Künstliche Intelligenz: Was es mit dem Trend Embedded-KI auf sich hat

Als Embedded-KI werden Elektroniksysteme bezeichnet, in denen Künstliche Intelligenz (KI) autark und lokal wirkt. Embedded-KI ist ein jüngeres KI-Feld als Fortsetzung von Edge-AI, aber mit vollständiger Autonomie. Das System läuft lokal, beispielsweise an einem Sensor auf einer Platine und wirkt ohne Netzwerk oder große Datenübertragungen und in Echtzeit vor Ort. Embedded-KI bringt ein neues Zeitalter der intelligenten Datenverarbeitung hervor.
Von   Viacheslav Gromov   |  Gründer und Geschäftsführer   |  AITAD
10. Dezember 2022

Dieser Trend der Dezentralisierung ermöglicht es, jedes Device – vom Haushalt über Industrie bis zur Mobilität – mit Künstlicher Intelligenz auszustatten. Das Marktpotenzial ist enorm – mitverursacht durch Mitläufertrends wie (I)IoT, Connectivity, Security und Cloud Services. Laut einer Analyse von DAC wächst der globale Embedded-KI-Markt um jährlich 5,4 Prozent bis 2026, wo das Marktvolumen die 40 Mrd. US-Dollar-Grenze erreicht. Die KI-fähigen Halbleiter-Chips steigen im gleichen Zeitraum sogar auf circa 125 Mrd. US-Dollar-Marktvolumen bei einer jährlichen Wachstumsrate von rund 34 Prozent.

Vielfältige Einsatzgebiete

Embedded-KI steht erst am Anfang ihres Entfaltungspotenzials, sodass dies im aktuellen Stadium jedem Produkt mindestens einen Unique Selling Point (USP) verschafft. Wichtig ist, dass Einsatz und Nutzen für den Hersteller und Anwender miteinander in Einklang sind. Dabei erreicht man mit Embedded-KI vor allem in den Bereichen Maschinenbau, Medizin, Verbraucher, Automotive sowie in der Produktion und Herstellung Verbesserungen und erschafft neuartige Funktionen. Schreiten Unternehmen mit dieser Technologie weiter voran, werden sie sogar der aktuellen, globalen Krisen-Wettbewerbssituation Herr, indem mittels Predictive Maintenance Ausfällen vorgebeugt werden kann und sie in neue, kontinuierliche Geschäftsmodelle basierend auf der Nutzung an Stelle des Stückzahlverkaufs einsteigen können.

Beispiele von Embedded-KI-Innovationen

Verbraucher:

  • ein Herd, der dafür sorgt, das Speisen optimal gekocht werden (Stichwort: Guided Cooking)
  • eine Zahnbürste, die den Zahnstatus erkennt und den Nutzer frühzeitig darüber informiert. So kann z.B. die Zahl der erforderlichen Zahnarztbesuche optimiert werden.
  • ein Raumfilter, der automatisch den Betrieb flexibel anpasst, je nachdem, ob das Fenster geöffnet ist.
  • eine Waschmaschine, die je nach Beladung und Verschleiß („Gesundheitszustand“) effizienter wäscht oder selbstständig den Service ruft.

Medizin:

  • Therapie- und OP-Geräte, die ohne eine Hilfsschwester vom Operateur direkt per Sprache gesteuert werden.
  • Raumbeleuchtungen, die sich je nach OP-Phase dank Bilderkennung der Operationsstelle automatisch mit Lichtstärke und -art anpassen.
  • Schnarch-Therapiegeräte, die Anomalien bei Verrohrung durch redundante kalorimetrische Sensoren erkennen und auf Leck oder sich verändernde Atemintensität hinweisen

Automotive/Mobilität:

  • eine Seilbahn, die die Personenzahl zwecks Auslastung sowie Seilschwingung zwecks Sicherheit des Systems erkennt.
  • Hinderniserkennungen bei FTS durch Lidar-Technik mit Trajektorienvorschlag (z.B. Rad durch einen Stein blockiert).
  • eine Turbine, die sich automatisch an die Ökokerosin-Beimischungen zwecks längerer Lebensdauer anpasst.
  • der Fahrzeug-Antriebsstrang, der zwecks Sicherheit mit Predictive Maintenance überwacht wird.

Produktion/Industrie/Maschinenbau:

  • industrielle Luftreinigungsanlagen, bei denen das Waschwasser frühzeitig anhand Spektrografie für das beste Reinigungsergebnis beurteilt wird.
  • eine Transportanlage, die anhand des Bandflatterns rechtzeitig vor Produktionsstillstand der gesamten Anlage warnt.
  • eine Spritzgussmaschine, die in Echtzeit nach Druck- und Temperaturdaten den Prozess zwecks eines einwandfreien Ergebnisses anpasst.
  • eine Metall-Trennanlage, die beim akustischen „Notaus“-Ruf des Bedieners aus Sicherheitsgründen abschaltet.

Die Vorteile von Embedded-KI

Embedded-KI ermöglicht die lokale Verarbeitung großer Datenmengen, sodass das Risiko des Abfangens oder Manipulieren von sensiblen Daten verringert wird. Das führt zu einer höheren Daten- und Systemsicherheit. Ein Gerät muss keine performante Netzwerkinfrastruktur vorhalten, um Daten verarbeiten zu können. Somit ist eine geringere Konnektivität erforderlich, was die Produktionskosten reduziert. Embedded-KI lebt auf beschränkten Ressourcen, was Stromversorgung (auch Batteriebetrieb), Rechen- und Speicherleistung angeht. Solche Komponenten erfassen und verarbeiten die Daten sofort, und können darauf in Millisekunden reagieren, was bei vielen Anwendungen ein Muss ist. Ebenso kann das Gerät Daten in Echtzeit analysieren und überträgt nur das, was für die weitere Analyse in der Cloud relevant ist (Stichwort: Datenmengen reduzieren).

In der Praxis ergeben sich drei zentrale Einsatzfelder von Embedded-KI:

Funktionale Innovationen: neuartige Funktionen, die den Zielnutzen eines Produkts oder Prozesses optimieren oder gar verändern. Hierbei findet man maßgeschneiderte Embedded-KI-Lösungen für spezifische Herausforderungen und Vorgaben der Hersteller.

User Interaction: Diese erstreckt sich von einfacher Sprach-Befehlseingabe (d.h. KWS, Keyword Spotting) über Gestenerkennung bis hin zu komplexeren Mensch-Maschine-Kollaborationen wie Bedienertracking, Augentracking oder Werkstückerfassung.

Predictive/Preventive Maintenance: Hier geht es um intelligente, vorausschauende Wartung, die über einfaches Condition Monitoring hinausgeht und frühzeitig zuverlässige Vorhersagen über konkrete Fehlerbilder liefert.

Wohin wird sich der Trend Embedded-KI entwickeln?

Weil Schlussfolgerungen, Vorhersagen und Imitationen aufgrund steigender Rechenleistung, besser Machine-Learning-Modelle und vorhandener Datenmengen immer perfekter werden, wird es weitere Fortschritte und Umbrüche geben. Die Systeme – sei es der Herd, das Auto oder die Maschine in der Produktion – werden immer intelligenter. Durch die zunehmende Dezentralisierung und Autarkie mit Embedded-KI werden zentrale Rechensysteme wie Server und die Cloud nur noch übergreifende Kontextaufgaben ausführen. Diese Art von Dezentralisierung und Effizienz lässt sich übrigens auch in der Natur beobachten.

So geht es zum Beispiel in der Sprach- oder Personenerkennung viel um Befehlssteuerung oder Personendetektion. Aber neue Technologien wie organische Halbleiter, Memristor-Arrays und Spiking Neural Networks, also gepulste neuronale Netze, die näher an biologischen neuronalen Netzen sind als andere Netzarten, werden die Zukunft mitbestimmen. Dann wird es möglich werden, Emotionen oder ganze Krankheitsbilder anhand von Sprache oder Bewegung zu erkennen.

In der Medizin wird es zukünftig durch Datenanalysen mittels Embedded-KI möglich sein, die Eintrittswahrscheinlichkeit von bestimmten Krankheiten und Genesungsprozesse in einem viel umfassenderem Ausmaß vorherzusagen, als das heute der Fall ist. Den Geräten zuhause, in Unternehmen und Produktionsstätten wird Embedded-KI eine Intelligenz verleihen, dass sie mit dem Benutzer auf funktionaler und kollaborativer Ebene interagieren sowie neue Funktionen bieten.

Megatrend Nachhaltigkeit: Diese Technologie wird auch viele Geschäftsmodelle in der Wirtschaft verändern und so zu mehr Nachhaltigkeit beitragen: Durch Modelle wie „Hardware-as-a-Service“ werden zum Beispiel intelligente, langlebige Geräte nur noch ausgeliehen, wobei sie automatisch Verbrauchsgegenstände nachbestellen und sich frühzeitig warten.

Auf Individuallösungen setzen

Der Embedded-KI-Markt ist noch weitgehend unbesetzt, wobei immer mehr Insellösungen oder niederschwellige Angebote aus dem Boden schießen. Spezifische Lösungen (oft auch closed-source) können im Einzelfall und wenn die Integration frühzeitig erfolgt, durchaus ein Gewinn fürs Unternehmen sein. Niederschwellige Softwareangebote verschiedenster Halbleiterhersteller oder eher übergreifende Tools wie „Edge Impulse“ sind Fluch und Segen zugleich: Sie kommen schnell zum Ergebnis (auch teilweise dank AutoML-Funktionalität, also automatisiertem Modell-Erstellungsprozess). Die gesamte vom Verständnis des jeweiligen Entwicklers abhängige Entwicklungskette ist jedoch eingeschränkt.

Die Halbleiterindustrie bietet eine Reihe von auf Embedded-KI-Use-Cases wie z.B. auf Bildverarbeitung zugeschnittene Chips, die performant und angepasst sind. Doch auch diese Diversifizierung des Hardwaremarktes bringt Verwirrung mit sich.

Fertige Insellösungen können nur begrenzt auf die Bedürfnisse angepasst werden, mit kleineren oder größeren Abstrichen. Unternehmen sollten sich daher Individuallösungen bevorzugen, da individuelle Systemanfertigungen einen deutlich größeren Spielraum mitbringen. Es geht darum herauszufinden, welches KI-Modell ins Produkt passt, wie sie sich effektiv auf Hardware umsetzen lässt, dafür die entsprechenden Systemkomponenten anhand gesammelter und ausgewerteter Daten zu entwickeln, das Ganze anhand eines Prototyps umzusetzen und in der Praxis zu testen. Das klingt am Anfang nach viel Aufwand. Wenn Unternehmen genauer prüfen, wie lange das Produkt auf dem Markt ist und welche Vorteile Unternehmen und Nutzer zum Beispiel auch gerade im Bereich Preventive/Predictive Maintenance davon haben, lohnt die Investition auf jeden Fall.

Quellennachweise

https://dac.digital/embedded-artificial-intelligence-for-business-purposes/

https://aitad.de

AITAD entwickelt Embedded KI, die in Geräten und Maschinen lokal und in Echtzeit definierte Aufgaben übernimmt. Gromov ist Autor diverser Lehrbücher im Halbleiterbereich und als Experte Mitglied in verschiedenen KI- und Digitalisierungs-Gremien, unter anderem DIN und DKE.

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