Mit der digitalen Spürnase dem Verbrechen auf der Spur

Längst ist Künstliche Intelligenz als Technologie auch im Polizeisektor angekommen. Zu groß und wichtig sind die Vorteile im polizeilichen Einsatzalltag. Einerseits kann KI bei der enormen Menge an Daten schneller und präziser zu Erfolgen in der Ermittlung führen, andererseits sind es ganz neue, innovative Instrumente, mit denen der Streifenwageneinsatz von morgen vonstattengeht.
Interview von DIGITALE WELT – Fremd Autorschaft
12. September 2022
Interviewpartner
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So hat der auf KI basierende Polizeiroboter „Spot“ unlängst seinen ersten Einsatz in einem ausgebrannten Familienhaus in Essen erfolgreich bestanden. Weitere Technologiesprünge sind in den nächsten Jahren zu erwarten. Dominic Reese ist Polizeirat und stellvertretender Projektleiter beim Landesamt für zentrale Polizeiliche Dienste in Nordrhein-Westfalen. Er hat sich spezialisiert auf den vermehrten Einsatz von KI für die Polizei.

Das spannende an der Digitalisierung, in der wir uns gerade befinden, ist ihr universeller Einsatz. Sprich: Die Digitalisierung wird uns in allen Bereichen des Lebens Veränderung verschaffen. Wenn Sie Ihren Beruf als Polizist vergleichen mit den letzten fünf Jahren – welche beruflichen Veränderungen hat Ihnen die Digitalisierung bereitet und welche Impacts würden Sie dem vermehrten Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Polizeiarbeit zuschreiben?

Die Entwicklung im IT-Sektor und im Bereich der Künstlichen Intelligenz findet in atemberaubendem Tempo statt. Beinahe alle Bereiche des Lebens sind heute auch digital. Da ist es selbsterklärend, dass sich auch die Polizei NRW verstärkt mit der Frage der Digitalisierung und den Auswirkungen auf die Polizeiarbeit beschäftigt.

Die letzten fünf Jahre gingen wie im Flug vorbei. Persönliche Smartphones, Datenabfragen per Handy-App, Polizei Clouds, Live-Videos aus Einsätzen und Videovernehmungen gab es vor fünf Jahre so noch nicht. Das ist heute Alltag oder auf dem Weg dorthin.

Digitale Beweismittel fallen mittlerweile nicht nur in den klassischen Deliktsfeldern wie z. B. Online Kriminalität an. Die Digitalisierung im Straßenverkehr macht beispielsweise Verkehrsunfälle auch zu digitalen Tatorten. Das gleiche gilt für die Straßenkriminalität. Das mitgeführte Smartphone oder die Smart-Watch sind ein potenzielles Beweismittel.

Und hängt das auch mit den enormen Datenmengen zusammen, die heute durch Smartphones und andere digitale Geräte generiert werden?

Ja, auf alle Fälle. Ich bemerke einen rasanten Anstieg an Daten in allen Bereichen. Hier kann Künstliche Intelligenz die Effizienz und Effektivität der Polizeiarbeit in vielen polizeilichen Handlungsfeldern verbessern und gleichzeitig die Kolleginnen und Kollegen entlasten.

Bereits heute wird KI bei der Polizei NRW eingesetzt. Insbesondere bei Vorselektionen und Mustererkennungen hilft sie in ihren unterschiedlichen Ausprägungen enorm. Bei der Auswertung großer Bilddatenmengen im Themenfeld sexualisierter Gewalt gegenüber Kindern oder bei der Analyse mobiler Endgeräte ist KI nicht mehr weg zu denken. Wir nutzen hierzu unsere eigene Polizei Cloud HiPoS, in der kollaborativ an einem Fall gearbeitet werden kann.

KI bietet die Möglichkeit verschiedene komplexe Analysen wie beispielsweise Gesichts- oder Gegenstandserkennungen oder die Analyse von Dokumenten durchzuführen sowie Chats aus sichergestellten Mobiltelefonen auszuwerten. Nur auf diese Weise ist die Auswertung der enormen Datenmengen überhaupt noch möglich. Wichtig ist aber auch: Zum Schluss entscheidet immer noch ein Mensch.

Was hat es um den ominösen Roboterhund „Spot“ auf sich? Worum handelt es sich hier? Welche Technik ist im Einsatz?

Spot ist ein von der Firma Bosten Dynamics entwickelter vierbeiniger Laufroboter. Wir setzen diesen in unserem Innovation Lab als Technologieträger ein. Spot kann dort helfen, wo es für Polizistinnen und Polizisten zu gefährlich ist. Je nach Einsatzzweck kann er mit verschiedenen Nutzlasten bestückt werden. So kann er zum Beispiel Kameras, Laserscanner und andere Sensoren tragen. Mit einem Greifarm kann er Türen öffnen, verschütteten Menschen helfen oder bei einer Geiselnahme Gegenstände wie zum Beispiel lebensnotwendige Medikamente oder auch eine Pizza überbringen. Derzeit prüfen wir im Innovation Lab, gemeinsam mit anderen Experten der Polizei, wo der Einsatz bereits jetzt sinnvoll ist und wo wir noch weitere Entwicklungen benötigen

Wie verlief der erste Einsatz von „Spot“?

Der erste Einsatz erfolgte in einem ausgebrannten Mehrfamilienhaus in Essen. Das Haus war einsturzgefährdet und konnte nicht betreten werden. Die Löscharbeiten waren noch nicht ganz abgeschlossen, da hatte Spot schon die Arbeit aufgenommen. Der Tatort konnte so schneller und ohne Gefährdung der Einsatzkräfte vor Ort aufgenommen werden.

Wir haben das Gebäude mit dem Roboter abgesucht und so sichergestellt, dass niemand mehr im Gebäude war. Das war nicht nur für den Einsatz, sondern natürlich auch für die Bewohner und deren Angehörige wichtig. Dabei wurde der Tatort mittels Laserscanner in 3D dokumentiert und Fotos angefertigt. So konnte direkt die Lage beurteilt und der Tatort möglichst unverändert gesichert werden.

Was kann „Spot“, was ein Mensch nicht kann? Was kann ein Mensch, was „Spot“ (noch nicht) kann?

Menschen bleiben bei der Polizei unersetzbar. Spot hingegen ist ersetzbar, ein Menschenleben nicht. Der Roboter kann dorthin gehen, wo es für Menschen zu gefährlich ist: beispielsweise nach einem Chemieunfall, einem Gebäudebrand oder bei verdächtigen und möglicherweise gefährlichen Gegenständen.

Wo sehen Sie weiteres Potenzial, andere technologischen Errungenschaften wie Künstliche Intelligenz verstärkt in Ihrem Metier nutzbar zu machen?

Da gibt es viele interessante Themen. So bietet Virtual Reality die Möglichkeit, Tatorte virtuell zu begehen und so Zeugen oder dem Gericht einen besseren Eindruck der Situation vor Ort zu vermitteln. Auch im Training und der Kollaboration liegen große Potentiale.

Das Thema Automotive IT wird eine zunehmende Rolle spielen. Zurzeit beschäftigen wir uns daher mit dem Streifenwagen der Zukunft. Dort spielen Geodaten, Vernetzung und das Thema 5G eine große Rolle. Es gibt zunehmend mehr Informationsquellen, die im Einsatz hilfreich sein können. Ohne KI kann das, auch aufgrund der enormen Menge der Daten, von einem Menschen nicht mehr erfasst werden.

Es gibt in den USA bereits Roboter, die zur Videoüberwachung in der Öffentlichkeit eingesetzt werden. Wie bewerten Sie das und wäre das auch in Deutschland denkbar?

In den USA gibt es eine ganz andere Sicherheits- und Rechtslage. Auch das Verhältnis zwischen Polizei und Gesellschaft ist ein anderes. Kontrollen durch einen Roboter passen nicht zu unserem bürgernahen Polizeiverständnis.

Befürchten Sie im Allgemeinen durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz ein Risiko, dass sich nachhaltig die Freiheiten der Bürgerinnen und Bürger einschränken könnten?

Die Polizei NRW ist eine professionelle, rechtsstaatliche und bürgerorientierte Polizei. Das darf und wird sich auch durch den Einsatz von KI nicht ändern. Wesentlich ist, dass Eingriffsmaßnahmen aufgrund konkreter Erkenntnisse durch einen Menschen angeordnet werden. KI hat dabei immer nur eine unterstützende Funktion. Weiterhin gilt wie bei vielen anderen Technologien: Es gibt nicht nur schwarz und weiß. Es kommt darauf an, wie mit einer Technologie umgegangen wird. Themen wie Bias und Ethik sind daher auch im Bereich KI für uns ein Thema.

Interview geführt durch:

Extern geführte und eignereichte Experten-Interviews rund um unsere Themenschwerpunkte. DW prüft und untersagt werbliche Inhalte, nimmt sonst aber keine redaktionellen Korrekturen oder Eingriffe vor.

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