Geschäftsprozesse überdenken statt Ineffizienzen automatisieren
Warum Digitalisierung ohne das Neudenken von Prozessen scheitert
Die Digitalisierung verändert Arbeitsabläufe und ganze Geschäftsmodelle über alle Branchen hinweg in rasantem Tempo. Unternehmen stehen vor der Herausforderung, neue Technologien nicht nur zu implementieren, sondern auch sinnvoll in ihre Prozesse zu integrieren. Doch wie gelingt dieser Wandel nachhaltig? Die Art und Weise, wie Unternehmen die Digitalisierung angehen, spielt dabei eine entscheidende Rolle – und Low-Code-Plattformen erweisen sich zunehmend als strategischer Erfolgsfaktor. Raymond Kok, CEO von Mendix, ein Siemens-Unternehmen, spricht im Interview über die aktuellen Herausforderungen der Digitalen Transformation, warum reine Prozess-Digitalisierung nicht ausreicht und wie Low-Code weit über Automatisierung hinaus Innovation und Effizienz steigern kann.
Was müssen Unternehmen tun, um neue Technologien erfolgreich in ihre Prozesse zu integrieren?
Herr Kok: „Der technologische Wandel kann nur gelingen, wenn Unternehmen einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen. Es reicht nicht aus, neue Tools oder Technologien wie generative KI einzuführen – entscheidend ist, dass die Mitarbeitenden auf die Reise mitgenommen werden. Deshalb müssen insbesondere Technologiepartner einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen und über die reine Implementierung hinaus auch die Unternehmensberatung und das Change Management einbeziehen. Nur wenn neue Prozesse verstanden und angenommen werden, können Organisationen langfristig effizienter und produktiver arbeiten.“
Warum reicht es nicht aus, bestehende Prozesse einfach zu digitalisieren?
Herr Kok: „Viele Unternehmen tappen in die Falle, manuelle Prozesse lediglich in digitale Versionen zu übertragen, ohne die zugrunde liegenden Ineffizienzen zu hinterfragen. Dadurch bleiben bestehende Probleme in digitaler Form erhalten. Wirkliche Produktivitätssteigerungen entstehen erst, wenn ganze Geschäftsprozesse von Grund auf neu gedacht und optimiert werden. Nur eine vollständige End-to-End-Digitalisierung bringt nachhaltige Effizienzgewinne.“
Welche Rolle spielen Low-Code-Plattformen bei der Optimierung von Geschäftsprozessen?
Herr Kok: „Low-Code-Plattformen ermöglichen es Unternehmen, maßgeschneiderte Anwendungen schnell zu entwickeln, die ganze Geschäftsprozesse abdecken. Sie erleichtern die End-to-End-Prozessoptimierung, indem sie Arbeitsabläufe automatisieren und personalisierte Erlebnisse für verschiedene Nutzergruppen schaffen. So ermöglichen sie nicht nur Digitalisierung, sondern echte Transformation.“
Low-Code wird oft als Werkzeug zur Automatisierung gesehen. Welche strategische Rolle kann es tatsächlich spielen?
Herr Kok: „Low-Code hat das Potenzial, weit über die reine Automatisierung manueller Prozesse hinauszugehen. Unsere Studie „The Low-Code Perspective“ zeigt, dass 98 Prozent der befragten 2.000 IT-Führungskräfte weltweit bereits Low-Code-Plattformen einsetzen. Dabei sehen 75 Prozent der IT-Entscheider in Low-Code die Zukunft der Programmierung. Warum das so ist? Weil Low-Code es erlaubt, komplexe Geschäftsprozesse neu zu gestalten, statt nur Altes digital nachzubauen. Das eröffnet nicht nur Effizienzgewinne, sondern fördert auch Innovationen und beschleunigt damit die Digitale Transformation. Unsere Studie bestätigt dies ebenfalls: Für 75 % der Befragten verbessert Low-Code die Innovationsfähigkeit ihres Unternehmens in hohem Maße.“
Welche Herausforderungen müssen Unternehmen meistern, um mit der rasanten technologischen Entwicklung Schritt zu halten?
Herr Kok: „Die Geschwindigkeit, mit der neue Technologien auf den Markt drängen, setzt Unternehmen zunehmend unter Druck. Doch es geht nicht darum, blind jedem Technologietrend zu folgen, sondern vielmehr darum, einen anpassungsfähigen Technologie-Stack zu entwickeln. Viele bestehende Prozesse sind nicht darauf ausgelegt, neue Technologien effizient zu nutzen. Das bedeutet, dass neuartige Konzepte oder Arbeitsweisen, die KI mit ihrem enormen Potenzial mit sich bringt, nicht einbezogen werden können. Cloud-native Low-Code-Plattformen helfen hier, indem sie die Komplexität der Entwicklung reduzieren, Daten- und Team-Silos aufbrechen und den Lebenszyklus der Softwareentwicklung für Endnutzer, Business-Technologen und Data Scientists öffnen. Low-Code-Plattformen bieten auch einen visuellen Rahmen, der es einfacher macht, zu sehen und zu verstehen, wie verschiedene Funktionen und Technologien wie KI in einzelne Applikationen und ein Anwendungsportfolio integriert werden.“
Welche Bedeutung hat Low-Code mittlerweile für die Führungsebene?
Herr Kok: „Unsere Studie zeigt, dass Low-Code den Sprung aus den IT-Abteilungen in die Chefetagen geschafft hat. Knapp die Hälfte der befragten Unternehmen bestätigt, dass sowohl der COO mit 48 Prozent als auch der CEO mit 47 Prozent maßgeblich an der Entscheidungsfindung zur Low-Code-Einführung beteiligt sind. Dies zeigt, dass Low-Code nicht mehr nur ein technisches Werkzeug, sondern ein strategischer Erfolgsfaktor für Unternehmen ist. Die Demokratisierung der Technologie durch Low-Code fördert die Zusammenarbeit zwischen IT und Fachbereichen und überzeugt Unternehmensentscheider. Denn so können nicht nur Innovationen beschleunigt, sondern auch dem Fachkräftemangel in der IT begegnet werden, weil mehr Mitarbeitende zu Digitalisierungsprojekten beitragen können. Vorausgesetzt, deren Weiterbildung hat Priorität, um das Maximum aus spezifischen Anwendungsfällen zu holen. Dies belegen auch unsere Studienergebnisse. Denn Führungskräften wird zunehmend bewusst, wie wichtig die Aus- und Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden ist, um Wissenslücken zu schließen. 83 Prozent der Befragten stimmen zu, dass die C-Suite ihres Unternehmens versteht, dass sie ihre technischen Mitarbeitenden weiterbilden muss, um das volle Potenzial von Low-Code auszuschöpfen. Darüber hinaus ist der C-Suite bewusst, dass auch nicht-technische Mitarbeitende qualifiziert werden müssen, um mit gemischten, sogenannten Fusion Teams, die Möglichkeiten von Low-Code in Gänze zu nutzen. Dies bestätigen 73 Prozent der Studienteilnehmenden.“
Upskilling von Mitarbeitenden ist gerade im Kontext von Künstlicher Intelligenz ein wichtiges Thema. Wie haben sich die Studienteilnehmenden hierzu geäußert?
Herr Kok: „Völlig richtig. Ausbildung und Weiterqualifizierung ist essenziell. Dem stimmten auch 85 Prozent der Befragten zu, die der Meinung sind, dass mehr Schulungen stattfinden müssen, um sicherzustellen, dass Entwicklerinnen und Entwickler KI-gestützte Programmierung richtig einsetzen. So teilen 71 Prozent die Besorgnis beim Thema Governance von KI-gestützter Programmierung. Die Akzeptanz von Coding mit KI nimmt derweilen zu. 81 Prozent nutzen es bereits in einem gewissen Umfang. Bei den 400 Befragten aus Deutschland sind es 83 Prozent.
Wir haben immer daran geglaubt, dass Low-Code das Potenzial hat, viel mehr zu sein als ein Werkzeug zur Automatisierung manueller Prozesse. Unsere Studie zeigt, dass der Markt dem zustimmt. Unternehmen sind mit Low-Code in der Lage, die Digitale Transformation zu beschleunigen und in großem Maßstab zu innovieren. Low-Code lässt Fusion Teams über den eigenen Tellerrand blicken und neue Ansätze zur Umgestaltung von Unternehmen entwickeln.“
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Kok.
Methodik der Studie „The Low-Code Perspective “
Die Studie basiert auf den Erkenntnissen von 2.000 Führungskräften (30 % Mitglieder der technischen C-Suite und 70 % IT-Managerinnen und -Manager) in Unternehmen mit einer Mindestgröße von 1.500 Mitarbeitenden in den Benelux-Ländern, Deutschland, Japan, den USA und dem Vereinigten Königreich, die von Coleman Parkes im Auftrag zwischen Juni und Juli 2024 erhoben wurden. In Deutschland gehören 35 % der 400 Befragten der technischen C-Suite an. 65 % sind IT-Managerinnen und -Manager.
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