebenso ist die Auslastung von Betten und medizinischem Personal effizienter gestaltbar. Dies könnte dazu beitragen, Wartezeiten zu verkürzen und die Kosten im Gesundheitswesen zu senken.

Eine Überlegung ist auch, das Armband nach dem Krankenaus-Aufenthalt im Prozess der Genesung weiter zu tragen. Die gesammelten Daten unterstützen die ambulant behandelnden (Haus-)Ärzte bei ihren Empfehlungen für den weiteren Therapieverlauf. Ebenso könnten aus dem Armband-Output personalisierte Gesundheitsvorschläge und Empfehlungen statistisch erzeugt werden. Die Zukunftsvision ist näher, als man denkt.

AITAD entwickelt Embedded KI, die in Geräten und Maschinen lokal und in Echtzeit definierte Aufgaben übernimmt. Gromov ist Autor diverser Lehrbücher im Halbleiterbereich und als Experte Mitglied in verschiedenen KI- und Digitalisierungs-Gremien, unter anderem DIN und DKE.

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