„Wir sind mit Green Cloud Computing auf dem richtigen Weg“

Unternehmen nutzen in verstärktem Maße Cloud-Plattformen und -Services, die eine hohe Effizienz, Agilität und Skalierbarkeit bieten. Allerdings wird in Cloud-Rechenzentren auch viel Energie verbraucht – mit steigender Tendenz. Um ihre Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, sollten Unternehmen bei der Cloud-Migration deshalb einige Best Practices beachten.
Interview von DIGITALE WELT – Fremd Autorschaft
27. Januar 2023
Interviewpartner
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Digitale Welt: Green Cloud, Green IT, Green Coding – es scheint, als ob eine ganze Branche derzeit den grünen Anstrich für sich entdeckt. Was steckt hinter diesem Trend?
Eric Berg: Das Aufkommen dieser relativ jungen Themen ist eng damit verbunden, dass sich immer mehr Menschen ihrer Verantwortung für mehr Nachhaltigkeit und Umweltschutz bewusst werden. Die Digitalisierung unserer Welt ist mit Faktoren wie enormen Rechenleistungen und steigendem Energiebedarf verknüpft – diese Entwicklung hat ihren Preis. Die Wissenschaft schätzt, dass der Anteil der IT-Branche an den globalen Treibhausgasemissionen zwischen 2,1 und 3,9 Prozent liegt. Das klingt zunächst nicht sehr dramatisch. Aber zum Vergleich: Der Anteil des Luftverkehrs an den internationalen CO2-Emissionen liegt bei etwa 3,1 Prozent. Es besteht also Handlungsbedarf, vor allem auch in der IT. Viele Unternehmen haben das erkannt und ihre Bemühungen verstärkt, umweltbewusster zu agieren. Diese Entwicklung an sich ist durchaus positiv. Aber nicht alles, auf dem Grün draufsteht, ist auch wirklich umweltschonend. Wir brauchen die richtigen Strategien und Technologien, um wirklich nachhaltig arbeiten zu können. Alles andere ist – um ein weiteres Buzzword zu nutzen – pures Greenwashing.

Digitale Welt: Ist der Weg in die Cloud dabei der richtige?
Berg: Es ist ein Baustein in einer Strategie. Allein die Migration in die Cloud hat allerdings nichts mit dem Erreichen von klimaneutralen Zielen zu tun, darüber müssen wir uns klar werden. Cloud-Lösungen können durchaus einen Unterschied machen – wenn Unternehmen die Transformation richtig angehen. Das beginnt schon mit der Wahl des Cloud-Anbieters. Bezieht das Rechenzentrum erneuerbare Energien? Sind nachhaltige Methoden zur Klimatisierung im Einsatz? Welche Lösungen und Prozesse kommen bei der Verbesserung der Energieeffizienz zum Tragen? Diese Fragen sollten Unternehmen bei der Auswahl des Providers berücksichtigen, denn hier entsteht das Fundament einer funktionierenden Nachhaltigkeitsstrategie.

Digitale Welt: Wenn die Cloud-Migration alleine noch keinen Unterschied macht, an welchen Stellen müssen Unternehmen zusätzlich ansetzen, um ihre Umweltauswirkungen zu reduzieren?
Berg: Die kurze Antwort: an ihrer Energiebilanz. Unternehmen, die zwar Cloud-Lösungen nutzen, aber dennoch weiter auf den Parallelbetrieb ihres lokalen Rechenzentrums setzen, bauen weder Emissionen ab, noch sparen sie Energie oder Kosten ein. Notwendig ist also ein genereller Rückbau der On-Premises-Infrastruktur auf das Nötigste. Eine eigene Infrastruktur ist bei den meisten Unternehmen alternativlos, etwa aus Gründen des Datenschutzes oder um die Daten nahe an der Produktion zu halten. Je mehr Bestandteile der IT allerdings ihren Weg in die Cloud finden, desto weniger Hardware ist vor Ort notwendig – eine wirkliche Chance, um Kosten und Energiebedarf einzusparen. Ein weiterer Pluspunkt ist die vereinfachte Versorgung der übrigen Hardware, die sich sehr viel einfacher nachhaltig gestalten lässt, etwa durch erneuerbare Energien. Aber auch in der Cloud selbst gibt es verschiedene Stellschrauben, die eine effiziente Ressourcennutzung realisieren. Wichtig sind dabei Konzepte wie Just-in-Time-Provisionierung, bei der Cloud-Anbieter die Kapazitäten nur dann bereitstellen, wenn der Anwender sie benötigt. Damit sparen Unternehmen nicht nur Kosten für Betrieb und Verwaltung, sie können auch flexibler auf neue Anforderungen reagieren. Die einfache Skalierbarkeit ist ein weiterer Vorteil. Auch Pay-per-Use-Preismodelle sind in diesem Zusammenhang spannend, da Unternehmen nur für tatsächlich verwendete Kapazitäten bezahlen. Das vereinfacht einerseits die Kalkulation und spart andererseits bares Geld ein. Letztlich sollten wir eine Migration in die Cloud auch als Chance sehen, bestehende Lösungen zu überarbeiten und wenn möglich effizienter zu gestalten. Neue Technologien und Konzepte können maßgeblich dazu beitragen, den selbstgesteckten Klimazielen ein Schritt näher zu kommen und den eigenen Footprint zu reduzieren.

Digitale Welt: Ein weiteres großes Thema ist Green Coding. Was verbirgt sich dahinter?
Berg: Green Coding bedeutet, den eigenen Quellcode so zu optimieren, dass er möglichst wenig Rechenleistung und damit letztlich auch weniger Energie benötigt. In der Praxis versuchen Entwicklerinnen und Entwickler, überflüssige Code-Bereiche zu löschen, das gesamte Programm schlanker und effizienter zu gestalten. Auch die Wahl der geeigneten Programmiersprache fällt hier ins Gewicht. Kann der Code Berechnungen schneller durchführen, sind beispielsweise schnellere Datenbankabfragen das Ergebnis. In der Summe sind hier mit vielen kleinen Schritten echte Einsparungen zu erzielen – es liegt allerdings in der Natur der Sache, dass Green Coding nur bei Eigenentwicklungen zum Einsatz kommen kann.

Digitale Welt: Auf Seiten der Unternehmen gibt es also etliche Optionen. Welche Rolle spielen externe Services auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit?
Berg: Wenn wir von einem nachhaltigen Einsatz von Ressourcen sprechen, müssen wir darüber reden, Speicher- und Rechenkapazitäten besser zu nutzen. Das bedeutet im Klartext: weg von eigenen Servern und Hardware und hin zu einer Kultur, in der Unternehmen auf Shared Resources setzen. Hier kommen externe Dienstleister ins Spiel, die als Platform-as-a-Service (PaaS) oder Software-as-a-Service (SaaS) genau diese Dienste in der Cloud anbieten. Nicht jedes Unternehmen benötigt dedizierte Datenbank- und Mail-Server oder Unmengen an eigener Hardware. Lieber einige wenige Server laufen lassen, als dass jedes Unternehmen sein eigenes Süppchen kocht und so in der Gesamtheit ein Vielfaches der Rechenleistung nötig ist. Externe Anbieter spielen also eine große Rolle, wenn es um Einsparungen und Nachhaltigkeit geht – nicht nur als Cloud-Anbieter, sondern auch bei der Verwaltung der Dienste.

Digitale Welt: Ist die Migration in die Cloud immer der beste Weg, wenn es um mehr Nachhaltigkeit und den energieeffizienten Einsatz von Technologien geht? Oder gibt es Ausnahmen?
Berg: Die Cloud ist, bei richtiger Verwendung und unter Rücksicht auf die bereits genannten Best Practices, sicherlich ein großer Schritt in die richtige Richtung. Nichtsdestotrotz gibt es natürlich Anwendungsfälle, bei denen auch mit Blick auf ein nachhaltiges Handeln andere Optionen in Betracht zu ziehen sind. Als Beispiel eignet sich hier Machine Learning: Während das Training der Modelle problemlos in der Cloud stattfinden kann, ist der Einsatz in der lokalen Produktionsstraße oder im stationären Kundenservice durchaus auch auf lokalen Ressourcen sinnvoll. Es muss also nicht zwangsläufig ein Schwarz-Weiß-Bild sein, wenn von Cloud-Migration die Rede ist, auch hybride Ansätze haben durchaus ihre Vorteile.

Digitale Welt: Welche zukünftige Entwicklung für die Nachhaltigkeit in der IT können wir erwarten?
Berg: Wir sind auf dem richtigen Weg. Besonders der Bereich Green Cloud Computing macht Fortschritte. Aber auch die Erkenntnis, dass der Klimaschutz zu den grundlegenden Herausforderungen unserer Zeit gehört, setzt sich mehr und mehr durch – gerade in der IT-Branche. Das gibt Hoffnung, die durch die steigende Effizienz der neuen Technologien untermauert wird. Im Vergleich zum Jahr 2010 besitzen deutsche Rechenzentren heute eine fünffach höhere Rechenkapazität pro Kilowattstunde. Druck kommt auch aus der Politik, die etwa vorschreibt, dass ab 2027 alle neuen Rechenzentren klimaneutral sein müssen. Unter dem Strich muss sich jedes Unternehmen aber selbst seiner Verantwortung bewusstwerden und dementsprechend handeln. Dabei sollte man nicht in die Falle tappen und alle Maßnahmen an externe Dienstleister abschieben – schließlich sind wir alle für unser eigenes Verhalten verantwortlich.

Interview geführt durch:

Extern geführte und eignereichte Experten-Interviews rund um unsere Themenschwerpunkte. DW prüft und untersagt werbliche Inhalte, nimmt sonst aber keine redaktionellen Korrekturen oder Eingriffe vor.

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