Unersetzbare, digitale Mode- oder Design-Objekte: Wie Luxusmarken diesem Trend begegnen und davon profitieren können, wissen Nina Scharwenka und Jakob Schatz.
Designermode – aber nicht, um sie real anzuziehen, sondern als virtuelles Objekt: Das ist die Grundidee von Fashion- bzw. Designer-NFTs. Ursprünglich aus der Kunst- und Gaming-Szene stammend, sind die „Non Fungible Tokens“ mittlerweile auch in der Mode-Branche en vogue. Und zwar vor allem im Luxus-Segment: So verkaufte Mode-Ikone Karl Lagerfeld im vergangenen Herbst NFT-Figuren, im März präsentierten Marken wie Tommy Hilfiger sowie Dolce & Gabbana Kreationen auf der ersten Metaverse Fashion Week (MVFW) und bis Ende April bot Paco Rabanne eine eigens zusammengestellte NFT-Kollektion an. Wird sich diese Entwicklung weiter fortsetzen? Und wenn ja, wie?
NFTs als Kunstobjekte sind mittlerweile vielen bekannt. Anders sieht es mit sogenannten Luxus-NFTs aus dem Mode- und Design-Bereich aus. Können Sie erklären, was das genau ist?
Nina Scharwenka: Genau wie bei den bekannten NFTs handelt es sich dabei um Grafikdateien, deren Echtheitszertifikate fälschungssicher in der Blockhain gespeichert werden. Allerdings ist der abgebildete Gegenstand eben kein Kunstwerk, Video oder ähnliches, sondern ein Kleidungsstück. So hat Nike etwa einen virtuellen Sneaker, der durch verschiedene Skins mit einer Vielzahl von Farben, Drucken, Texturen und Ornamenten individualisiert werden kann, entworfen. Und Balenciaga machte vier charakteristische Artikel aus ihrer Kollektion als Skins und Accessoires im Spiel Fortnite verfügbar. Solche digitalen Outfit-Bestandteile können, sobald erworben, von den Avataren ihrer Besitzer im Metaverse, was ein im Entstehen begriffene Art dreidimensionales Internet ist, oder aber auch in Video-Spielen und auf Online-Plattformen getragen werden.
Und der Bedarf scheint da zu sein: Tatsächlich werden Mode-NFTs immer beliebter. Mehr und mehr Verbraucher wollen Teil dieser neuen Welt sein, in der man mit wenigen Klicks digitale Luxus-Sneaker für seinen Avatar oder ein Stück virtuelle Haute Couture in limitierter Auflage kaufen kann. Ein Statussymbol hängt heute nicht mehr nur im Schrank – sein Besitz wird über das Internet der ganzen Welt präsentiert.
Und wie wir an den bereits genannten Vorreitern, aber auch anderen Marken wie Gucci oder Louis Vuitton sehen, die bereits auf den NFT-Zug aufgesprungen sind: Unternehmen begreifen NFTs als spannenden Trend, mit dem sie sich beschäftigen wollen, um zu sehen, ob hier Vorteile zu holen sind. Das kann von neuen Umsatzquellen zu stärkerer Kundenbindung über Markenbildung bis hin zur Erschließung neuer Zielgruppen reichen. Als bislang noch weitgehend unerforschtes Gebiet sind die Möglichkeiten für Luxus-NFTs kaum absehbar – und wirkliche Best-Practices gibt es derzeit auch noch nicht.
Warum sind NFTs gerade für Unternehmen aus der Luxusgüter-Branche ein lohnendes Geschäftsmodell?
Jakob Schatz: Ob auf dem Kunstmarkt, in der Musikindustrie oder in der Spielebranche – NFTs sind derzeit überall ein heißes Thema. Analysten schätzen, dass der Metaverse-Markt weltweit in den nächsten Jahren stark wachsen wird. Großes Potenzial – vorausgesetzt, man hat die richtige Strategie.
Von diesem Markt und den damit einhergehenden spezifischen Vorteilen profitieren vor allem Branchen, die mit Fälschungen zu kämpfen haben oder deren Zielgruppe bisher sehr eng definiert war. Für Mode- und Designlabels trifft beides zu. Ersteres wird durch die eindeutige Speicherung der Tokens in der Ethereum-Blockchain garantiert. Darüber hinaus bieten diesen Unternehmen und Marken NFTs weitere wesentliche Vorteile: Erstens wird durch die Schaffung von Sammlerstücken und Raritäten das Gefühl der Exklusivität gefördert. Gleichzeitig wird durch die digitale Anprobe die Hemmschwelle zum Kauf gesenkt. Vielleicht am wichtigsten ist, dass NFTs einen völlig neuen Zugang zur Marke schaffen. Dadurch kann die Zielgruppe erheblich erweitert werden. Somit eröffnet digitale Mode via NFTs ein völlig neues Betätigungsfeld mit einem innovativen, virtuellen Vertriebskanal. Besonders die bereits bestehende Verbindung hinein in die Gaming-Szene – bislang eher unbekanntes Terrain für viele Modemarken – ist ein aufregender und vielversprechender Ansatz, neue Kundensegmente zu erschließen.
Welche neuen Zielgruppen können Premium-Marken denn mit NFTs ansprechen? Kaufen auf einmal Leute, die vorher nichts mit Mode am Hut haben, virtuelle Gucci-Taschen?
Nina Scharwenka: NFTs sind ein völlig neuer Markt für Luxusmarken. Und das ist ganz und gar keine Übertreibung. Während Designermarken wie Gucci sonst vor allem auf wohlhabende Fashionistas abzielen, rücken durch Non Fungible Tokens und die Verbindung mit Videospielen – wie bei Balenciaga und Fortnite – plötzlich technikaffine Menschen, Gamer, Sammler und Krypto-Investoren ins Blickfeld. Damit werden nicht nur Jugendliche als Zielgruppe noch attraktiver – auch Konsumenten mit deutlich kleineren Budgets gehören plötzlich zu den potenziellen Kunden von Luxusmarken. Und zwar nicht nur, weil es NFTs zu geringeren Preisen gibt, als man üblicherweise für Schuhe oder Hemden einer Luxusmarke bezahlt. Auch der Kauf an sich ist für Kunden aus diesen Segmenten unkomplizierter und angenehmer. Statt in eine Luxus-Boutique zu gehen, ist der Erwerb online ganz ohne Beratung möglich. Das entspricht den Gewohnheiten vieler Zielgruppen erheblich mehr und baut Einstiegshürden ab. Eine enorme Chance, die es zu nutzen gilt!
Trotzdem steckt der Trend „Luxus-NFTs“ wohl eher noch in den Kinderschuhen. Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung ein?
Jakob Schatz: Sie fragen, ob NFTs mehr sind als nur ein kurzlebiger Hype? In der Tat hat sich der NFT-Markt im vergangenen Jahr rasant entwickelt. Die meisten Marken haben erkannt, dass sie frühzeitig investieren müssen. Die ersten Schritte in das Metaversum sind getan – allerdings oft ohne eine ausgefeilte kommerzielle Strategie. Die technologische Innovation hat hier häufig noch einen höheren Stellenwert als der konkrete Business Case. Dennoch ist die schnelle Entwicklung im Luxussegment bemerkenswert. Zumal das Metaversum sein Potenzial noch nicht erreicht hat. Wir sehen also eher eine Ansammlung von kleinen Mikroversen. Und das macht es schwierig, virtuelle Güter von einer Plattform zur nächsten zu transferieren.
Aber auch wenn sich der Trend in den letzten Monaten abgeflacht hat, ist etwas im Gange. Obwohl der Verkauf über Auktionen in Form von Kryptowährungen derzeit noch eine Hürde für manche Verbraucher darstellt und es Herausforderungen im Bereich des Energieverbrauchs und der CO2-Emissionen gibt, sind schnelle Anpassungen zu erwarten. Umfassende Bezahlmöglichkeiten über Kreditkarte oder PayPal sind nur eine Frage der Zeit, und in einigen Fällen bereits möglich. Immer mehr Kunden werden sich für NFTs interessieren, und es werden sich schnell Plattformstandards etablieren.
Also stehen die Chancen gut, dass NFTs für Modemarken ein lukratives Umsatzstandbein werden?
Nina Scharwenka: Es ist unmöglich vorherzusagen, wann aus dem technologischen Hype ein echtes Geschäft wird. Aber ich bin überzeugt, dass das irgendwann der Fall sein wird. Und wenn es so weit ist, werden Designermarken die richtigen Strategien, Mitarbeiter, Kenntnisse und gezielte Monetarisierungsmodelle benötigen, um aus dem Metaverse Kapital zu schlagen.
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