Digitalisierungstrend 2025: SuperApps – Ismet Koyun im Interview
Herr Koyun, woher kommen SuperApps und wie ist ihre Verbreitung in Deutschland?
Ismet Koyun: „Verbreitet sind SuperApps insbesondere in Asien. Hier gibt es viele Anbieter, die nach eigenen Angaben jeweils mehr als eine Milliarde Nutzer und unterschiedlichste Services bieten – von der Direktüberweisung bis zum Taxi-Ruf. Es gibt viele Erklärungen, warum sich SuperApps im asiatischen Raum schneller durchsetzen konnten als im Rest der Welt. Die weniger strengen Datenschutzbestimmungen gehören dazu. Aber auch, dass die Internet-Nutzung über das Smartphone in Asien schon immer sehr hoch war. Doch SuperApps gewinnen auch über Asien hinaus an Bedeutung. Laut aktueller Analysen renommierter Marktforschungsinstitute werden sie bis 2027 von über der Hälfte der Bevölkerung täglich genutzt – und dies auf der ganzen Welt. Große Technologieunternehmen stehen mit ihren SuperApp-Ansätzen in den Startlöchern. In Europa einschließlich Deutschland besteht noch Nachholbedarf, vor allem bei von den Tech-Riesen unabhängigen Lösungen. Es gibt bislang eine einzige SuperApp-Lösung im europäischen Raum – aus Deutschland. Der strenge rechtliche Rahmen, den die Europäischen Union insbesondere mit der DSGVO vorgibt, ist eine zentrale Herausforderung für die Entwicklung von SuperApps. Das eröffnet aber auch Chancen für Plattformen, die sich auf Sicherheit und Datenschutz konzentrieren.“
Können Sie das Prinzip SuperApp näher erläutern?
Ismet Koyun: „Sehr gerne. SuperApps vereinen viele Funktionen auf einer einzigen Plattform. Sie erschaffen für ihre Nutzer ein digitales Ökosystem. Wer sich einmal in der App anmeldet, muss sie nicht wieder verlassen – egal, wohin die Reise im Internet führt. Viele der erfolgreichen asiatischen SuperApps sind entweder aus einem Messenger-Dienst oder einem Bezahltool entstanden. Sukzessive wurden sie dann erweitert. Nahtlos integriert sind verschiedenste Services für Reisen, Einkaufen, Verwaltung und vieles mehr. Die Möglichkeiten sind nahezu unbegrenzt und variieren je nach Anbieter. Stellen Sie sich zum Beispiel folgendes Szenario vor: Sie buchen die nächste Flugreise und bezahlen sie direkt in der App. Sie schließen eine unabhängige Versicherung ab, beantragen einen neuen Reisepass, chatten währenddessen mit der Familie und bestellen das Abendessen – und das alles auf derselben Plattform. Das Rückgrat solcher Apps ist ein sicheres, einheitliches und transparentes Bezahlsystem.“
Worauf kommt es für eine erfolgreiche SuperApp an?
Ismet Koyun: „Es kommt auf ein vielfältiges Angebot an, sonst wird eine SuperApp nicht genutzt. Zudem braucht es eine zuverlässige Authentifizierung, hohe Sicherheit, die Einhaltung aller relevanten Datenschutzregularien und eine sichere Kommunikation. Weiterhin eine zentrale Rolle spielen die einfache Zugänglichkeit und der Bedienkomfort. Das sind die Grundvoraussetzungen, damit eine SuperApp von der breiten Masse verwendet wird.“
Können Sie die Erfolgsfaktoren näher erläutern?
Ismet Koyun: „Beginnen wir bei der Authentifizierung auf der SuperApp-Plattform. User müssen sich über eine verifizierte digitale Identität authentifizieren. Das verhindert Missbrauch und garantiert Sicherheit und Transparenz. Nicht nur für die Nutzer, sondern auch die beteiligten Unternehmen. Sie können sich sicher sein, mit echten Menschen zu kommunizieren. Fake-Profile und Internettrolle gehören damit der Vergangenheit an. Und: Diese Identität muss nicht nur hundertprozentig geschützt sein, sondern ist im Idealfall auch universell und überall im Internet gültig. Nur so kann der Nutzer sich frei, souverän und bedenkenlos in der digitalen Welt bewegen. Die Herausforderung besteht darin, höchstmögliche Sicherheit zu schaffen, die Anmeldung aber gleichzeitig so niedrigschwellig und unkompliziert wie möglich zu halten, um niemanden abzuschrecken.“
Das führt uns zu Sicherheit und Datenschutz – in Deutschland ja ganz großgeschrieben. Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein?
Ismet Koyun: „Das sind zwei ganz wesentliche Aspekte. Sicherheitsbedenken und mangelndes Vertrauen zählen zu den Hauptgründen, warum sich SuperApps in Deutschland und Europa bislang noch nicht flächendeckend durchgesetzt haben. Um erfolgreich zu sein, muss eine SuperApp höchsten Sicherheitsstandards genügen. Nur so entsteht Vertrauen. Dazu gehört auch das sensible Thema Datenschutz. Es ist essenziell, dass alle Nutzerdaten geschützt und lokal verarbeitet werden. Das heißt zum Beispiel, ausschließlich Server in Deutschland zu nutzen. Wichtig für Unternehmen und Entwickler ist ein verbindlicher und verlässlicher gesetzlicher Rahmen, an dem sie sich orientieren können, der aber gleichzeitig genug Freiraum für Innovationen lässt. Weiterhin zentral ist sichere Kommunikation. SuperApps sollten deshalb eine eigene Chat-Technologie haben. Eine verschlüsselte Kommunikation, die durch State-of-the-Art-Sicherheitstechnologien geschützt wird, ist eine Basis für den sicheren Austausch von Nachrichten und Daten. Das braucht es, damit Online-Angebote wirklich genutzt werden.“
Neben Sicherheit ist für eine breite Akzeptanz die einfache Zugänglichkeit notwendig, die Sie bereits angesprochen hatten. Was gilt es dabei zu beachten?
Ismet Koyun: „Niemand möchte eine Anwendung nutzen, die zwar viele Services beinhaltet, aber unnötig kompliziert ist. Deshalb sind Benutzerfreundlichkeit der SuperApp-Plattform und intuitive Anwendungen entscheidend, um das Angebot einer breiten Bevölkerung zur Verfügung zu stellen. Zugänglichkeit bedeutet aber auch: Alle Bürger müssen die Möglichkeit haben, auf die digitalen Services zugreifen zu können. Hier wiederum ist die Politik gefragt, eine barrierefreie Teilhabe am digitalen Leben zu ermöglichen – unabhängig von sozialem Status oder technologischem Verständnis. Im besten Fall können SuperApps so zur Demokratisierung des Internets beitragen.“
Kommen wir jetzt zur Bedeutung von SuperApps für Deutschland. Warum halten Sie eine SuperApp hier für wichtig?
Ismet Koyun: „Es ist kein Geheimnis: Deutschland hinkt bei der Digitalisierung weit hinterher. SuperApps haben das Potenzial, für einen entscheidenden Durchbruch zu sorgen. Sie können Bürokratie abbauen und endlich echtes, bequemes E-Government bereitstellen. Aber nicht nur das. Sie sind ein digitaler Marktplatz für sämtliche nützliche digitale Angebote einer Stadt. Damit bringen SuperApps nicht nur die Verwaltung voran, sondern ganze Wirtschaftszweige. Unternehmen, Kultur- und Bildungseinrichtungen erhöhen ihre Sichtbarkeit und erschließen neue Umsatzpotenziale. Das kann ganze Regionen bereichern – und die Digitalisierung in Deutschland beschleunigen.“
Gibt es Branchen, für die eine SuperApp besonders relevant ist?
Ismet Koyun: „Ja, zum Beispiel der Finanzsektor. Banken und Versicherungen stehen immer mehr in Konkurrenz zu großen Technologiekonzernen, die Finanzservices einfach mitübernehmen. Deshalb müssen sie sich diversifizieren und neue Wege beschreiten, um ihre Kunden abzuholen. Über eine SuperApp können sich Banken und Versicherungen einen eigenen digitalen Marktplatz aufbauen. Ihre Kunden können darüber Konten und Policen verwalten, Dokumente einreichen und rechtssicher digital unterschreiben. Auch hier ist höchste Sicherheit erforderlich: Sensible Daten wie die elektronische Patientenakte oder persönliche Finanzpläne müssen sicher hinterlegt werden und mit der verifizierten digitalen Identität verknüpft werden können. Beratung und Kundenservice können direkt in der App erfolgen. Auch Angebote von Drittanbietern ließen sich integrieren, etwa Baufinanzierungen oder Fitnessangebote bei speziellen Versicherungen. So positionieren sich Banken und Versicherungen als Allround-Dienstleister und holen sich Marktanteile zurück.“
Last but not least – was sehen Sie, wenn Sie einen Blick in die Digitalisierungs-Glaskugel werfen?
Ismet Koyun: „Alles deutet darauf hin, dass die Verbreitung von SuperApps in den nächsten Jahren exponentiell wachsen wird. Die Digitalisierung schreitet immer schneller voran. Die Nachfrage nach einheitlichen, bequemen Online-Services steigt. Zusätzliches Potenzial birgt auch der rasante Fortschritt mit künstlicher Intelligenz: KI-Algorithmen werden die Funktionen von SuperApps noch weiter ausbauen und den Service verbessern. SuperApps gehört die Zukunft, auch in Europa und in Deutschland – wenn sie gut gemacht sind und Bedenken zu Sicherheit und Datenschutz ausräumen. Dann können sie zum Grundgerüst einer stabilen und sicheren digitalen Infrastruktur werden. Und machen wir uns nichts vor: Wir brauchen sie. Ohne SuperApp wird Deutschland nicht digital.“
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Koyun.
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