Digital Excellence: Compliance als Steuerungsinstrument eines verantwortungsvollen digitalen Transformationsprozesses

Von   Johannes Pföhler   |  Project Manager, Agile & CSR Coach, Trainer   |  SMC
  Marco Englert   |  Leiter Unternehmensentwicklung & PMO   |  Haftpflichtkasse
30. Oktober 2018

Der 25. Mai 2018 stellt eine Zäsur für Unternehmen und deren digitale Geschäftstätigkeiten dar, denn an diesem Tag wurden die Compliance-Regeln beim Datenschutz verschärft. Das Europäische Parlament hat dazu die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) erlassen, die seit jenem Tag verbindlich in allen EU-Mitgliedsländern gilt. Die DSGVO verordnet strikte Datenschutzvorgaben und bestraft Nicht-Compliance mit nicht unerheblichen Bußgeldern. Unternehmen sollten diese neue Verordnung aber nicht ausschließlich als Risiko für Abmahnungen und Bußgelder sehen, sondern als Chance begreifen, Compliance wieder in den Fokus einer verantwortungsvollen bzw. nachhaltigen Unternehmensführung zu rücken.

Unser ambivalenter Umgang mit Daten und Datenschutz

Das Verhältnis zum Thema Daten und Datenschutz ist insbesondere in Deutschland traditionell eher ein ambivalentes. Auf der einen Seite nutzten Menschen jeden Alters ohne große Sorgen Facebook und WhatsApp, schauen Youtube-Videos oder spielen Online-Games. Auf der anderen Seite dürfen Ämter und Behörden vorhandene Daten nicht ohne weitere miteinander synchronisieren, sodass eine enorme Redundanz und Mehrarbeit entsteht. Deutschland versucht zwar, diesem Umstand entgegen zu wirken, beispielsweise durch die Einführung der digitalen Patientenakte 2021. Allerdings bestehen bei den Patienten noch erhebliche Zweifel und Ängste, die noch zu moderieren sind.

Global gesehen, schreitet die digitale Vernetzung immer schneller voran. Vor kurzem gab Amazon bekannt, mit dem Fertighaushersteller Plant Prefab zusammen zu arbeiten und die Häuser der Zukunft zu entwerfen. Dabei möchte Amazon weniger ein Haus bauen, als vielmehr dessen Konnektivität in die Hand nehmen. Durch die Kooperation – mit dem Ziel, Alexa-fähige Geräte im Haus vorinstallieren zu lassen –  wird Alexa bald zu einem Windows der Neuzeit werden, das zum Betriebssystem der Massen wurde, da es auf den Computern jedes PC-Herstellers vorinstalliert war. Damit schafft sich Amazon eine quasi Monopolstellung in diesem Bereich und wird Nutzer bzw. Hausbesitzer somit einseitig mit den weiteren Amazon Dienstleistungen über Alexa weiterverbinden – ganz zu schweigen von unkontrollierbaren privaten Daten, die Amazon somit in die Hände fallen. So durchdringen US-amerikanische Konzerne jedermanns Lebenswelt, selbst jener, die eigentlich gar nicht daran teilhaben möchten. Dabei machen digitale Knotenpunkte und Rechenzentren im Ausland es unglaublich schwierig, Datenschutz und -sicherheit zu gewährleisten.

Dieser Trend ist auch auf Unternehmensebene sehr stark spürbar. Durch die neue Anspruchshaltung der Generation Y und dem daraus resultierenden Megatrend New Work, verlieren interne IT-Abteilungen immer mehr die Kontrolle über Geräte und Datenströme. Insbesondere die Auslagerung ins Home-Office oder die Bring-your-own-device-Politik (BYOD) stellen Datenschützer vor große Herausforderungen. Die betriebsfremden Geräte bewegen sich im internen Netzwerk des Unternehmens und können diese stören oder ausspionieren. Außerdem läuft BYOD zudem der Strategie der Vereinheitlichung der IT-Infrastruktur entgegen, da BYOD die Komplexität steigert und schlussendlich zu weniger Interoperabilität führt. Eine zusätzliche Gefahr stellt die Verflechtung des beruflichen und privaten Lebens dar. Mitarbeiter kommunizieren sowohl in ihrer Freizeit als auch im Berufsleben über wenig geschützte Messenger wie Whatsapp miteinander. Zwar hat WhatsApp mittlerweile eine End-to-End-Verschlüsselung etabliert, allerdings werden massenweise persönliche Daten weitergegeben und somit auch betriebsinterne Informationen abgeschöpft.

Chancen der Digitalisierung für eine nachhaltige Entwicklung

Die Digitalisierung stellt unsere Gesellschaft und die Unternehmen zweifelsohne vor große Herausforderungen. Vergessen sollten wir dabei aber nicht, dass die Chancen der Digitalisierung für eine nachhaltige Entwicklung um ein vielfaches höher sind, sofern sie verantwortungsvoll und human vorangetrieben wird.

Rein bezogen auf Unternehmensebene bieten Technologien wie Block-Chain, Internet-of-things (IoT), Artificial Intelligence und Virtual sowie Augmented Reality ein enormes Potential für neue Geschäftsmodelle, nicht nur für Startups, sondern insbesondere für bereits etablierte Unternehmen. Dabei geht es um nicht weniger als die Zukunftssicherung des Unternehmens. Viele Unternehmen stecken nach wie vor in einer Kompetenzfalle, da das konventionelle Geschäftsmodell kurzfristig noch funktioniert und Ertrag abwirft, allerdings langfristig obsolet werden kann. Deswegen ist es umso wichtiger, sich an langfristigen Trends zu orientieren und proaktiv eine unternehmensinterne Transformation zu starten. Beginnt man diesen Transformationsprozess ist es wichtig, sich an Kundenerwartungen zu orientieren. Dabei sind digitale Lösungen ebenso wichtig wie die Orientierung an Nachhaltigkeitsaspekten. Nachhaltigkeit und Digitalisierung sind somit für Unternehmen gleichermaßen relevant. Wachsen bzw. skalieren Unternehmen nämlich in einer gesunden und verantwortungsvollen Weise, werden sie durch ein Mehr an Kredit und Ertrag belohnt und sichern sich dadurch dauerhaft ihre Existenz. Konkret bedeutet das, Unternehmen müssen ihre Geschäftstätigkeit stärker an sozialen und ökologischen Kriterien ausrichten. Im Idealfall führt somit die Nutzung neuer innovativer Technologien zu einer verantwortungsvolleren Nutzung natürlicher Ressourcen und einer besseren sozialen Wirkung des Unternehmens. Nur so erhalten die Unternehmen der Zukunft dauerhaft ihre License to operate und sind dauerhaft erfolgreich.

Diese gezielte Disruption innerhalb der eigenen Strukturen erfordert natürlich einen gewissen Mut und Resilience der Unternehmen und der verantwortlichen Entscheidungsträgern, sich diesen Herausforderungen zu stellen und immer wieder den eingeschlagenen Weg zu verteidigen. Bedenken der Stakeholder, insbesondere der eigenen Belegschaft hinsichtlich Substitution der Arbeitsplätze, Datenschutz und -sicherheit sowie der grundsätzliche Veränderungsunwille müssen immer beachtet und moderiert werden, damit Ängste abgebaut und die Motivation erhalten bleibt. Nur durch eine agile und dynamische Arbeitsweise kann dieser Transfer gelingen.

Die Etablierung einer passenden Compliancekultur als Accelorator des Transformationsprozesses

Möchten wir die interne Transformation starten, ist es wichtig, dass sie verantwortungsvoll und behutsam abläuft. Dabei muss der Mensch im Sinne einer humanen Digitalisierung in den Mittelpunkt gestellt werden. Ein wesentlicher Faktor zur Gestaltung eines verantwortungsvollen digitalen Transformationsprozesses ist die Etablierung einer Compliancekultur, die ein wichtiger Bestandteil einer akzeptierten und gelebten Unternehmenskultur ist. Unterschieden werden muss dabei zwischen einer Compliancekultur und Complianceprozessen. Bei den Complianceprozessen handelt es sich um Geschäftsprozesse, die sich um die Unterstützung und risikoorientierte Steuerung des Unternehmens kümmern. Die Unternehmenskultur setzt wiederum Rahmenbedingungen, in der sich die Grundeinstellungen und Verhaltensweisen aller Mitarbeiter des Unternehmens bewegen. Konkreter soll die Compliancekultur allen Unternehmensbeteiligten sowie Kunden und Lieferanten entsprechende Werte vermitteln und die Bereitschaft zu regelkonformen Verhalten fördern. Um eine wirksame Compliancekultur zu erhalten, müssen neben der offiziellen Kommunikation vor allem die Grundsätze des tatsächlichen Handelns, insbesondere der obersten Managementebene transportiert werden. Interne Werte und Normen werden nur lebbar, wenn Führungskräfte mit gutem Beispiel voran gehen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, geeignete Führungskräfte im Unternehmen zu identifizieren, die die passenden Werte und Einstellungen haben, um diese entsprechend fördern zu können. Der dadurch entstehende Top-Down-Ansatz trägt maßgeblich zum Erfolg der digitalen Transformation im Unternehmen bei.

Als operatives Steuerungselement soll dabei eine unternehmenseigene Digitalethik dienen. Dabei geht es weniger um formulierte Richtlinien und Verhaltenskodizes, sondern um die Etablierung einer Transparenz-, Kommunikations-, und Fehlerkultur. Natürlich sollen Mitarbeiter nicht dazu ermutigt werden Gesetzesverstöße zu begehen, eher sich in einem gesteckten rechtlichen Rahmen frei und kreativ bewegen zu können. Ein entsprechendes digitales und agiles Mindset ist dafür notwendig. In Verbindung mit transparenten Strukturen und einer offenen Kommunikation im Unternehmen wird so sichergestellt, dass sich die Transformation in einem verantwortungsvollen Rahmen bewegt, trotzdem aber dynamisch genug bleibt, um Innovationen möglich zu machen.

Schlussendlich lässt sich sagen, dass wir weniger Daten als Menschen schützen müssen. Im Kern sollte immer die Fragen stehen: Welche Daten sind notwendig und wie kann die entwickelte Technologie einen gesellschaftlichen Nutzen bringen? Datensparsamkeit bedeutet, dass wir natürlich so viele Daten wie möglich erheben, aber nur so wenig wie nötig und dabei immer die gesetzlichen und moralischen Grenzen im Blick haben. Nur wenn diese Bedingungen eingehalten werden, kann der digitale Transformationsprozess gelingen. Compliance bietet hierfür das passende Werkzeug, um sowohl zu kontrollieren als auch zu fördern.

 

 

Initiator des Nachhaltigkeitsnetzwerks Sustainable Management Circle und Lehrbeauftragter an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt

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