Digitale Datenräume – Plattform für zukunftsorientierte Geschäftsmodelle

Mit dem gemeinsamen Sammeln und Nutzen der Daten werden umfassende, teilweise disruptive Innovationen von Geschäftsmodellen folgen. Traditionell agieren Unternehmen in diesem Bereich als Konkurrenten, was zu einer Fragmentierung und Ineffizienz führt – gerade vor dem Hintergrund einer globalen Marktlage, in der wir heute agieren. Die strategische Zusammenarbeit beispielsweise der Maschinen- und Anlagenbauer in der Nutzung und Verwaltung gemeinsamer Daten bietet eine Vielzahl von Vorteilen. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen haben damit die Möglichkeit, ihre Daten leichter austauschen zu können und darüber hinaus gleichberechtigt mit Dritten zu teilen.
Von   Jessica Breuer   |  Direktorin   |  Atreus
  ´Dr. Christian Frank   |  Partner und Leiter, Mitglied des Executive Boards   |  Atreus
8. August 2024

Digitale Datenräume – Plattform für zukunftsorientierte Geschäftsmodelle

 

Die Nutzung von Daten nimmt bei Industrieunternehmen einen immer größeren Raum ein. Auch der Mittelstand kann sich diesem Trend nicht entziehen. Während in den letzten Jahren das Sammeln von Daten in Unternehmen an Bedeutung gewonnen hat, die dann häufig dort analysiert werden und zur Optimierung (beispielsweise Reduzierung Stillstandzeiten) oder weiteren Service Offerings (wie Predictive Maintenance) geführt haben, bewegen wir uns nun mehr und mehr hin zu einer unternehmensübergreifenden Betrachtung der Datennutzung. Aufgrund des multilateralen Datenteilens können damit zukünftig neue kollaborative Anwendungsfälle entwickelt werden, die einen signifikanten Mehrwert – zumindest auf Sicht – im Kontext der Effizienzsteigerung, aufgrund organisationsübergreifender Prozesse und Kosteneinsparungen vorhersagen.

 

Mit dem gemeinsamen Sammeln und Nutzen der Daten werden umfassende, teilweise disruptive Innovationen von Geschäftsmodellen folgen. Traditionell agieren Unternehmen in diesem Bereich als Konkurrenten, was zu einer Fragmentierung und Ineffizienz führt – gerade vor dem Hintergrund einer globalen Marktlage, in der wir heute agieren. Die strategische Zusammenarbeit beispielsweise der Maschinen- und Anlagenbauer in der Nutzung und Verwaltung gemeinsamer Daten bietet eine Vielzahl von Vorteilen. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen haben damit die Möglichkeit, ihre Daten leichter austauschen zu können und darüber hinaus gleichberechtigt mit Dritten zu teilen.

 

Sind wir schon so weit?

 

Die Anfänge sind gemacht: Initiativen – auch staatliche gestützt und unterstützt – wurden aus der Taufe gehoben, zahlreiche Unternehmen haben sich bereits auf verschiedenen Datenräumen zusammengetan. Der Auslöser oder vielmehr der Beschleuniger der Entwicklungen ist der „EU Data Act“. Die Datenverordnung „EU Data Act“ zielt darauf ab, den Austausch und die Nutzung von Daten innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums zu erleichtern und zu fördern. Der Rechtsakt tritt am 12. September 2025 in Kraft. Damit soll ein europäisches digitales Ökosystem für datengesteuerte Dienste und Anwendungen geschaffen werden, mit dem Ziel, einen echten Binnenmarkt für Daten zu erreichen. Damit ist der Betreiber und nicht der Maschinenhersteller Eigentümer der dadurch generierten Industriedaten und hat damit das Recht zur Nutzung der erhobenen Daten. Er hat vollständigen Zugriff auf seine Daten und kann diese für verschiedene Zwecke wie Wartung, Input für Versicherungen und Bankenanfragen nutzen. Konkret am Beispiel eines Windparkbetreibers heißt das, dass die Daten der Windkraftanlage nicht dem Hersteller gehören, der diese Daten dann monetarisieren kann, sondern dem Windparkbetreiber. Dieser kann dann alle während des Betriebs der Anlage gesammelten Daten kostenfrei nutzen, weitergeben oder verkaufen.

 

Bei der Bereitstellung von Daten sehen sich sowohl Erzeuger als auch Besitzer der Daten oftmals der Gefahr ausgesetzt, die Kontrolle und damit den strategischen Wert ihrer Datenressourcen aus der Hand zu geben. Diesen branchenübergreifenden Zielkonflikt adressieren die „International Data Spaces“, indem sie Datengebern das Teilen von Daten unter Wahrung der Datensouveränität ermöglichen.

 

Was sind eigentlich Datenräume?

 

Datenräume werden von Politik, Wissenschaft und Wirtschaft übereinstimmend definiert als eine offene Infrastruktur für souveränen Datenaustausch, die auf gemeinsamen Standards, Regeln und Vereinbarungen basiert. Unternehmen, deren Maschinen Daten generieren, können diese Daten in diesen Datenräumen kontrollieren. In der heutigen Wirtschaftswelt spielen Daten – quasi als Rohstoff für die Gewinnung von Informationen – eine hohe Bedeutung für den Erfolg eines Unternehmens und sind das Fundament einer datengetriebenen Wirtschaft. Die Daten können zur Optimierung der eigenen Geschäftsprozesse gesammelt und verwertet werden, können aber auch verkauft werden – und sind somit selbst das Produkt. Aber sie können auch in einer immer stärker vernetzten Wirtschaft der Kollaboration dienen und zu einer Optimierung der unternehmensübergreifenden Lieferkette und damit zu verbesserten Entscheidungsfindung führen.

Datenräume sind darum mehr als Container oder eine Sammelstelle für Daten: Ein Datenraum umfasst sämtliche definierten Datenbestände, beschreibt sie einheitlich und verbindet sie miteinander. Die daraus gewonnenen relevanten Informationen dienen als Basis für Entscheidungen, beispielsweise in einer intelligenten Produktion, in der damit Maschinen oder Produktionsgüter befähigt werden, selbstständig in einem automatisierten Umfeld zu agieren. Datenräume sind demnach ein gemeinsamer Platz innerhalb eines den Sektor (oder perspektivisch auch Sektoren-übergreifendes) umspannenden Datenökosystems, um alle verfügbaren Daten mit Fokus auf den Business Kontext zu nutzen. Initiativen wie Manufacturing-X ermöglichen es kleinen bis großen Unternehmen, von gemeinsamen Datenräumen zu profitieren. Durch die Vernetzung und den Austausch von Best Practices können Unternehmen innovative Geschäftsmodelle entwickeln. Genau aus diesem Grund haben sich über die letzten Jahre sektorspezifische Datenräume gebildet, um eine Infrastruktur für das gemeinsame Datensammeln und Nutzen und Entwicklung von Geschäftsmodellen zu entwickeln.

 

Die Einführung von Datenräumen und die Digitalisierung der Fertigungsindustrie bringen sowohl Herausforderungen als auch Chancen mit sich. Um einen reibungslosen Datenaustausch zwischen verschiedenen Unternehmen und Systemen zu gewährleisten, setzt die Bundesregierung auf Interoperabilität und Standardisierung von Datenformaten und Schnittstellen. Dies bedeutet, dass die Daten in einem einheitlichen Format vorliegen und problemlos zwischen verschiedenen Systemen und Plattformen ausgetauscht werden können.

 

Zu den größten Herausforderungen zählen die Sicherstellung der Datensicherheit bzw. der Datenschutz, die Schaffung interoperabler und standardisierter Systeme, sowie die Gewinnung von Partnern und das Vertrauen der Marktteilnehmer. Unternehmen müssen sicherstellen, dass ihre Daten vor unbefugtem Zugriff geschützt sind und den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Dies erfordert den Einsatz moderner Sicherheitstechnologien und -protokolle, sowie die regelmäßige Überprüfung und Aktualisierung der Sicherheitsmaßnahmen. Die Einhaltung der Datenschutzbestimmungen ist ebenfalls von großer Bedeutung, um das Vertrauen der Partner und Kunden zu gewinnen und zu erhalten. Die Governance-Strukturen innerhalb des Datenökosystems legen Regeln und Standards fest, die die Nutzung und den Austausch von Daten regeln, um Ordnung und Struktur sicherzustellen.

 

Die Infrastruktur von Datenräumen besteht aus Rechenzentren, Kommunikationswegen und anderen technischen Ressourcen. Diese Systeme sind in der Errichtung und Wartung teilweise kostspielig und bieten zunächst keinen direkten Nutzen, sondern dienen als Grundlage für den sicheren und effizienten Austausch von Daten. Aber auch hierbei gilt: Je mehr Unternehmen gemeinsam daran arbeiten, umso besser gestaltet sich mittelfristig das Kosten-Nutzen-Verhältnis. Basisdienste in Datenräumen umfassen grundlegende Funktionen wie die Identitäts- und Zugriffsverwaltung. Sie sind zwar nicht unmittelbar wettbewerbsrelevant, sind jedoch essenziell für einen geregelten Datenfluss.

 

Wichtige Komponenten und Anteile stellen digitale Einheiten oder Teilnehmer dar, die die Infrastruktur und Basisdienste nutzen, um Daten auszutauschen und spezifische Aufgaben zu erfüllen, was den eigentlichen Nutzen des Systems ausmacht.

 

Diese Anwendungen oder auch Applikationen bieten den konkreten Nutzen des Systems, indem sie beispielsweise Geschäftsprozesse optimieren, Dienstleistungen verbessern oder neue Geschäftsmöglichkeiten erschließen.

 

In der Industrie 4.0 organisieren sich Produktionsgüter und -maschinen selbst: Als cyberphysische Systeme können sie mittels Sensorik-Daten über ihren Arbeitsablauf und ihre Umgebung aufnehmen, diese über eine Kommunikationsinfrastruktur austauschen und auf Ereignisse selbstständig reagieren. Sie arbeiten kooperativ und können aufgrund von sich ändernden Produktionsgegebenheiten, Priorisierung und Verfügbarkeit selbstständig agieren. Allein dadurch können bereits Prozesse effizienter gestaltet werden. Noch größeren Mehrwert für Produktions- und Logistikprozesse erzielen Unternehmen aber, wenn sie diese vielen Einzelinformationen in ihrer Gesamtheit betrachten und sie in Datenräumen zentral zusammenführen. Denn dort findet die Verknüpfung einzelner Daten untereinander sowie ihre Kombination mit Informationen aus Drittsystemen statt. Damit können neue Kenntnisse über den Prozess selbst als auch über den Zustand der Maschinen abgeleitet werden. So sind nicht nur Aussagen über das zukünftige Verhalten solcher Systeme möglich, es können auch direkt geeignete Maßnahmen ausgelöst werden – entweder automatisiert oder in Form von Handlungsempfehlungen.

 

Eine Schlüsselfähigkeit für die europäische und internationale Wirtschaft ist daher die Daten-Souveränität. Dateneigentümer, also die Datenbesitzer, müssen entscheiden, kontrollieren und überwachen können, was mit ihren Daten geschieht, wer sie erhält und wofür sie verwendet werden. Dies erfordert zum einen einheitliche wirtschaftliche und rechtliche Verfahren und Standards einerseits und andererseits ein informationstechnisches Verfahren, um Datenhoheit überhaupt erst zu ermöglichen und auszuüben. Dies wiederum setzt voraus, dass die vielen Daten aus unterschiedlichsten Quellen und Formaten nicht chaotisch, sondern strukturiert vorliegen – und zwar mit Hilfe von Datenräumen, in denen Daten aus heterogenen Quellen semantisch beschrieben, verarbeitet und verknüpft werden. Denn Informationen zum Beispiel über Maschinen und Produktionsprozesse bieten erst dann einen wirklichen Mehrwert, wenn sie in Zusammenhang gebracht werden können.

 

Umdenken: Branchenübergreifende Zusammenarbeit – end to end

 

Datenräume werden die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen verschiedener Branchen fördern, um innovative Lösungen zu entwickeln und Synergien zu nutzen. Durch die Vernetzung und den Austausch von Wissen und Erfahrungen können Unternehmen voneinander lernen und gemeinsam neue Wege beschreiten. Wir sprechen hier über ein entscheidendes Werkzeug, um die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteuren der Wertschöpfungskette end to end zu verbessern. Durch den sicheren und effizienten Austausch von Daten können Unternehmen besser zusammenarbeiten, ihre Prozesse optimieren und Innovationen schneller vorantreiben. Die Nutzung von Datenräumen ermöglicht es, die Effizienz der Produktionsprozesse zu steigern, die Qualität der Produkte zu verbessern und die Entwicklung neuer Technologien voranzutreiben. Unternehmen können schneller auf Kundenanforderungen reagieren und ihre Position als Innovationsführer in der Branche festigen.

 

Fazit

 

Europas Unternehmen stehen im globalen Wettbewerb, besonders im digitalen Bereich, vor großen Herausforderungen. Während Unternehmen in den USA und China massiv in digitale Infrastrukturen investieren, hat Europa noch Aufholbedarf. Industriedaten werden als die nächste große Ressource betrachtet, und Europa hat hier eine bedeutende Chance. Der Data Act und weitere regulatorische Maßnahmen der EU zielen darauf ab, Europas Position zu stärken und die Datennutzung zu revolutionieren. Unternehmen sollten in der Lage sein, Daten über die gesamte Fertigungs- und Lieferkette hinweg souverän und gemeinsam zu nutzen. Dies fördert digitale Innovationen, die zu erhöhter Resilienz, Nachhaltigkeit (CO2 Footprint) und Wettbewerbsfähigkeit führen.

 

Die strategische Nutzung und Implementierung digitaler Lösungen kann die deutsche Industrie nachhaltig verändern und ihre Wettbewerbsfähigkeit auf globaler Ebene sichern. Datenräume spielen dabei eine entscheidende Rolle, indem sie den sicheren und effizienten Austausch von Daten ermöglichen und die Zusammenarbeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette verbessern. Trotz der Herausforderungen bei der Einführung von Datenräumen bieten sich enorme Chancen, die deutsche Industrie durch den digitalen Wandel und gezielte Fördermaßnahmen langfristig fit für die Zukunft zu machen. Nicht zuletzt fördert es auch in jedem einzelnen Unternehmen die eigene Weiterentwicklung im Umgang mit Daten, deren Anwendungsmöglichen, aber auch, wie diese zu sichern sind.

 

Wir müssen in Deutschland und Europa offener für diese Entwicklung in der Marktwirtschaft werden, die Chancen erkennen und die Vorurteile abbauen. Nicht zuletzt, da uns andere Länder heute bereits weit voraus sind. Der Data Act und der damit verbundene Paradigmenwechsel bei der Datennutzung bieten immense Chancen für Unternehmen, ihre Geschäftsmodelle zu optimieren und den Kundennutzen zu maximieren. Eine erfolgreiche Umsetzung erfordert gezielte Vorbereitung, effiziente Data Governance und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Europa hat die Möglichkeit, durch innovative Ansätze und nachhaltige Geschäftsmodelle eine führende Rolle im globalen Wettbewerb einzunehmen. Der EU Data Act setzt den Rahmen – jetzt brauchen wir Unternehmen mit digitalem Mindset und Mut.

´Dr. Christian Frank

Partner und Leiter, Mitglied des Executive Boards bei Atreus

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