Zentrale vs. dezentrale KI
Obwohl maschinelles Lernen schon nahezu alle Lebensbereiche zu durchdringen scheint, bleibt das volle Potential von Künstlicher Intelligenz oft noch unklar. Da der Begriff Künstliche Intelligenz heutzutage oftmals pauschalisiert wird, kann es schwer sein, sich ein korrektes Bild von der Technologie zu machen. Hierbei muss zwischen zentraler und dezentraler bzw. Embedded-KI differenziert werden. Um jedoch zwischen diesen Ansätzen unterscheiden zu können, muss erst das Grundprinzip des Megatrends verstanden werden.
Vereinfacht ist das Konzept der KI ein Bereich der Algorithmik, der sich damit beschäftigt, Computer mit menschenähnlichen Intelligenzfähigkeiten auszustatten, insbesondere mit der Fähigkeit des Lernens. Hierbei werden dem KI-Modell große Datenmengen wiederholt präsentiert, bis es eigenständig mit hoher Wahrscheinlichkeit auf das gewünschte Ergebnis schließen kann. Durch die Analyse und Verknüpfung von Datenpaketen, die dem System zur Verfügung stehen, versucht die KI Schlussfolgerungen auf Basis erlernter Muster und Generalisierungen zu ziehen.
Wird die KI beispielsweise darauf trainiert, zu melden, wenn Milch auf dem Herd zu überkochen droht, muss sie zunächst verstehen, wie ein idealer „Kochvorgang“ ablaufen würde. Sie muss also erstmal den intentionalen, makellosen Ablauf des „Milchkochens“ verinnerlicht haben, um wissen zu können, was überhaupt ein potenzielles Problem wäre. Im nächsten Schritt wird der Künstliche Intelligenz dann unzählige Male das Problem – in diesem Fall: überkochende Milch – präsentiert, was sie vorausschauend identifizieren soll. Durch die KI verfügbare Sensorik, sucht die KI nach Merkmalen (sog. „Features“), die ihr immer verraten, dass das besagte Problem eintreten wird. Diese Features variieren von Temperatur, Vibration bis hin zu Gerüchen, je nachdem welche Sensoren man der KI bereitstellen will. Nachdem man nun also vor den „Augen“ der KI hunderte Male Milch zum Überkochen gebracht hat, kann sie dies vorausschauend identifizieren und somit die Temperatur abdrehen oder den Koch benachrichtigen.
Interessant ist hierbei, dass die Künstliche Intelligenz schneller und besser als der Mensch die richtige Lösung erschließen kann, jedoch oftmals über für uns nicht nachvollziehbare Wege. Ein bekanntes Beispiel dazu ist das einer Supermarktkette, die eine junge Kundin aufgrund ihres Einkaufsverhaltens als schwanger identifizieren konnte, was für ein regelrechtes „Familiendrama“ sorgte. Dadurch, dass eine Künstliche Intelligenz die unscheinbarsten Details berücksichtigt, kann sie sozusagen Probleme aus allen möglichen Perspektiven betrachten und dementsprechend aus Daten jede potentielle Lösung herausfiltern. Das sekundenschnelle Kategorisieren und Analysieren von gewaltigen Datensätzen offenbart der KI also immer jedes denkbare Ergebnis – beabsichtigt oder unbeabsichtigt.
Dieser datengetriebene Prozess setzt jedoch eine äußerst leistungsstarke Datenbasis voraus, was Herausforderungen in Bezug auf Ressourcen, Kosten und vor allem Datenschutz mit sich bringt. Eine „zentrale KI“ sitzt also auf einem externen Server oder Cloud, wo sowohl alle Daten münden als auch die KI-Modelle ausgeführt werden. Dies ermöglicht zwar ressourcenintensive Berechnungen und Datenverarbeitungen, schafft aber andererseits eine Abhängigkeit zu einer kontinuierlichen Serveranbindung.
Der moderne Ansatz der Embedded-KI bietet hier entscheidende Vorteile, da alle Probleme einer zentralen KI hier nicht greifen. Embedded-KI unterscheidet sich elementar von den herkömmlichen Modellen dadurch, dass sie autark und lokal wirkt. Dabei ist entscheidend, dass keine Netzwerkanbindung von Nöten ist und die KI unabhängig von der Netzwerkumgebung funktionstüchtig ist. Während das Grundprinzip von Künstlicher Intelligenz unverändert bleibt, liegt die KI nun auf einem Chip respektive auf einer Platine (“intelligenter Sensor”). Sobald die KI also die gewünschte Funktion anhand von zuvor mit spezieller Hardware gesammelten und künstlich aufbereiteten Daten erlernt hat, wird sie vom Server heruntergenommen und in die Hardware der jeweiligen Geräte eingesetzt.
Davor muss natürlich die passende Ziel-Hardware entwickelt werden und danach folgt „nur noch“ die Softwareentwicklung, um Kommunikation zwischen KI und Gerät (Interfacing, Parametrisierung) herzustellen. Falls die Vorteile dieser technologischen Innovation nicht zum Vorschein geraten, erlaubt dies Unabhängigkeit gegenüber Anbietern, erhöhte Privatsphäre/Datenschutz, tiefere Datenanalysen aber auch Kostenvorteile. Weil die Daten ausschließlich über die Sensorik auf dem Gerät eingehen, dort analysiert und ausgewertet werden, können sie auch nicht von einer dritten Partei extrahiert werden.
In einer so datensensiblen Welt kann Embedded-KI den Schutz bieten, der so selten garantiert ist. Neben der erhöhten Datensicherheit hat das dezentrale Modell aber auch funktionale Vorteile. Gerade in der Automobilindustrie und Medizintechnik sind sekundenschnelle Reaktionen essenziell. Im Falle von Embedded-KI verlassen Daten nie das Gerät und werden dort verarbeitet, weshalb die KI in Echtzeit unter enormen Datenmengen Entscheidungen treffen kann, ohne Verzögerungen durch Datenübertragungen zu erfahren. Noch dazu ist diese KI-Technologie wegen reduzierter Serverinfrastruktur-Aufwände, Datenübertragungskosten oder erhöhter Energieeffizienz deutlich kostengünstiger als andere.
Einsatzmöglichkeiten von Embedded-KI in der Industrie
Embedded-KI-Lösungen greifen hier in nahezu jedem Industrie-Bereich an. Sie sind besonders dafür geeignet, Routineaufgaben zu erfüllen, wo ein großer Verbesserungsbedarf herrscht, sie können und werden aber auch bei sehr komplexen Operationen eingesetzt. Dabei sind die heutzutage drei gängigsten Anwendungen die User Interaction, Funktionale Innovationen und „Preventive Maintenance“ (präventive Wartung).
Die präventive Wartung ist eine Einsatzmöglichkeit von Embedded-KI, die sich jetzt schon viele Unternehmen zu Nutzen machen. Durch die kontinuierliche Überwachung und Analyse der Gerätkomponenten, kann die KI anhand von Prognosemodellen in Echtzeit auf Abnormalitäten schließen und Defekte von Geräten frühzeitig vorhersagen. Dadurch können unerwartete Betriebsunterbrechungen komplett vermieden werden, wobei Ausfälle von Maschinen häufig extrem kostspielig sind. Noch dazu fallen ressourcenintensive Routinewartungen weg, da Reparaturtermine nach maximaler Effizienz geplant werden können. Unternehmen können also die Wartungen ihrer Geräte so nicht nur minimieren, sondern sie müssen somit auch nur dann erfolgen, wenn sie wirklich von Nöten sind. Das eröffnet auch Raum für neuartige, kontinuierliche Geschäftsmodelle wie Service-Abos, die die hiesige Wirtschaft vom reinen Stückzahl-Preiswettbewerb zum Gesamtpaketwettbewerb hin heben.
Beispiele für Predictive Maintenance können Ausfallvorhersagen durch Ultraschall-, Spektrografie-, Staub- oder Stromsensorik sein, die bestimmte Hauptausfallskomponenten überwachen. Dies kann sich vom Transportband über Getriebe, Antriebe und Pumpen bis hin zu Bremsen oder Werkzeugen erstrecken. Wichtig ist es anfangs, die Hauptausfallskomponenten richtig zu bestimmen, da nicht pauschal alles überwacht werden kann. Es ist entscheidend, was im Service- und Wartungszyklus häufig vorkommt und gleichzeitig kostentreibend ist. Zudem ist dies nicht mit Condition Monitoring zu vergleichen, bei dem lediglich alarmiert wird, wenn beispielsweise bestimmte Schwellenwerte (siehe Öldruckanzeige beim Auto) erreicht sind und somit das Kind schon in den Brunnen fiel.
Die häufige Frage nach Trainingsdaten und Varianz ist übrigens wie folgt zu beantworten: Meistens können die Daten auf Prüfständen kontrolliert mit älteren Serviceteilen oder künstlich verschlissenen Teilen zum großen Teil generiert werden. Ein Teil erfolgt künstlich durch eine Art Simulation bzw. Aufbereitung der Daten (Augmentation, teilweise durch generative KI-Modelle wie solche für Deep Fakes). Zusätzlich oder stattdessen können natürlich auch Realdaten bei Feldtestkunden gesammelt werden, sodass die KI die Vielfalt und Varianz der Einbauarten bzw. Nutzungsweisen lernt, denn das ist ihre Stärke: auch bei unbekannten, ähnlichen Fällen robust zu sein und korrekt zu reagieren.
Neben präventiven Wartungen wird Embedded-KI häufig auch für User Interaction eingesetzt. Darunter wird die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine verstanden, ohne dass eine dritte Partei erforderlich ist. Fachkräfte könnten Geräte und Maschinen also per Sprache oder Gesten bedienen, ohne das Mitwirken anderer Angestellter. Die Automatisierung geht hier sogar so weit, dass ganze Produktionslinien allein funktionstüchtig sein können mit minimalem bzw. keinem menschlichen Einwirken. Das wirkt nicht nur einem Fachkräftemangel entgegen, der in vielen Industrien vorhanden ist, sondern es würde auch die Effizienz um einiges steigern. In der Fertigungsindustrie müssen Unternehmen sich also nicht mehr nach humanen Arbeitszeiten richten, da Produktionslinien Tag und Nacht und 7 Tage in der Woche arbeiten können.
Diese neue Technologie der Embedded-KI ermöglicht aber noch Dutzende, andere funktionale Innovationen. Ihre Einsatzmöglichkeiten sind sehr flexibel. Es kommt ganz auf die Vorstellungskraft der Unternehmen an. Von der Agrarindustrie bis hin zum Rohstoffhandel können viele Prozesse automatisiert werden, um so Effizienz, Sicherheit und Intelligenz zu steigern.
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