Zukunftsvision Immobilien – Fortschritt und Herausforderung der Digitalisierung in der Immobilienbranche
Die Digitalisierung hat in den letzten Jahren nahezu alle Wirtschaftszweige erfasst und grundlegend verändert. Auch die Immobilienbranche, die lange als traditionell und veränderungsresistent galt, erlebt derzeit einen tiefgreifenden Wandel. Von der Projektentwicklung über die Vermarktung bis hin zur Verwaltung von Immobilien – digitale Technologien revolutionieren die gesamte Wertschöpfungskette. Dieser Gastbeitrag soll einen Blick darauf werfen, wie die Digitalisierung die Immobilienbranche transformiert, welche Chancen sich daraus ergeben und welche Herausforderungen es zu bewältigen gilt.
Für einen besseren Überblick, soll zunächst der allgemeine Sachstand der Digitalisierung der Immobilienbranche in Deutschland dargestellt werden:
Viele Immobilienunternehmen in Deutschland befinden sich in fortgeschrittenen Phasen der digitalen Transformation. Über 90 % der Unternehmen planen, ihre Investitionen in Digitalisierung auf gleichem Niveau zu halten oder sogar zu erhöhen, trotz der Herausforderungen durch Krisen.[1] Der Anteil der Unternehmen, die mehr als 20 % ihres Umsatzes in die Digitalisierung investieren, hat sich im Vergleich zum Vorjahr zwar nicht verändert, jedoch ist eine insgesamte Bereitschaft zu höheren Investitionen zu verzeichnen.[2]
Trotz dieser Fortschritte gibt es jedoch auch Herausforderungen. Eine aktuelle Digitalisierungsstudie zeigt, dass viele Immobilienunternehmen hinter ihren eigenen Erwartungen, besonders in den Bereichen Datenmanagement und Prozessautomatisierung, zurückbleiben.[3]
Die Datenqualität und -transparenz bleibt ein Problem, wobei viele Unternehmen unter Datensilos leiden und zögern, Daten mit Wettbewerbern zu teilen.[4] Durch den mangelnden Austausch wird der Fortschritt massiv behindert. Einzelunternehmen müssen die Ressourcen selbst mobilisieren, um Forschung zu betreiben und neue Strategien zu entwickeln. Würde man Informationen und Fortschritt teilen, gäbe es weitaus mehr Ressourcen, die in die spezifische Anpassung investiert werden könnten. Die Entwicklung würde damit erheblich beschleunigt werden.
Digitalisierung gilt als Schlüssel zur Erfüllung von Reporting-Anforderungen, zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, zur Bewältigung von Herausforderungen wie Fachkräftemangel und Klimawandel und der strengeren „ESG“[5] Anforderungen.[6]
Insbesondere bestehen jedoch weiterhin folgende Herausforderungen in Bezug auf die Datenqualität und die effektive Umsetzung digitaler Lösungen:
- Fehlende Digitalisierungsstrategien: Fast der Hälfte der Unternehmen in der Immobilienbranche fehlt es an einer klaren und einheitlichen Digitalisierungsstrategie. Dies führt zu ineffizienten Prozessen und einer langsamen Anpassung an digitale Technologien.[7] Durch Zusammenarbeit mit spezialisierten Beratungsfirmen oder interne Schulungen könnte hier Abhilfe geschafft werden.[8]
- Mangel an digitaler Kompetenz und spezialisierten Personal: Es fehlt an Fachkräften mit der notwendigen digitalen Kompetenz. Nur 40 % der Unternehmen verfügen über eine verantwortliche Führungskraft für digitale Themen (sog. „digital leaders“[9]), die oft mit anderen Aufgaben überlastet ist. Hier müssen Kapazitäten geschaffen und in Fachwissen investiert werden.
- Unzureichende Datenqualität und Datensilos: Die Datenqualität wird von vielen Marktteilnehmern als unbefriedigend angesehen.[10] Es gibt zahlreiche Datensilos, und die Bereitschaft, Daten mit Wettbewerbern zu teilen, ist gering. Die Einführung von Datenmanagementsystemen, die Schaffung von Data-Sharing Plattformen und das Aufzeigen der Vorteile von Kooperationen könnte helfen, die Datenqualität zu verbessern und den Austausch zu fördern.
- Hohe Kosten und Investitionszurückhaltung: Viele Unternehmen scheuen die hohen Kosten der Digitalisierung, was die Implementierung neuer Technologien verlangsamt.[11] Hier könnte die Nutzung von Förderprogrammen oder Kooperationen mit „PropTechs“[12] helfen.
- Fehlende einheitliche Standards und Schnittstellen: In der Immobilienbranche mangelt es an einheitlichen Standards und Schnittstellen, was die Integration und den Austausch von Daten erschwert.[13] Die Interoperabilität zwischen verschiedenen Systemen könnte insbesondere durch Branchenverbände oder Konsortien verbessert werden.
Durch die Umsetzung dieser Maßnahmen kann die Immobilienbranche in Deutschland die bestehenden Herausforderungen der Digitalisierung bewältigen und ihre Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit steigern.
Vor dem Hintergrund der gewonnenen Erkenntnisse stellt sich die Frage, warum die Digitalisierung in Deutschland im Vergleich zu anderen Staaten hinterherhinkt. Aktuelle Studien sehen neben organisatorischen und technologischen Barrieren vor allem Mentalitäts- und Kulturfragen als Hemmnisse.[14] Neben fehlendem Fachwissen, bestehen insbesondere gegenüber KI-basierten Systemen Vorbehalte.
Andere Staaten sind da schon weiter fortgeschritten. Ein Beispiel: Gerade in der öffentlichen Verwaltung mangelt es in Deutschland an effizienten digitalen Schnittstellen. So werden Bauanträge in Deutschland meist in Papierform eingereicht, auch nehmen Grundbuchämter den Antrag auf Übersendung eines Grundbuchauszuges teils nur per Telefax entgegen. Wie es besser geht, zeigen die baltischen Staaten. Dort wird z.B. das gesamte Bauantragsverfahren digital abgewickelt. Auch das Grundbuch ist digital für jedermann zugänglich.
Die Digitalisierung bietet aber auch die Chance den Immobilienmarkt besser zu erschließen. Durch den Einsatz von Big Data und KI können präzisere Marktanalysen und Preisvorhersagen getroffen werden. Auch Transaktionen könnten durch den Einsatz von Blockchain-Technologie transparenter und sicherer gestaltet oder sogar ausschließlich elektronisch abgewickelt werden.[15] Aber nicht nur die Unternehmen sind gefordert, auch der Staat kann und sollte seinen Beitrag leisten. Verwaltungsaufgaben wie Auskünfte könnten digitalisiert, automatisiert und Online-Plattformen eingerichtet werden.
Gefordert sind zudem Makler, die sich neuen Anforderungen stellen müssen. Aufgrund der Entwicklung des Immobilienmarkts wurde der Wettbewerb unter Maklern verschärft. Es gibt mehr Angebot an Immobilien als Nachfrage, sodass Makler proaktiv (liquide) Käufer akquirieren und neue Strategien entwickeln müssen.[16] Auch für Makler gilt, dass verstärkt in digitales Marketing, Online-Präsenz und neue Technologien wie virtuelle Besichtigungen investiert werden muss. Hinzu kommt die Zunahme an (sensiblen) Kundendaten, die mit geeigneten Systemen zunächst gespeichert und dann vor Zugriffen geschützt werden müssen. Dazu müssen Makler sich und ihre Mitarbeiter schulen und Investitionen in sichere Systeme einplanen.
Ebenso eröffnet die Digitalisierung den Maklern die Möglichkeit, sich mit KI-Systemen für die Datenverarbeitung und automatisierte Prozesse auszustatten. Dies kann eine Anpassung des traditionellen Geschäftsmodells erleichtern und so die Effizienz steigern.[17] Kunden erwarten zunehmend digitale Services, personalisierte Angebote und schnelle Reaktionszeiten.
Wie können also digitale Tools den Unternehmen im täglichen Geschäft behilflich sein?
Im Bereich des Facility Managements können Unternehmen Immobilienportfolios online verwalten, effizient organisieren, Gebäudedaten erfassen und auswerten. Eine zentrale Organisation ermöglicht den schnellen Zugriff auf genauere Datenerfassung und -analysen und garantiert Übersichtlichkeit. Die Verwaltung kann so effizienter und kostengünstiger erfolgen, insbesondere wenn gewisse Standards und Transparenz gewährleistet sind. Dies spielt gerade bei umfangreichen Immobilienportfolios eine wichtige Rolle.
Allerdings fand bisher in Unternehmen eine dezentrale Verwaltung statt, in der die Informationen oft an unterschiedlichen Stellen – zum Teil sogar ausschließlich anlog – festgehalten sind. Die Übertragung und die Organisation auf digitaler Ebene bedarf Arbeitszeit, die investiert werden muss. Dafür könnte man sich eigens der Vermögensverwaltung widmen und müsste keine externen Dienstleister für diese Arbeit beauftragen.
Mit der Weiterentwicklung von digitalen Verarbeitungshilfen, wie OCR-Software (zum Einlesen z.B. unterzeichneter Mietverträge oder Bauunterlagen) oder Verwaltungsprogrammen zur zentralen Datenablage und -auswertung steigen die Einsatzmöglichkeiten von digitalen Lösungen im Alltag. Es wird augenblicklich klar, dass die zeitintensive Erfassung von Daten an einer zentralen Stelle dann keine unüberwindliche Hürde mehr ist, wenn der Vorgang nicht manuell sondern digital „über Nacht“ schnell und zuverlässig läuft. Aktuelle Programme weisen Erfassungsgenauigkeiten im Bereich von 90-99% auf und stellen zuverlässige Oberflächen zur Auswertung zur Verfügung. Was noch vor einigen Jahren utopisch erschien ist mittlerweile Realität. Kommunen und Asset Manager aber auch Berater werden nun in der Lage, Vorgänge auf ein Minimum des Zeitbedarfs zu reduzieren und sich in die Lage zu versetzen, ihre Daten in verschiedene Art und Weise auszuwerten und darzustellen, je nach Einsatzmöglichkeit. Zudem wird der „Unsicherheitsfaktor Mensch“ kontrollierbar gemacht, indem z.B. nach Auffassung eines Mangels genau festgestellt wird, ob der Mieter oder der Vermieter verantwortlich für die Beseitigung des Mangels ist bis hin zu einer automatisch generierten E-Mail an einen Dienstleister, der sich mit diesem Mangel beschäftigen soll. Diese Programme sind bereits heute einsetzbar und werden den Markt weiter revolutionieren.
Auch beim Kauf/Verkauf von Immobilien können sich Unternehmen die Digitalisierung zu eigen machen. Der Kauf einer Immobilie gestaltet sich häufig als sehr zeit- und kostenintensiv. Online-Besichtigungen können hierbei (zumindest teilweise) Abhilfe schaffen. Mögliche Modelle sind interaktive 360° Rundgänge durch das Gebäude oder die Veröffentlichung von Kurzvideos zu jedem Raum. Problematisch ist dabei, dass einige Vorteile einer Vor-Ort-Besichtigung verloren gehen. So kann z.B. die Aktualität des Videos/Rundgangs nicht überprüft werden. Auch ist aufgrund der digitalen Übertragung ein ständiges „genaues Hinsehen“ oder „Anfassen“ des Kaufobjektes nicht möglich.
Dennoch gilt eine digitale Besichtigung als ausreichend, um die Haftung für offensichtliche Mängel auszuschließen (Grundsatz: „gekauft wie gesehen“). Faktisch erfolgt der Kauf auf reiner Vertrauensbasis, was die Transaktion zwar leichter, dafür aber risikoreicher macht.
Andererseits kann der Käufer dadurch geschützt werden, indem er Zugang zu den digitalen Gebäudeplänen erhält, die eventuelle Schäden/sonstige Berichte widerspiegeln. Auch die Erstellung von Übergabeprotokollen wird buchstäblich zum Kinderspiel, indem Mängel per Knopfdruck ergänzt oder entfernt werden können. Auf dieser Basis kann dann das Übergabeprotokoll erstellt werden.
Darüber hinaus bietet die Digitalisierung die Möglichkeit, die Transparenz zu erhöhen. Die Mieter können das Objekt selbst in ihren Systemen begutachten, den Energieverbrauch einsehen und entsprechend optimieren oder über (noch einzurichtende) Portale eventuelle Mängel oder Probleme melden.
Ferner gibt es die Möglichkeit der Digitalisierung des Gebäudes selbst. Neben Modellen wie „smart-home“ oder intelligenten Kühlschranken, gibt es Modelle wie intelligente Energiesysteme, die Licht, Heizung und Wasserverbrauch an die Gewohnheiten des Nutzers anpasst und zeitgleich eine einheitliche Digitale Verwaltung des Gebäudes zulassen.
Die Möglichkeiten sind vielfältig und haben großes Potenzial. Dennoch darf nicht verkannt werden, dass mit zunehmender Digitalisierung auch der Datenaustausch zwischen den jeweiligen Bereich signifikant zunimmt. Neben der zunehmenden Datenmenge werden auch sensiblere Daten erhoben und gespeichert. So können z.B. über ein „smart-home“ durch E-Health Anwendungen oder über intelligente Energiesysteme durch Mitteilung über Zählerstand oder Belegung durch Mieter (zumindest mittelbar) Rückschlüsse auf das Leben des Nutzers gezogen werden. Die Grundsätze des Datenschutzes und damit insbesondere Datensparsamkeit, Transparenz, Freiwilligkeit und Anonymisierung sollten bei der Entwicklung neuer Standards zwingend beachtet werden.
Wichtig ist auch, die technischen Systeme weitestgehend einheitlich zu gestalten, andernfalls verkompliziert sich die Implementierung der Digitalisierung in der Immobilienbranche. Darüber hinaus muss die Digitalisierung an die Nutzer angepasst werden. Wenn die Digitalisierung stärker in den Markt integriert werden soll, muss parallel eine transparente Aufklärung stattfinden, um das Vertrauen in die Digitalisierung zu stärken. Genau hier liegt aber auch die Chance. So könnten bereits jetzt die neu eingeführten Kommunikationssysteme genutzt werden, um Vermieter wie Mieter Schritt für Schritt an die Möglichkeiten der Digitalisierung heranzuführen.
Es ist wie so oft bei der Digitalisierung: langfristig unerlässlich, dann aber auch lohnend!
Quellen:
[1] ZIA/EY Real Estate, Digitalisierungsstudie 2023: Digitalisierung in der Immobilienbranche: Stockt der Fortschritt?, September 2023, S. 5
[2] ZIA/EY Real Estate, Digitalisierungsstudie 2023: Digitalisierung in der Immobilienbranche: Stockt der Fortschritt?, September 2023, S. 11
[3] Drees & Sommer, Studie: Transform to succeed 2024.
[4] EY, Pressemitteilung, Die Immobilienwirtschaft legt bei der Digitalisierung zu – digitale Quartiere als großes Chancenfeld der Zukunft, abrufbar unter: https://www.ey.com/de_de/news/2022-pressemitteilungen/09/die-immobilienwirtschaft-legt-bei-der-digitalisierung-zu
[5] Environmental, social and governance; allgemeine Kriterien für nachhaltiges Wirtschaften von Unternehmen
[6] ZIA/EY Real Estate, Digitalisierungsstudie 2023: Digitalisierung in der Immobilienbranche: Stockt der Fortschritt?, September 2023, S. 5
[7] Drees & Sommer, Studie: Transform to succeed 2024, S. 16
[8] Drees & Sommer, Studie: Transform to succeed 2024, S. 28
[9] ZIA/EY Real Estate, Digitalisierungsstudie 2023: Digitalisierung in der Immobilienbranche: Stockt der Fortschritt?, September 2023, S. 23
[10] ZIA/EY Real Estate, Digitalisierungsstudie 2023: Digitalisierung in der Immobilienbranche: Stockt der Fortschritt?, September 2023, S. 14 f.
[11] ZIA/EY Real Estate, Digitalisierungsstudie 2023: Digitalisierung in der Immobilienbranche: Stockt der Fortschritt?, September 2023, S. 20
[12] = Property Technology, Startup im Immobilienbereich, dessen Lösung technologischer Natur ist, abrufbar unter: https://www.haufe.de/thema/proptech/
[13] Dieser Punkt wird fast in jedem Experteninterview angeführt, vgl. ZIA/EY Real Estate, Digitalisierungsstudie 2023: Digitalisierung in der Immobilienbranche: Stockt der Fortschritt?, September 2023, S. 28 ff.
[14] Drees & Sommer, Studie: Transform to succeed 2024, S. 24
[15] Smirnoff, 18 Trends der digitalen Transformation in der Immobilienbranche, auf die Sie 2024 achten sollten, abrufbar unter: https://de.easysend.io/blog/18-digital-transformation-trends-in-real-estate-to-watch-out-for-in-2024
[16] Xing, Herausforderungen für Immobilienmakler in einem komplett veränderten Markt, abrufbar unter: https://www.xing.com/news/articles/herausforderungen-fur-immobilienmakler-in-einem-komplett-veranderten-markt-5768273
[17] Isler, Digitalisierung in der Immobilienwirtschaft: Wie IT-Services den Erfolg steigern, abrufbar unter: https://www.hagel-it.de/it-insights/digitalisierung-in-der-immobilienwirtschaft-wie-it-services-den-erfolg-steigern.html
Um einen Kommentar zu hinterlassen müssen sie Autor sein, oder mit Ihrem LinkedIn Account eingeloggt sein.