Onboarding: Auch der zweite Eindruck zählt

Der Vertrag ist unterschrieben und der erste Arbeitstag rückt näher. Um das positive Momentum aus dem Recruiting nachhaltig zu festigen, ist jetzt das Onboarding entscheidend. Doch viele Unternehmen behandeln diesen Prozess immer noch stiefmütterlich – und verschenken damit riesiges Potenzial. Moritz Sherpa erläutert warum durchdachte Onboarding-Prozesse für Unternehmen heute unerlässlich sind und wie sie diese an die moderne Arbeitswelt anpassen können.
Von   Moritz Sherpa   |  Produktmanager   |  Haufe Group
29. Juli 2023

Was sind die Hauptgründe dafür, dass Onboarding in Unternehmen häufig scheitert?

Hier kommt es darauf an, wie man ein Scheitern definiert. Für viele ist das Onboarding nur dann gescheitert, wenn Onboardees den Vertrag direkt wieder kündigen. Allerdings kann auch ein schlecht vorbereitetes Onboarding negative Konsequenzen nach sich ziehen. Wenn Onboardees mit einem schlechten Gefühl in den Job starten, geht das Unternehmen direkt mit einer gewaltigen Hypothek in die gemeinsame Zusammenarbeit.

Die Hauptursache dafür ist oft ein mangelhaft strukturierter Onboarding-Prozess. Der erste Arbeitstag ist dabei häufig noch durchgeplant, doch danach werden die Onboardees sich selbst überlassen. Das zeigt auch die Haufe Onboarding-Studie 2023: Nur ein Viertel aller Unternehmen besitzt einen strukturierten Onboarding-Prozess und nur 17 Prozent haben ein festes Budget für das Onboarding.

Dazu wird häufig vergessen, dass Onboarding schon vor dem ersten Arbeitstag beginnt. Zu oft werden die künftigen Kolleg:innen nach der Vertragsunterschrift allein gelassen. Dadurch verschenkt das Unternehmen nicht nur Potenzial, sondern die Onboardees orientieren sich im schlimmsten Fall sogar noch einmal neu , sodass der Vertrag noch vor dem ersten Arbeitstag gekündigt wird. Diese sogenannte Frühfluktation ist dabei gar nicht so selten, wie man vielleicht meint. Immerhin geben 36 Prozent der befragten Personaler:innen an, dass sie das Phänomen schon einmal selbst erlebt haben. Ein gutes Preboarding, also das Onboarding vor dem ersten Arbeitstag, kann dem entgegenwirken.

Arbeitnehmer:innen sind heute deutlich flexibler und in vielen Branchen fällt die Situation auf dem Arbeitsmarkt zu ihren Gunsten aus. Die Hemmschwelle das Unternehmen wieder zu verlassen, wenn dieses nicht alle Erwartungen erfüllt, ist dadurch gesunken. Dieser Entwicklung müssen Unternehmen in ihrem gesamten Recruiting, aber besonders im Onboarding Rechnung tragen.

Was sind Quick-Wins im Onboarding für Unternehmen?

Auch beim Onboarding lässt sich mit einfachen Mitteln bereits große Wirkung erzielen. Das gilt besonders für die Verantwortlichkeiten. Gibt es Personen, die sich für den Ablauf verantwortlich fühlen und die Onboarding-Aufgaben unter den Teammitgliedern koordinieren, ist bereits ein großer Schritt getan. Feste Verantwortlichkeiten sind also nicht nur der erste Schritt für einen strukturierten Onboarding-Prozess, sondern bringen die Onboardee-Experience selbst schon einen großen Schritt voran.

Darüber hinaus ist es sinnvoll, das Feedback der Teams und Onboardees einzuholen und gewissenhaft umzusetzen. So erhalten Unternehmen einen Überblick über den Handlungsbedarf und wissen, an welchen Stellschrauben im Prozess sie zuerst ansetzen sollten.

Besonders das Preboarding lässt sich zu Beginn mit einfachen Möglichkeiten gestalten, beispielsweise mit Hilfe speziell dafür entwickelter Apps. So können Unternehmen bereits mit kleinem Aufwand von den Vorteilen des Preboardings profitieren. Der Einsatz spezifischer Anwendungen kann besonders für das Remote-Onboarding ein großer Meilenstein sein, denn mit Hilfe digitaler Lösungen lassen sich die räumliche Entfernung einfach überbrücken und mentale Nähe schaffen. Wichtig ist dabei jedoch, dass das Miteinander nicht nur im virtuellen Raum stattfindet. Aktivitäten wie die Zusendung eines Willkommens-Pakets schaffen hier Abhilfe.

Warum haben Unternehmen in Zeiten von Hybrid-Work immer noch kein Remote-Onboarding implementiert?

Tatsächlich sollte man meinen, dass die meisten Unternehmen durch die Pandemie dazugelernt hätten. Doch trotz des anhaltenden Siegeszuges von Hybrid-Work wird dem Remote-Onboarding vielerorts immer noch nicht die nötige Bedeutung beigemessen. In unserer Studie zeigte sich, dass 64 Prozent der Unternehmen dem digitalen Onboarding keine höhere Aufmerksamkeit schenken. Das ist ein fataler Fehler, denn genau so wie Hybrid-Work ist Remote-Onboarding gekommen, um zu bleiben.

Viele Unternehmen betrachten das Remote-Onboarding aber immer noch als Notlösung aus den Zeiten der Pandemie. Zudem zögern viele angesichts der Herausforderungen des digitalen Onboardings insbesondere bei der sozialen Integration:  Normalerweise sind es gerade die vielen kleinen Gespräche in der Mittags- oder Kaffeepause, die dazu führen, dass sich die Mitarbeitenden untereinander kennenlernen und auch menschlich ein gutes Teamgefüge entsteht. Das geschieht beim Präsenz-Onboarding mehr oder weniger automatisch, doch beim Remote-Onboarding muss dieser Prozess z. B. über Lunch- oder Coffee-Calls proaktiv initiiert werden.

Darüber hinaus stellt die Vermittlung der eigenen Unternehmenskultur remote noch einmal eine ganz neue Herausforderung dar. Aber auch hier gibt es Abhilfe:  Mit niedrigschwelligen Kommunikationskanälen wie einer App beim Preboarding oder Teams oder Slack nach dem ersten Arbeitstag können die Verantwortlichen aufkommende Fragen schnell beantworten und dabei helfen, die Teamkultur spürbar zu erleben.

Tipps für ein nachhaltig erfolgreiches Onboarding

Folgende Aspekte helfen bei der Einführung eines strukturierten und nachhaltigen Onboarding-Prozesses:

1. Tipp: Onboarding-Prozess nahtlos an den Recruiting-Prozess anknüpfen

Die Grenzen zwischen Recruiting und Onboarding verschwimmen immer mehr. Unternehmen sollten hierbei zwei Dinge beachten: Zum einen ist es wichtig, dass die Onboarding-Phase nahtlos an den Recruiting-Prozess anschließt. Am besten beginnt das Preboarding direkt nach der Vertragsunterschrift. Zum anderen sollten Unternehmen darauf achten, dass sie in beiden Phasen kohärente Botschaften vermitteln.  Stellt sich ein Unternehmen im Recruiting als besonders agil dar, muss sich dies auch im Onboarding-Prozess widerspiegeln. Andernfalls besteht die Gefahr, dass Erwartungen, die im Recruiting geweckt wurden, nicht erfüllt werden.

2. Tipp: Transparente Kommunikation mit den Onboardees und kontinuierliches Feedback

Transparente Kommunikation ist beim Onboarding das A und O. Dazu braucht es gerade zu Beginn regelmäßiges Feedback, damit sich die Onboardees möglichst gut auf die neuen Aufgaben vorbereiten können. Allerdings sollten Unternehmen darauf achten, dass das Feedback nicht nur einseitig stattfindet. Stattdessen sollten Unternehmen die Onboardees ermutigen, ihr Feedback von Beginn an zu teilen. So können sie festgefahrene Strukturen erkennen und Onboardees fühlen sich von Anfang an ernstgenommen. Doch das Unternehmen sollte nicht nur Onboardees, sondern alle am Prozess Beteiligten nach ihrem Feedback fragen. Denn die verschiedenen Stakeholder bewerten und gewichten den Erfolg von Onboarding-Maßnahmen oft unterschiedlich. Aus den verschiedenen Perspektiven ergibt sich ein umfassendes Gesamtbild des Onboarding-Prozesses, aus dem Unternehmen Handlungsempfehlungen ableiten und anschließend umsetzen können. Besonders beim Remote-Onboarding gilt es, ein besonderes Augenmerk auf die frühzeitige Kommunikation zu legen.

3. Tipp: Integration in die Teams direkt von Tag Eins

Damit Onboardees die Arbeitsabläufe und die Zusammenarbeit in den Teams möglichst schnell kennenlernen und adaptieren können, müssen sie von Anfang an integriert werden.  Dafür bieten sich Meetings mit den entsprechenden Teamleiter:innen an, in denen neue Mitarbeitende mehr über die Aufgaben des Teams erfahren und Fragen klären können. Das soziale Onboarding kann zudem durch Aktivitäten wie einen gemeinsamen Lunch oder Teamevents verbessert werden. Zu einer gelungenen Integration in neue Teams gehört es auch, dass Onboardees möglichst schnell produktive Aufgaben übernehmen und gemeinsam mit ihren Vorgesetzten klare Ziele definieren.

4. Tipp: Alle wichtigen Arbeitsmittel direkt zur Verfügung stellen

Auch wenn es wie eine Selbstverständlichkeit klingt, sollten zu Beginn immer alle Arbeitsmittel direkt zu Verfügung stehen. Ansonsten können Onboardees nicht produktiv in den neuen Job starten und der Prozess zieht sich unnötig in die Länge. Zudem trübt es den ersten Eindruck vom neuen Arbeitgeber, wenn sich dieser für die Bereitstellung essenzieller Mittel zu viel Zeit lässt.

5. Tipp: Ein strukturiertes Onboarding mit dediziertem Budget einführen

Um das Onboarding strukturiert aufzubauen, braucht es die nötigen Ressourcen und einen durchdachten Plan. Ein dediziertes Budget, mit dem auch passende Tools eingekauft werden können, bildet dafür die Grundlage. Onboarding-Prozesse sind enorm sensibel und benötigen daher eine gezielte Vorbereitung. Die Zeiten, in denen Onboarding „so nebenbei“ erledigt werden konnte, sind längst vorbei.

Moritz Sherpa ist als Produktmanager bei der Haufe Group für die Software Haufe Onboarding tätig. In seiner Rolle unterstützt er u. a. Unternehmen in der DACH-Region, den Weg zu einem strukturierten Onboarding Prozess zu finden, damit diese sich den Herausforderungen der Zukunft stellen können. Dabei stehen die Wirksamkeit des Onboarding Prozesses sowie Onboarding aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und als eine Journey zu verstehen im Vordergrund.

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