Breite Anwendungsmöglichkeiten von Blockchain – Mit der Digitalisierung entstehen ständig neue Use Cases

Ein bekannter Münchner Softwareentwickler versteht sich als Anbieter und Berater für kundenindividuelle Digitallösungen, dem es darum geht, aktuelle Trends und Technologien zu verstehen und bewerten zu können. Die Themenfelder Blockchain und Distributed Ledger sind seit mehr als fünf Jahren schon auf ihrer Agenda. Eines der ersten Projekte war beispielsweise die Entwicklung einer blockchainbasierten Abstimmungslösung, die das Unternehmen sowohl bei den Versammlungen ihrer Genossenschaft einsetzt als auch für externe Kunden bereitstellt.
Interview von DIGITALE WELT – Fremd Autorschaft
12. August 2022
Interviewpartner
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Mittlerweile berät iteratec in ihrem Blockchain-Themenfeld Organisationen aus unterschiedlichsten Bereichen bei der Konzeption und Umsetzung von blockchainbaiserten Business-Lösungen, von NFT-Marktplätzen und der Integration von NFTs in Standard-Onlineshop Lösungen bis hin zu Tokenisierungs-Projekten und blockchainbasierten Echtheitszertifikaten. Aufbauend auf dieser jahrelangen Erfahrung, führt der Softwareentwickler auch für andere Unternehmen Reviews von Smart Contracts durch. Gleichzeitig werden dort laufend neue Technologiebausteine exploriert wie Plattformen wie Flow oder Solana.

Wie bewerten Sie das aktuelle gesellschaftliche Prestige von Blockchain? Wie steht es um die breiten Einsatzmöglichkeiten?

Der Begriff „Blockchain“ ist im aktuellen gesellschaftlichen Diskurs oftmals sehr breit gefasst. Dementsprechend ist auch die Wahrnehmung sehr vielfältig, je nachdem, ob man beispielsweise Krypto-Währungen betrachtet oder Smart Contract-basierte Use Cases.
Fakt ist, dass es mittlerweile eine Reihe von Anwendungsfeldern gibt, in denen die Blockchain-Technologie bereits gewinnbringend eingesetzt wird. Dazu gehören beispielsweise die Nachverfolgbarkeit von Gütern in intransparenten Lieferketten oder die manipulationssichere und anonyme Stimmabgabe in virtuellen Versammlungen.
Gleichzeitig begegnen wir gerade bei vermeintlichen Hype-Themen, wie NFTs oder dem Metaverse, immer wieder einer Vielzahl von Spekulanten und überzogenen Erwartungen, in deren Umfeld oft auch unseriöse oder wenig nachhaltige Geschäftsmodellen anzutreffen sind.
Deshalb umso wichtiger, unseren Kunden Orientierung in diesem sich sehr schnell verändernden Marktumfeld zu geben, indem wir Technologiepotenziale und Anwendungsmöglichkeiten valide bewerten.

Wie hängt die Gaming-Industrie mit Blockchain-Technologien zusammen?

Die Gaming-Industrie ist der absolute Vorreiter beim Generieren, Handeln und Tauschen von virtuellen Wertgegenständen, sogenannten In-Game-Assets. Laut aktuellen Studien wurden hier im vergangenen Jahr bereits 3,4 Milliarden US-Dollar umgesetzt. Daran knüpfen sich vielfältige Fragestellungen, auf die die Blockchaintechnologie interessante Antworten liefern kann, wie etwa: Wie lassen sich digitale Güter plattformübergreifend bzw. plattformunabhängig handeln? Über welche Mechanismen können Creator angemessen an den Erlösen der durch sie erstellen Assets beteiligen?
Damit ist die Gaming-Industrie auch ein wichtiger Treiber für Themen wie digitale Eigentumsnachweise in Form von NFTs oder blockchainbasierte DAO-Plattformen.
Das alles kumuliert heute übrigens immer mehr im Phänomen des Metaverse.

Was ist das Metaverse und was hat es mit der Blockchain zu tun?

Es existieren verschiedenste Definitionen des Metaverse, die meist von einem bestimmten Technologieverständnis geprägt sind und daher immer nur Teil-Aspekte abbilden. Wir verstehen das Metaverse hingegen als technologieübergreifendes Phänomen, das v. a. dadurch geprägt ist, dass sich immer mehr Aspekte des Alltags in virtuelle Welten verlagern und die digitale Identität, etwa in Form von Avataren, zunehmend an Bedeutung gewinnt. Dadurch entstehen einerseits immer immersivere virtuelle Erlebnisräume, etwa in Form von Gaming-Welten wie Fortnite oder Roblox bzw. sozialen Plattformen wie DecentraLand. Andererseits werden diese virtuellen Räume immer attraktiver für Unternehmen, die dort ihre Produkte platzieren oder neue Zugänge zu ihrer Marke schaffen wollen.
Eine wesentliche Herausforderung im Metaverse besteht darin, virtuelle Avatare und damit verbundene Assets über Grenzen einzelner Plattformen hinweg dezentral verfügbar zu machen und so den Aufbau einer echten digitalen Identität zu ermöglichen. Und hier kommt die Blockchain ins Spiel, die durch ihren dezentralen Charakter die Grundlage für plattformübergreifende Gültigkeit von virtuellen Assets schafft.

Was sind NFTs und wie steht es um die Einsatzmöglichkeiten in Unternehmen?

NFTs, also Non-fungible Tokens sind – vereinfacht ausgedrückt – blockchainbasierte Eigentumsnachweise für digitale Assets wie etwa Bilder, Videos oder In-Game Items. Sie werden heute vor allem eingesetzt, um digitale Kunstwerke, Collectables oder die bereits beschriebenen In-Game Items zu handeln.
Davon abgesehen, spielen NFTs im klassischen Unternehmenskontext bislang eine eher nachgelagerte Rolle, zumal an den Einsatz im Unternehmen verschiedene Herausforderungen, wie etwa der Verbuchung von Erlösen in Kryptowährungen geknüpft sind.
Wir sehen aber aus verschiedenen Gesprächen, dass sich das gerade im B2C-Umfeld ändert. Beispielsweise bekommen NFTs im Kontext der Erweiterung von physischen Produkten eine zunehmend größere Bedeutung. Etwa indem man zusammen mit einem physischen Produkt ein NFT erhält, mit dem man digitale Zusatzleistungen freischalten kann. So arbeiten wir gerade an einer Anbindung an Shopify (klassischer Online Shop), um beispielsweise mittels NFTs Rabatte für den Kauf klassischer Produkte zu erhalten.
Betrachtet man NFTs als rein technischen Standard, dann lassen sich darüber auch Eigentums- bzw. Echtheitsnachweise für physische Produkte abbilden, was etwa im Hinblick auf Fälschungssicherheit im Luxussegment relevant sein kann.

Wie funktionieren blockchainbasierte Echtheitszertifikate?

Herkömmliche Echtheitszertifikate, die heute beim Kauf von Luxusartikeln wie zum Beispiel hochwertigen Uhren ausgehändigt werden und dem Käufer sowie zukünftigen Besitzern die Echtheit bestätigen, bestehen meist in Papierform und sind dadurch wenig fälschungssicher.
Im Gegensatz dazu ermöglichen blockchainbaiserte Echtheitsnachweise Herstellern von Luxusgütern die Möglichkeit, digitale, nicht fälschbare Zertifikate – Immutable Certificate of Ownership (ICO) – für ihre Produkte bereitzustellen. Die Gefahr der Fälschung wird hierbei mithilfe von Blockchain beseitigt, indem Daten, die das Produkt als Original bzw. Unikat eindeutig identifizieren, zusammen mit Herstellerinformationen gespeichert und mit Hilfe der Blockchain unveränderbar gesichert. Über diesen Weg ist der Gegenstand eng mit dem Hersteller oder dem Herausgeber eines Gutes, z.B. einem Kunstwerk, verknüpft und bietet auch eine hohe Transparenz beim Weiterverkauf.

Welche Risiken gehen mit Blockchain-Technologien einher und was sind Lösungen?

Bei der Blockchain-Technologie verhält es sich wie bei den meisten neuen Technologien. Am Anfang entstehen sehr viele neue spannende Projekte, die das Ziel verfolgen, die neue Technologie weiterzuentwickeln. Hier besteht die größte Herausforderung darin, zu entscheiden, auf welche Lösung man bei der Umsetzung eines Projektes setzen sollte, da sich am Ende nicht alle Ideen durchsetzen und am Markt behauten werden.
Im öffentlichen Diskurs, in dem die Blockchain-Technologie meist mit Kryptowährungen wie Bitcoin assoziiert wird, spielt zudem das Thema Energieverbrauch eine zentrale Rolle. So plante etwa das Europaparlaments im Rahmen der Krypto-Regulierung „Markets in Crypto Assets“ (MiCA), die Proof of Work (PoW)-Kryptowährungen in der Europäischen Union (EU) gänzlich zu verbieten. Der Energieverbrauch hängt jedoch sehr stark vom verwendeten Consensus der Blockchain ab. Dies ist ein sehr starker Treiber bei der Weiterentwicklung der Technologie. Breiter bekannt ist die geplante Umstellung vom Proof-of-Work auf den Proof-of-Stake auf der Ethereum Blockchain, die den Energieverbrauch um 90% senken soll.
Ein weiterer limitierender im Bereich von Blockchain Projekten sind die regulatorischen Rahmenbedingungen, die noch immer stark in Bewegung sind. Hier zu empfehlen bei der Umsetzung von Projekten rechtzeitig juristische Beratung einzuholen, um rechtliche und unternehmerische Risiken zu minimieren.

Was würden Sie einem Klein- oder Mittelstandsunternehmen heute raten, um morgen für den breiten Einsatz von Blockchain gerüstet zu sein?

Die gute Nachricht ist: Das Thema Blockchain steht in vielen Anwendungsbereichen noch am Anfang. Mein wichtigster Rat in diesem Zusammenhang wäre, sich nicht von Buzzwords und Hypes leiten zu lassen, wenn man über den Einsatz von Blockchain als Technologie nachdenkt. Stattdessen sollten sich Unternehmen zunächst genau darüber klar werden, was sie mit der Technologie überhaupt erreichen, also welche Problemstellung sie dadurch bei sich oder für ihre Kunden lösen wollen, um tatsächlich beurteilen zu können, ob die Blockchain an dieser Stelle Sinn macht. Im Anschluss daran kann und sollte man eine gefundene Idee zunächst leichtgewichtig verproben.

Wie ist Blockchain mit anderen digitalen Technologien verknüpft (Künstliche Intelligenz, Machine Learning, Quantencomputing, …)?

Die Verknüpfung von Technologien ergibt sich ja meist aus konkreten Use Cases, nicht zwangsweise aus der Technologie selbst. Beispielsweise kann es Sinn machen, Entscheidungen, die ein Machine Learning-Algorithmus getroffen hat mittels Blockchain transparent und unveränderlich zu sichern.
Quantencomputing wird einen erheblichen Einfluss auf die Blockchain Technologie haben, da es das Thema Kryptographie betrifft. Das Vertrauen, welches die Blockchain herstellt, basiert auf Kryptographie. Die heute überwiegend verwendeten Verfahren sind mithilfe von Quantencomputern einfach zu kompromittieren.

Was ist Ihr Fahrplan für die nächsten fünf Jahre in Punkto Digitalisierung?

Wir versuchen, immer nah an unseren Kunden zu sein und für ihre Digitalisierungs-Herausforderungen passgenaue Lösungen zu liefern, mit denen sie echte Wettbewerbsvorteile am Markt erzielen können. Aktuell sind das beispielsweise Themen wie der gewinnbringende Einsatz von AI und Data Analytics zur Automatisierung von Routinetätigkeiten.
In Bezug auf die Blockchain Technologie ist es aufgrund der enormen Dynamik in diesem Bereich schwer, einzelne Trends und Entwicklungen herauszugreifen. Im Kontext der Industrie werden in Zukunft Themen zur Automatisierung von Prozessabläufen und zur Schaffung von Transparenz eine hohe Bedeutung haben. Grundsätzlich beschäftigen wir uns auch mit Aspekten wie der Stabilität und Skalierbarkeit von blockchainbasierten Anwendungen sowie der User Experience. Denn durch die zunehmende Verbreitung von Blockchaintechnologie in verschiedenen Branchen und Lebensbereichen wird die Zugänglichkeit von dApps – auch in weniger Technik-affinen Zielgruppen – zu einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil.

Interview geführt durch:

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