Robuste Mobilgeräte bringen die Digitalisierung auf den Shopfloor

Raue Produktionsumgebungen, Offshore-Anlagen, extreme Temperaturen: Robuste Tablets und Laptops ermöglichen die Digitalisierung an Orten, wo es bis dato kaum umsetzbar war. Die mobilen Geräte sind langlebig und gewähren hohe Sicherheit und umfassende Vernetzung – auch und gerade unter widrigen Bedingungen. Was können die sogenannten Rugged Devices?
Interview von Fred Kao
9. Oktober 2025
Interviewpartner
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Robuste Mobilgeräte bringen die Digitalisierung auf den Shopfloor

 

Frage 1: Die digitale Transformation ist längst in der Industrie angekommen. Dennoch scheitern Digitalisierungsvorhaben häufig. Woran liegt das?

Fred Kao: Digitalisierungsstrategien treffen in rauen Fertigungsumgebungen auf die Realität: Mobile Geräte, die Mensch, Maschine und Daten vernetzen, werden nicht in klimatisierten Büros angewendet. Sondern sie müssen den harschen Bedingungen in Produktionshallen standhalten: Staub, Vibrationen, Feuchtigkeit oder extreme Temperaturen. Zum Beispiel Hitze in einer Gießerei, Minusgrade in Kühlhäusern, Dämpfe bei der Behandlung von Oberflächen oder der Kontakt mit Reinigungschemikalien. Darauf sind Standard Notebooks und Tablets nicht ausgelegt – sie halten den hohen Anforderungen nicht stand und versagen unter diesen Bedingungen. Sobald die Geräte ausfallen, gerät die gesamte Digitalisierungsstrategie ins Stocken. Genau hier setzen robuste, speziell entwickelte mobile PCs an.

 

Frage 2: Was unterscheidet solche „rugged“ Geräte von herkömmlicher IT-Hardware?

Fred Kao: Sie sind speziell für raue Umgebungen gebaut und speziell konstruiert. Das reicht von stoßfesten Gehäusen, die Stürzen aus bis zu 1,8 Metern Höhe standhalten, bis zu lüfterlosen Kühlkonzepten, damit keine Partikel eindringen und das Gerät nicht durch Überhitzung ausfallen kann. Rugged Devices verfügen zudem über Displays, die auch bei gleißendem Sonnenlicht, Nässe oder mit Bedienung per Handschuh funktionieren. Belegt wird diese Widerstandsfähigkeit und den Schutz vor Staub oder Wasser durch Standards wie die MIL-STD-810H oder IP-Schutzklassen. So bewähren sich diese speziellen Geräte im Praxiseinsatz. Für explosionsgefährdete Bereiche, etwa in Raffinerien, braucht es sogar ATEX-Zertifizierungen.

 

Frage 3: Wie wirkt sich das auf die Arbeit in der Fertigung aus?

Fred Kao: Mitarbeitende können ihre Aufgaben direkt am Ort des Geschehens erledigen – egal ob Qualitätsprüfungen an der laufenden Produktionslinie, Wartungsarbeiten in vibrierenden Maschinenhallen oder Schichtkoordination bei Störfällen. Durch die Widerstandsfähigkeit der dabei genutzten robusten Geräte bleibt der sichere Datenzugriff jederzeit gewährleistet. So werden digitale Workflows in Bereichen möglich, die bislang an den Umgebungsbedingungen gescheitert sind.

 

Frage 4: Welche Rollen spielen Mobilität und Flexibilität generell bei der Digitalisierung im Manufacturing?

Fred Kao: Eine sehr große. Moderne Arbeitsplätze in der Fertigung sind hochmobil. Robuste Tablets oder Notebooks ermöglichen Kommunikation und Zusammenarbeit auch dort, wo Netzabdeckung oder Sicherheitsbedingungen schwierig sind – zum Beispiel auf Offshore-Plattformen. Ein Ingenieur kann mit seinem Tablet Maschinen vor Ort prüfen, während er sich gleichzeitig per Video mit Experten verbindet. Dieser kann aus der Ferne notwendige Tipps und Hinweise geben. Durch die Widerstandsfähigkeit bleibt dabei die Sicherheit auch in riskanten Umgebungen erhalten.

 

Frage 5: Viele Produktionsanlagen bestehen aus einem Mix aus alten Maschinen und neuen IoT-Systemen. Wie lässt sich diese Hürde bewältigen?

Fred Kao: Durch den Einsatz von Mobilgeräten, die moderne Kommunikationsstandards wie 5G, Wi-Fi 6E/7 oder Bluetooth 5.3 mit traditionellen seriellen Schnittstellen für Legacy-Systeme wie RS-232/485 vereinen. So lassen sich sowohl moderne Sensoren und Cloud-Dienste als auch jahrzehntealte Maschinen anbinden. Damit fungieren die Rugged Devices als Brücke zwischen IT- und OT-Welt und schaffen durchgängige Datenflüsse vom Shopfloor bis ins ERP-System. Zugleich ist immer noch ausreichend lokale Intelligenz vorhanden, damit kritische Abläufe immer stabil bleiben – auch wenn die Verbindung in die Cloud oder ins Rechenzentrum unterbrochen werden sollte.

 

Frage 6: Welche Vorteile bringt die Verarbeitung von Daten direkt an der Maschine, also „am Rand“ der IT-Infrastruktur?

Fred Kao: Edge-Computing ermöglicht es, Kennzahlen in Echtzeit zu überwachen. Ein Beispiel: Vibrationssensoren liefern Daten an ein Tablet, das mithilfe von künstlicher Intelligenz sofort Anomalien erkennt. Störungen können sofort behoben werden, ohne Verzögerung durch entfernte Rechenzentren. Das reduziert Stillstandszeiten erheblich und verbessert die Prozesssicherheit. Rugged Tablets dienen dabei als mobile HMI – Human-Machine-Interface – und müssen nicht nur robust sein, sondern auch die lokale Datenverarbeitung bewältigen können. Dafür brauchen sie zum Beispiel leistungsfähige Prozessoren mit mehreren Kernen, damit auch große Mengen an Produktionsdaten vor Ort erfasst und analysiert werden können.

 

Frage 7: Ein weiteres Stichwort lautet Predictive Maintenance, also vorausschauende Wartung. Was hat es damit auf sich?

Fred Kao: Robuste Geräte dienen als Schnittstelle zwischen den Mitarbeitenden und intelligenten Wartungssystemen. Sie ermöglichen es, unter anderem durch künstliche Intelligenz, potenzielle Ausfälle früh zu erkennen und ungeplante Stillstände zu vermeiden. Mit Augmented Reality können Techniker sogar Schritt für Schritt durch komplexe Reparaturen geführt werden. In Verbindung mit Digital-Twin-Konzepten lassen sich Wartungspläne präzise anpassen und die Verfügbarkeit von Anlagen nachhaltig erhöhen.

 

Frage 8: Neben technischer Leistungsfähigkeit spielt auch Nachhaltigkeit eine Rolle. Wie tragen robuste Geräte dazu bei?

Fred Kao: Zum einen durch ihre Langlebigkeit: Sie sind auf mindestens fünf bis sieben Jahre ausgelegt – deutlich mehr als herkömmliche Industrie-PCs, deren Betriebszeit in der Regel bei drei bis vier Jahren liegt. Das senkt nicht nur die Gesamtkosten, sondern reduziert auch Elektroschrott. Und es werden Ausfallzeiten reduziert, die aufgrund defekter Geräte entstehen. Zum anderen durch modulare Upgrade-Möglichkeiten. Komponenten wie Speicher, Prozessoren oder Schnittstellen lassen sich austauschen, ohne das ganze Gerät ersetzen zu müssen. Hinzu kommen lange Update-Zyklen und Security-Patches, die für eine sichere Nutzung sorgen.

 

Frage 9: Welche Trends zeichnen sich für die kommenden Jahre ab?

Fred Kao: Wir sehen eine zunehmende Integration von künstlicher Intelligenz, Augmented Reality und Cloud-Technologien. Edge-KI wird bereits genutzt, um Bilder in Echtzeit zu analysieren für die automatisierte Qualitätskontrolle oder Sprachbefehle für Maschinen zu interpretieren. Augmented Reality erweitert die Geräte zu interaktiven Assistenten – etwa indem sie Wartungsanleitungen ins Sichtfeld projizieren, remote Know-how vermitteln oder automatisch Ersatzteilnummern erkennen. Und durch die Anbindung an Cloud-Ökosysteme werden robuste Geräte zu Knotenpunkten digitaler Wertschöpfungsketten. Sie liefern Daten nicht nur, sondern verarbeiten und kontextualisieren sie für nachgelagerte Systeme.

 

Frage 10: Wenn Sie auf die Rolle robuster Geräte im Kontext der digitalen Transformation blicken – was ist Ihr Fazit?

Fred Kao: Robuste Tablets und Notebooks sind weit mehr als nur „harte Hardware“. Sie schließen die Lücke zwischen ambitionierten Strategien und der Praxis auf dem Shopfloor. Ohne diese Geräte bleiben viele Konzepte Theorie. Mit ihnen werden Digitalisierung, Sicherheit und Nachhaltigkeit auch unter extremen Bedingungen Realität.

Interview geführt durch:

Fred Kao ist CEO von Durabook, der Kernmarke Twinhead International Corporation. Unter seiner Leitung entwickelt das Unternehmen robuste Mobilitätslösungen für Kunden unter anderem in den Bereichen Fertigung, Öl & Gas, Energieversorgung, Außendienst und im öffentlichen Sektor.

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