Wir befinden uns in einer Transitionsphase zwischen zwei Epochen: Von der alten, automatisierten Welt, in der noch fossile Brennstoffe den Großteil der Energieträger ausmachen hin zur neuen hypervernetzten Welt, in der digitalisierte Wirtschaften und Gesellschaften auf regenerative Energieträger bauen. Aus unternehmerischer Sicht ist diese Phase des Wandels spannend, denn sie weckt den Pioniergeist und sorgt für Aufbruchstimmung – zumindest bei den mutigen Unternehmen.
Alles kann, vieles muss sich verändern. Wer das nicht akzeptiert und am liebgewonnenen Status quo festhält, spielt wohl bald keine große Rolle mehr auf der Bühne der Wirtschaft. Wer sich auf den Wandel einlässt, alte Denkmuster durchbricht und innovativen Ansätzen offen gegenüber steht, hat große Chancen auf eine gute Marktposition in der Zukunft – für Kunden, wie für Talente.
Herausforderungen
Die aktuellen Herausforderungen: Lieferenpässe, Fachkräftemangel, Klimawandel, Digitalisierung. Einerseits müssen Unternehmen ihre Lieferketten krisenfester gestalten, durch smarte HR-Konzepte eine Kandidaten-Pipeline aufbauen und vorhandene Mitarbeitende regelmäßig weiterqualifizieren. Andererseits müssen sie sich neben Digitalisierungsthemen zunehmend mit ökologischer Nachhaltigkeit befassen, um Abläufe zu verbessern und die Erde zu schonen.
Diese Herausforderungen lassen sich in zwei Handlungsrichtungen kategorisieren: in „nachhaltige Digitalisierung“ und „digitale Nachhaltigkeit“. Wenn nachhaltige Digitalisierung der Schritt weg von der alten Welt ist – so ist digitale Nachhaltigkeit der Schritt hin zur neuen Welt. Beide Schritte gehen ineinander über und sind nicht isoliert voneinander zu betrachten.
Nachhaltige Digitalisierung
Hierbei geht es zunächst um die Frage: Wie können wir Prozesse, Produkte und Abläufe digital gestalten, um langfristig erfolgreich am Markt, bzw. in neuen Märkten zu sein? Vor dieser Frage stehen heute viele Unternehmen. Der Maschinen- und Anlagenbau ist der prominenteste Bereich, in dem bereits Veränderungen zu sehen sind. Nachhaltige Digitalisierung bedeutet hier ein Umdenken in der Produktion. Lieferungen müssen passen, da Produkte immer individualisierter werden. Der digitale Zugang zu den Kunden muss besser werden. Produktdaten müssen für Konsumenten prüfbar werden, erkennbar und anwendbar sein. Und vergessen wir nicht das Chaos der internen Prozesse und digitalen Kommunikationswege, das mit Corona und dem starken Verlangen nach Home Office einherging – und nun eine nachhaltige Systematisierung verlangt.
Produzierende B2B-Unternehmen stehen vor dem Druck, von amerikanischen oder asiatischen Digital-Plattformen zum Hardware-Lieferanten degradiert zu werden und nur noch die zweite Geige zu spielen – ohne direkten Kundenzugang. Darum lautet hier die Frage, ob es den Unternehmen gelingt, einen „europäischen Weg“ der Digitalisierung zu gehen und mit eigenen Plattformen und innovativen Geschäftsmodellen zu digitalen Playern aufzusteigen. Den B2C-Sektor können wir der USA und Asien nicht mehr streitig machen. In der B2B-Industrie hat Deutschland, hat Europa noch eine gute Chance, das Feld anzuführen oder mitzugestalten. Dafür ist es jetzt an der Zeit, die digitale Transformation voranzutreiben.
Digitale Nachhaltigkeit
Das Ziel der digitalen Nachhaltigkeit besteht darin, effizienter und schonender mit Ressourcen umzugehen: Mensch, Energie und Kapital. Dabei geht es um die Fragen: Wie können wir die Digitalisierung nutzen, um für mehr ökologische Nachhaltigkeit zu sorgen? Wie können wir z.B. den gesamten Product Lifecycle nachhaltiger gestalten – auch mithilfe digitaler Tools? Wie energieeffizient sind unsere digitalen Anwendungen? Wie grün ist unser Flottenmanagement? Wo steht unser Rechenzentrum und wo kommt dessen Energie her?
Ansätze hierzu gibt es schon heute. Zum Beispiel die vernetzte Landwirtschaft: Messgeräte messen den Säure- und Feuchtigkeitsgehalt in der Erde – und senden bei Bedarf automatisch Drohnen auf die Felder, um sie zu düngen oder zu bewässern. Oder der digitale Zwilling, ein digitales Ebenbild einer Maschine, eines Bauteils oder Gebäudes. Am digitalen Zwilling einer Maschine oder eines Maschinenparks können Belastungstests durchgeführt werden. Am Digitalen Zwilling eines Gebäudes können Änderungen ausprobiert werden, bevor sie real umgesetzt werden. Man denke nur an Großbauprojekte wie den Flughafen Berlin-Brandenburg (BER): Wie viele Ressourcen hätten mit einem zuvor eingesetzten digitalen Zwilling gespart werden können?
Auch das Metaverse ist ein Ansatz, um z. B. die Lieferkette nachhaltiger zu gestalten: Der Avatar eines Kunden besitzt die Daten seiner Körpermaße. So kann er oder sie gemütlich Kleidung anprobieren – und nur dann kaufen, wenn sie ihm oder ihr auch wirklich gefallen. Das kann die Retouren-Quote stark reduzieren – und somit Energie einsparen und Kosten reduzieren.
Es geht um Ressourcen- und Energieeffizienz
Die genannten Beispiele tragen schon einen Teil zur digitalen Nachhaltigkeit bei. Allerdings sollten Verantwortliche weiterdenken. Angefangen bei der Energieeffizienz in der Firma: Wie können wir Büros intelligent besetzen, so dass im Winter nicht jede Etage beheizt werden muss? Hier wären z.B. Round Tables zwischen Energieversorgern und Unternehmen in den Städten sinnvoll, um gemeinsam an nachhaltigen Energiekonzepten zu arbeiten.
Und schon bei der Auswahl digitaler Anwendungen im Unternehmen können Verantwortliche nachhaltig agieren. Wussten Sie, dass die Energieeffizienz von Programmiersprachen höchst unterschiedlich ausfällt? Eine Forschungsgruppe hat das untersucht und die Ergebnisse im Mai letzten Jahres in der wissenschaftlichen Zeitschrift „Science of Computer Programming“ veröffentlicht: Die Programmiersprache „Python“ benötigt beispielsweise ca. 60 mal mehr Energie als „Java“.
Digitalisierung und Nachhaltigkeit beginnen im Kopf
All das sind Aspekte, mit denen sich Unternehmer:Innen beschäftigen sollten. Und hierbei wird schnell klar: Sowohl nachhaltige Digitalisierung als auch digitale Nachhaltigkeit sind eine Frage der Einstellung. Nur, wenn die Menschen bereit sind umzudenken, alte Strukturen aufzubrechen und sich auf Neues, Unbekanntes einzulassen, kann der Schritt in eine grüne digitale Zukunft gelingen. Das gelingt nicht von heute auf morgen. Es liegt aber in der Verantwortung der oberen Führungsetagen, diesen Denkprozess anzustoßen.
Denn: Digitalisierung und Nachhaltigkeit beginnen im Kopf. Digitalisierung bedeutet nicht, analoges digital machen. Digitalisierung ist ein ganzheitliches Denken in Prozessen innerhalb und außerhalb des Unternehmens. Sie beginnt beim Kundenwunsch und endet in der Lieferkette. Und sie bedarf dabei immer dem Gedanken der Nachhaltigkeit: intern mit Fokus auf Einsparung, Kapazitäten und Ressourcen sowie Energie – extern mit Effekten hinsichtlich Klima, Ressource und Mitarbeiter:innen. Nachhaltigkeit in der Digitalisierung ist ein Wettbewerbsvorteil im Kampf um Talente. Der Klimawandel fordert Nachhaltigkeit in der Digitalisierung, für den Planeten und für unsere Kund:innen und Mitarbeter:Innen, die beginnen, Nachhaltigkeit einzufordern.
Appell: Es liegt in Ihrer Hand
Wenn Sie Ihre Organisation weiterentwickeln möchten, beschäftigen Sie sich mit zukunftsfähigen Wirtschaftsmodellen, wie z. B. der Gemeinwohl-Matrix 5.0. Hierzu gehören u. a. der Umgang mit ökologischen Auswirkungen durch Nutzung und Entsorgung von Produkten und Dienstleistungen, die ethische und soziale Haltung im Umgang mit Geldmitteln, Menschenwürde am Arbeitsplatz, ethischen Kundenbeziehungen oder die Reduktion ökologischer Auswirkungen.
Viele Unternehmen sind schon dabei, ihre Denkprozesse zu verändern und sich in Richtung digitale Nachhaltigkeit zu bewegen. Wir möchten auch Sie ermutigen, diesen Weg zu beschreiten – und sowohl Ihr Geschäft nachhaltig zu digitalisieren, als auch für eine digitale Nachhaltigkeit Ihres wirtschaftlichen Handelns zu sorgen. Binden Sie Ihre Mitarbeiter:innen aktiv in die Erarbeitung nachhaltiger Ideen ein: Sie werden staunen, mit welchen kreativen Ideen sie Ihr Unternehmen bereichern.
In unserer hypervernetzten Zukunft muss auch Energieeffizienz ein elementarer Bestandteil der Wirtschaft ausmachen. Sorgen Sie dafür, dass der Wert „Nachhaltigkeit“ schon heute in jede ROI-Rechnung gehört – und stellen Sie das Thema „Nachhaltigkeit und Digitalisierung“ in den Fokus Ihrer Effizienzprojekte. Wohlstand ist nicht nur ein Betrag in Euro, sondern zeigt sich auch im sauberen Wasser und guter Luft. Was trägt Ihr Unternehmen dazu bei, um den massiven Ressourcenverbrauch zu verändern?
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