Machine Learning und Künstliche Intelligenz im Onlinehandel

E-Commerce boomt – und Händler sehen sich mit immer mehr Herausforderungen konfrontiert. Durch die hohe Zahl an Onlinekäufen steigen auch die Anforderungen der Kunden. Eine nahtlose Customer Journey sowie ein benutzerfreundliches User Interface sollten Standard sein, sonst wechseln Kunden schnell den Anbieter. Die Aufgabe für Onlinehändler: Die Beziehung zu den Kunden stärken und Loyalität aufbauen, um gegen die Konkurrenz zu bestehen.
Von   Gordon Langmann   |  General Manager   |  DigRiv, Digital River
9. Juni 2022

Aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamts zeigen deutlich, dass der E-Commerce in Deutschland immer weiter wächst. Während der Anteil des E-Commerce am Einzelhandelsumsatz 2015 noch 9,1 Prozent betrug, waren es 2021 bereits ganze 18,3 Prozent. Mit immer mehr Konsumenten, die lieber online als offline einkaufen, müssen sich Händler die Frage stellen, wie sie zu ihren Kunden eine langfristige Beziehung aufbauen und halten können.

Die Grundvoraussetzung für eine entsprechend loyale Beziehung ist zunächst ein fehlerfreier technischer Ablauf im Onlineshop. Dabei können fortschrittliche Technologien wie etwa Machine Learning (ML) und Künstliche Intelligenz (KI) einen entscheidenden Vorteil für Händler bringen. Viele Branchen greifen bereits täglich zu entsprechenden Lösungen zurück, um in der digitalisierten „Industrie 4.0“ sowie dem Internet of Things zu bestehen. Sowohl ML als auch KI können jedoch auch im Onlinehandel eine große Unterstützung sein und dafür sorgen, dass Kunden sich eher an eine Marke binden. Ein Beispiel für einen bereits vielfach bekannten Use Case ist etwa der Bereich Zahlungsabwicklung: Hier hilft ML vielen Unternehmen dabei, Transaktionen korrekt durchzuführen und die Anzahl an fälschlicherweise abgebrochenen Kreditkartentransaktionen, sogenannter „False Positives“ zu verringern.

Mit Machine Learning gegen irrtümliche Zahlungsablehnungen

Zahlungssysteme sind unglaublich komplex. Sie umfassen nicht nur Zahlungsmethoden, sondern auch den Abgleich, die Abrechnung, den Zeitpunkt der Zahlungserfassung, den Umgang mit wiederkehrenden und nicht wiederkehrenden Transaktionen und die Optimierung der Abrechnung. Aber weil Zahlungen so zentral für die langfristige Kundenbindung sind, müssen sich Unternehmen mit dieser Komplexität und den möglichen Fehlerquellen auseinandersetzen und dazu gehören Strategien wie dynamisches Transaktionsrouting, Wiederholungslogik und maschinelles Lernen. Denn dadurch lässt sich die Autorisierungsraten erhöhen und die Kundenzufriedenheit und -bindung steigern – und als Folge dazu natürlich auch der Umsatz.

Durchschnittlich 10 Prozent der Online-Bestellungen werden während der Zahlungsautorisierung abgelehnt. Davon sind bis zu 70 Prozent „False Positives“ von Kunden, die eigentlich die nötige Liquidiät haben, um den Kauf zu tätigen. Dass rund 40 Prozent der Betroffenen nach einer fälschlicherweise abgelehnten Zahlung in Zukunft nicht mehr bei diesem Onlinehändler einkaufen, sollte daher nicht überraschend sein. Und genau hier kommen die intelligenten IoT-Lösungen ins Spiel: Unternehmen haben die Möglichkeit, statistische Modelle und Machine-Learning-Programme zu nutzen, um Transaktionen weiterzuleiten und automatisch zu bestimmen, an welchen Prozessor und Acquirer eine Transaktion gesendet werden muss, um die höchste Erfolgswahrscheinlichkeit zu haben.

Dabei kommt es auf den richtigen Zeitpunkt an: Nach einer fehlgeschlagenen Zahlung wird der jeweilige Payment-Anbieter einen erneuten Versuch starten, diese zu autorisieren. Doch wie und wann dies geschieht, ist entscheidend für den Erfolg der Autorisierung, insbesondere bei wiederkehrenden Transaktionen. Begründet werden kann dies durch Zahlungszyklen und der Art und Weise, wie Gelder verarbeitet werden. So kann beispielsweise eine kleine Kreditgenossenschaft zu bestimmten Tageszeiten nur limitierte Kapazitäten für die Verarbeitung von Transaktionen haben.

Um „False Positives“ zu verhindern, kommen Wiederholungslogiken zum Einsatz. Sie sollen den besten Zeitpunkt und die beste Methode für einen erneuten Transaktionsversuch ermitteln, denn das Wissen um den besten Zeitpunkt für die Einreichung einer Transaktion, kann durchaus einen merklichen Einfluss auf die Autorisierungsrate haben. Durch die Wahl des besten Augenblicks können Zahlungssysteme die Rate automatisch erhöhen, ohne dass Front-End-Systeme oder die Customer Experience beeinträchtigt werden. Damit verringert sich die Zahl der „False Positives“, während gleichzeitig die Kundenzufriedenheit steigt und die Bindung der Käufer an die Marke zunimmt. Dies ist besonders wichtig für Abonnement-Anbieter, die sich stark auf wiederkehrende Umsätze verlassen und bei denen der Anstieg der Abonnentenabwanderung sich negativ auf den Geschäftserfolg auswirkt. Denn fehlgeschlagene Zahlungsversuche wirken sich nicht nur auf den Umsatz aus, sondern schädigen langfristig den Ruf einer Marke oder eines Online-Shops.

KI & intelligente Produktvorschläge

Machine Learning und Künstliche Intelligenz tragen dabei nicht nur in der Zahlungsabwicklung zu einer Optimierung der Abläufe bei. Auch in den Bereichen Lieferkettenverwaltung und Produktauswahl können die intelligenten Technologien erheblich zur Verbesserung der Customer Journey beitragen. Konkret lässt sich dies am Beispiel von Kundendaten zeigen: Menschen sind Gewohnheitstiere – auch und vor allem in ihren Shoppinggewohnheiten. Mithilfe von KI lassen sich Kundendaten analysieren, auf deren Grundlage sich dann Prognosen aufstellen lassen, welche Produkte ein Kunde wann kaufen möchte. Ziel dabei ist, dass Händler die entsprechenden Produkte zur benötigten Zeit auf Vorrat haben und dadurch verkürzte Lieferzeiten anbieten können. Damit soll die Kaufbereitschaft der potenziellen Kunden gesteigert werden.

Eine weitere Problematik im E-Commerce, die durch intelligente Datenanalyse angegangen werden kann, ist die hohe Anzahl der Retouren. Gerade bei Modemarken ist es oft so, dass sich die Größen und Passformen bei den verschiedenen Brands stark unterscheiden, was an der hohen Quote von Retouren zu sehen ist. Deshalb versuchen verschiedene Marken aktuell bereits mithilfe von großangelegten Datenanalysen einen KI-basierten Größenberater in ihren Onlineshops zu optimieren. In die Analysen werden nicht nur persönliche Vorlieben des Käufers aufgrund des bisherigen Kaufverhaltens berücksichtigt, sondern auch allgemeine Daten der jeweiligen Alters- und Bevölkerungsgruppe. Diese Informationen verwendet die KI, um dem Käufer die richtige Größe zu empfehlen – denn bedingt durch Körperbau und durchschnittliche landesweite Körpergröße, unterscheiden sich die benötigten Passformen von Region zu Region. Auf Grundlage des KI-basierten Größenberaters könnte nicht nur die Zahl der Retouren signifikant zurückgehen, auch die Kundenzufriedenheit wird sich langfristig deutlich erhöhen. Zudem sind Hersteller dann in der Lage, ihre neuen Kollektionen den aktuellen Kundenvorlieben anzupassen, Größen zu aktualisieren und die Produktbeschreibung auf der Website laufend zu aktualisieren.

Egal ob Zahlungsabwicklung, Supply Chain oder Größenberatung – smarte Technologien unterstützen Händler in der Optimierung ihres Angebots sowie der Customer Journey und helfen Kunden dabei, die für sie best-passendsten Produkte schnellstmöglich zu bekommen. Dabei ist auch der Faktor Stress, wenn es um das Thema Rücksendung geht, nicht zu unterschätzen. Eine optimierte Customer Journey sorgt nicht nur kurzfristig für eine Zufriedenheit der Kunden – sie erhält die Loyalität des Kunden zur Marke und erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass diese weiterempfohlen wird. Die Folge: Der Geschäftserfolg ist langfristig gesichert.

Gordon Langmann ist General Manager bei DigRiv, einem Digital River Unternehmen. Er verfügt über rund 20 Jahre Erfahrung in den Bereichen Digital, Marketing und Unternehmensführung in unterschiedlichen Ländern und weiß, wie wichtig die kontinuierliche Prozessoptimierung für den Geschäftserfolg ist.

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