Mit skalierbaren Lösungen zu mehr Nachhaltigkeit in der Cloud

Die Green Cloud ist in aller Munde. Dennis Breitling, Experte für Cloud und Nachhaltigkeit bei codecentric AG, erläutert, wie eine Cloud nachhaltig gestaltet werden kann.
Interview von DIGITALE WELT – Fremd Autorschaft
1. Oktober 2024
Interviewpartner
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Mit skalierbaren Lösungen zu mehr Nachhaltigkeit in der Cloud

 

Die ‚Green Cloud‘ ist derzeit in aller Munde. Warum spielt das Thema Nachhaltigkeit in der Cloud-Transformation eine so wichtige Rolle?

 

Breitling: „Insgesamt rückt das Thema Nachhaltigkeit im IT-Bereich natürlich immer stärker in den Fokus. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Unternehmen ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden wollen und insbesondere auf ihren ökologischen Fußabdruck achten. Gerade im Bereich des Cloud Computing sind die Erwartungen diesbezüglich hoch: Laut einer aktuellen Bitkom-Studie versprechen sich 56 Prozent der Befragten durch die Cloud-Nutzung eine deutliche Reduktion der CO2-Emissionen. Diese Zahl verdeutlicht, wie wichtig nachhaltige Cloud-Lösungen für Unternehmen sind. Hinzu kommt, dass nachhaltige IT-Lösungen oft auch kosteneffizienter sind. Diese Kombination macht die Green Cloud so ausgesprochen attraktiv.“

 

Viele Unternehmen stehen vor der Frage, ob sie lieber auf eine Public Cloud oder auf eine Private Cloud setzen sollen. Wie lässt sich das im Hinblick auf die Nachhaltigkeit beantworten?

 

Breitling: „Das hängt ganz vom Unternehmen und insbesondere von dessen Cloud-Nutzung ab. Große Unternehmen, die es mit enormen Datenmengen und einer durchgehenden Auslastung der Cloud zu tun haben, profitieren von einer Private Cloud. Hier haben Sie die volle Kontrolle – auch was die Stromnutzung aus erneuerbaren Quellen angeht. Für kleinere Unternehmen lohnt sich der Betrieb einer Private Cloud selten, weder finanziell noch aus Nachhaltigkeitsgesichtspunkten. In diesem Fall sollten Sie lieber auf ein Public-Cloud-Angebot zurückgreifen, das es ermöglicht, nur die Kapazitäten zu buchen, die auch wirklich gebraucht werden. Der Nachteil hierbei ist allerdings die fehlende Souveränität über den Strommix.“

 

 

Warum ist die Möglichkeit der Skalierbarkeit von Cloud-Computing-Systemen für die Nachhaltigkeitsbilanz von so großer Bedeutung?

 

Breitling: „Zunächst einmal ist die Skalierung ein entscheidender Vorteil der Cloud-Nutzung: Auf diese Weise lassen sich Ressourcen je nach Bedarf anpassen, was zu beträchtlichen Energie- und Kosteneinsparungen führt. Die schier grenzenlosen Möglichkeiten der Cloud verleiten allerdings schnell auch zur Überdimensionierung: Um auf Nummer sicher zu gehen, werden mehr Ressourcen gebucht, als tatsächlich benötigt werden. Das führt zu einem unnötigen Ressourcenverbrauch. Für eine nachhaltige Nutzung der Cloud müssen Unternehmen daher die Effizienz ihrer IT-Infrastruktur optimieren und die Umweltauswirkungen durch eine bedarfsgerechte und weitsichtige Skalierung reduzieren.“

 

Wie lässt sich eine optimierte Skalierung konkret erreichen?

 

Breitling: „Ein wichtiger Schritt ist die Anpassung der Kapazitäten an die tatsächliche Last. Nehmen wir ein Beispiel: Zwar muss ein Finanzdienstleister seine Systeme ständig verfügbar halten, da Kunden rund um die Uhr auf ihre Kontoinformationen zugreifen möchten. Die meisten Transaktionen und Interaktionen finden jedoch während der regulären Geschäftszeiten statt, wenn Kunden aktiv ihre Konten verwalten, Überweisungen tätigen oder Finanzberatungen in Anspruch nehmen. In den späten Abendstunden und in der Nacht sinkt die Nutzung erheblich. Unternehmen sollten daher prüfen, welche Systeme in solchen Zeiten heruntergefahren werden können oder nur in reduziertem Betrieb laufen. Das gilt auch für Entwicklungsumgebungen, die oft nur tagsüber benötigt werden. Weniger laufende Server bedeuten auch weniger Kosten und geringeren Stromverbrauch.“

 

Viele Unternehmen folgen noch immer der Devise: „Speichern wir lieber alles, wir haben ja die Cloud.“ Welche Auswirkungen hat diese Herangehensweise auf die Nachhaltigkeitsbilanz?

 

Breitling: „Sie sprechen hier einen ganz wichtigen Punkt an: Datenspeicher in der Cloud werden oft als günstig und unbegrenzt angesehen, aber das ist ein Trugschluss. Große Datenmengen zu speichern kann schnell teuer werden und den Stromverbrauch in die Höhe treiben. Durch regelmäßiges Löschen nicht mehr benötigter Daten können Unternehmen Kosten und Energieverbrauch senken. Funktionen wie Retention Policies und Lifecycle Policies können übrigens dabei helfen, den Aufwand zu minimieren, indem konfiguriert wird, wann der Cloudanbieter Daten eigenständig löschen kann. Und: Datenbanken können so konfiguriert werden, dass veraltete Datensätze automatisch gelöscht werden. Ich rate also dringend zu einem ökonomischeren Ansatz in der Datenspeicherung – nicht zuletzt auch zum Wohle der Umwelt.“

 

Viele Unternehmen setzen auf dedizierte Server, um eine höhere Leistung und umfassendere Sicherheit zu gewährleisten. Welche Tipps haben Sie hier für Unternehmen in puncto Nachhaltigkeit?

 

Breitling: „Auch hier ist es zunächst wichtig, die tatsächliche Auslastung der Hardware genau zu überwachen. Anstatt von Anfang an die leistungsstärkste Hardware zu wählen, sollte man erst bei dauerhaftem Bedarf auf bessere Hardware umsteigen. Wir nennen das vertikale Skalierung. Außerdem lohnt es sich, regelmäßig nach neuen Servermodellen zu schauen, die oft energieeffizienter sind. Ein solcher Wechsel kann sowohl Kosten als auch Strom sparen.“

 

Sie hatten eben die vertikale Skalierung erwähnt. Lässt sich auch horizontal skalieren?

 

Breitling: „In der Tat! In diesem Fall geht es um die Verteilung der Last auf mehrere Server. Bei stark schwankender Last ist dies oft effizienter als der Einsatz von leistungsstarker Hardware. Indem man die Last auf mehrere kleinere Instanzen verteilt, kann man Lastspitzen besser abfangen. Wichtig ist auch, kleine Skalierungsschritte zu konfigurieren: Auf diese Weise lässt es sich vermeiden, mehr Rechenressourcen zuzuweisen, als tatsächlich benötigt werden. Ein dynamisch reagierendes System kann zudem unerwartete Zugriffszahlen besser bewältigen.“

 

Cloud-Provider haben zunehmend auch „Function as a Service“ (FaaS) in ihrem Angebot. Wie kann dieses Modell zur Nachhaltigkeit beitragen?

 

Breitling: „FaaS-Angebote ermöglichen es Unternehmen, Code direkt auszuführen, ohne sich um die zugrunde liegende Infrastruktur zu kümmern. Anbieter sorgen dafür, dass ausreichend Ressourcen vorhanden sind, um Anfragen zu verarbeiten, und berechnen nur die tatsächlich genutzte Laufzeit. Eine besonders interessante Eigenschaft ist das „Scale-to-Zero“, bei dem keine Kosten anfallen, wenn eine Funktion nicht genutzt wird. Dies macht FaaS zu einer attraktiven Möglichkeit, die Skalierung auszulagern und sich auf die Entwicklung zu konzentrieren, während gleichzeitig Ressourcen effizient genutzt werden.“

 

Zum Abschluss unseres Gesprächs: Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Umsetzung einer nachhaltigen Cloud-Strategie?

 

Breitling: „Eine der größten Herausforderungen ist es sicherlich, ein umfassendes Verständnis des eigenen Systems und der aktuellen Auslastung zu entwickeln. Ohne solides Monitoring und detaillierte Kenntnisse kann die Skalierung nicht korrekt durchgeführt werden. Außerdem erfordert eine langfristige Nachhaltigkeitsstrategie oft initiale Investitionen und einen Wandel in der Denkweise der Organisation. Ohne den Rückhalt der Geschäftsführung sind solche Projekte also nur schwer zu realisieren. Es ist enorm wichtig, dass Unternehmen den langfristigen Nutzen für die Umwelt und die Kosteneffizienz erkennen: Nachhaltigkeit sollte daher als integraler Bestandteil der Unternehmensstrategie betrachtet werden – auch und besonders im IT-Bereich.“

Interview geführt durch:

Extern geführte und eignereichte Experten-Interviews rund um unsere Themenschwerpunkte. DW prüft und untersagt werbliche Inhalte, nimmt sonst aber keine redaktionellen Korrekturen oder Eingriffe vor.

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