In der Realität sind wir davon noch weit entfernt. Doch darum ging es im Vortrag von Michael Würtenberger, Vice President der Business Line „My Journey, E-Mobility“ bei der BMW Group, nicht. Sein Besuch auf der DIGICON 2022 stand unter dem Zeichen eines Sachberichts, wo heute schon KI am Werk ist, aber auch um eine Perspektive und einem Appell, was wir noch besser machen müssen. Auch die Vorstellung, dass bei autonomem Fahren etwa künstliche Intelligenz der entscheidende Faktor sei, wies Michael Würtenberger entschieden zurück. Stattdessen sei KI in ganz anderen Bereichen von Bedeutung, doch leider viel zu oft nur als Potenzial:
„Es sieht nicht schlecht aus, aber ich wünsche mir, dass wir endlich Mut haben, endlich Courage, einfach mal zu machen. Das fehlt in Deutschland, und das machen andere Industriestaaten auf diesem Planeten einfach besser: Es kommen dort mehr Ideen zur Anwendung, zwar ohne den großen Wurf zu erzielen, aber in der Umsetzung dieser Potenziale entsteht oft viel Neues. Diese Dynamik fehlt uns in Deutschland, weil wir zu viel Theoretisieren, ohne im Endeffekt etwas Realisiertes in der Hand zu haben.“
Es ist das gesellschaftliche Klima, das in anderen Ländern noch besser ist, weil es Erfindungen und Anwendungen noch mehr fördert, ohne die ständige Gefahr des Versagens stets mitbedenken zu müssen. Wo hierzulande zu lange und zu intensiv über Möglichkeiten, Potenziale und Risiken sinniert wird, da verarbeiten andere Länder ihre Grundideen schneller, kommen dabei nicht immer auf die bahnbrechende Lösung, aber sind mehr am Tun und das befördert den Erfindungsreichtum.
„Von 600 Projektideen, die ich sehe zum Thema KI, kommen am Ende nach der Skalierung vielleicht fünf heraus. Das ist zu wenig. Der Rest geht verloren, aus verschiedensten Gründen.“
Hinter diesem Verlust verberge sich leider ein Potenzial, das auch nicht weiter genutzt werde, sondern in Vergessenheit gerät, bevor es je zur Anwendung hätte kommen können. Das könne man sich eigentlich hier in Deutschland oder in Europa nicht leisten. Man müsste sich dem Thema anders nähern, da KI so übergreifend und universal zum Einsatz komme. Dabei gäbe es kaum eine Technologie, die heute über ein so großes Veränderungspotenzial unseres Arbeitsumfeldes verfüge wie KI – das könne man negativ, aber auch positiv sehen. Für viele sei deswegen KI aber auch abschreckend. Ältere Führungskräfte stünden oft neuen Ideen skeptisch gegenüber, was die Entwicklung insgesamt bremse, die von jüngeren Arbeitenden getragen werden könnte.
„KI heißt: Veränderungen für alle.“
Deswegen gehörten Fragen der KI heute nicht nur in Einzelbereiche, sondern würden immer gesamtgesellschaftliche Prozesse abdecken. Es ginge immer um wirtschaftliche, soziale oder gar emotionale Fragen.
Mut muss man vor allem dann zeigen, wenn etwas womöglich Schwieriges oder gar Bedrohliches bevorsteht. Eine Zukunftsperspektive zu KI ist sicherlich immer ambig, es gibt keine Muster- oder Ideallösungen, an denen man sich halten muss. Doch mit mehr Offenheit und mehr Courage brächte man viel ins Rollen, was heute noch verstaubt im Eck stecht.
„Wir denken zu viel nach, bevor wir den ersten Schritt tun. Es gäbe viele Dinge, die wir beherzt angehen können, ohne dass wir dabei in kritische Ecken kommen. Die ersten Schritte sind relativ einfach: Die muss man einfach gehen.“
Um einen Kommentar zu hinterlassen müssen sie Autor sein, oder mit Ihrem LinkedIn Account eingeloggt sein.