Humane Digitalisierung – was wie ein Paradoxon klingt, ist eine zwingende Notwendigkeit, aber auch machbares Versprechen. Es ist an der Zeit, die gesamte Digitalisierungsdiskussion aus dem rein technischen Bereich heraus und in die Gesellschaft hinein zu bringen. Zu groß ist nämlich die Verunsicherung, die mit der digitalen Transformation einhergeht. Dabei stehen wir erst am Anfang, was künstliche Intelligenz, Virtual und Augmented Reality oder Cyberphysische Systeme uns noch bringen werden, können wir nur erahnen. Umso wichtiger ist es, den Menschen konsequent in den Mittelpunkt zu stellen.
Digitalisierung human gestalten – Personalmanagement 4.0 gefragt
Es geht nicht mehr nur um die Erleichterung alltäglicher Arbeiten, die iPhone, Google und die vielen kleinen digitalen Helfer leisten: Die Digitalisierung wurde auch von den Konsumenten angetrieben, holt sie nun aber vor allem in der Arbeitswelt ein. Umso wichtiger ist es, dass Unternehmen sich ihrer Verantwortung stellen und tragfähige Strategien entwickeln, die sich nicht darauf beschränken, die im Zuge der Automatisierung überschüssig werdenden Arbeitsplätze einfach abzubauen. Es geht vielmehr darum, die Digitalisierung dazu einzusetzen, die Sicherheit der Mitarbeiter zu verbessern, als Unternehmen Anerkennung zu erringen und auch ein Gefühl von Zusammengehörigkeit und Geborgenheit zu fördern. Angesichts der Tatsache, dass bisher Unmögliches jetzt möglich wird, darf die digitale Transformation nicht zur kalten Rationalisierung verkommen.
Technische Begeisterung kann also nur ein Aspekt sein, letztendlich sollten die technologischen Segnungen doch zum Wohle der Menschen eingesetzt werden – was leider in die aktuellen Diskussionen regelmäßig zu kurz kommt. Selbstredend wird es enorme Spannungsfelder geben, die Unterschiede zwischen den bisherigen Arbeitsplätzen in den traditionellen Strukturen und den Möglichkeiten, aber auch Anforderungen der Digitalisierung sind ganz einfach zu groß: Tiefe Hierarchien können weder schnell genug auf die dynamischen Prozesse reagieren, noch fördern sie das Innovationspotenzial des Unternehmens selbst. Davon abgesehen, dass die Generationen Y und Z ohnehin ganz anders aufgewachsen sind und an diesem Korsett scheitern werden. Dem Personalmanagement wird also eine entscheidende Rolle im Digitalisierungsprozess zukommen, denn die Mitarbeiter sind nicht nur auf den verschiedenen Ebenen abzuholen, sondern auch umsichtig zu begleiten und zu entwickeln, soll das Vorhaben gelingen.
Agile und sich selbst organisierende Führungsstrukturen sind ebenso gefragt wie Netzwerkstrukturen, um Mitarbeiter dazu zu motivieren, sich selbst einzubringen und ihre digitalen Fähigkeiten zu verbessern. Eine starre Struktur mit unflexiblen Stellenbeschreibungen hindert die Belegschaft daran, ihre Rolle im Digitalisierungsprozess zu übernehmen: nämlich die Hauptrolle. Ein hochwertiges Technology Lab bringt relativ wenig, wird die Veränderungsbereitschaft an sich nicht zur Teil der Unternehmenskultur. Und es gibt doch durchaus positive Bilder, die sich zur künftigen Arbeitswelt zeichnen lassen: Lästige, stereotype und körperlich anstrengende Arbeiten fallen weg, es eröffnet sich mehr Raum für Kreativität und natürlich vollkommen neue Berufsbilder – das Leben der Menschen lässt sich also verbessern, wird die Digitalisierung gezielt gelenkt.
HR 4.0: Belegschaft individuell abholen und umfassend vorbereiten
Jede größere technische Veränderung ging mit Widerstand einher, der dem Grunde nach durch Ängste und Sorgen verursacht wurde: Menschen hatten Angst, ihren Arbeitsplatz und damit ihre finanzielle Existenz zu verlieren – und das ist heute nicht anders. Politik und Wirtschaft müssen hier Verantwortung übernehmen, die Voraussetzungen für die notwendigen Qualifizierungen schaffen und der Digitalisierung gewissermaßen Zügel anlegen: Sie soll mit und für den Menschen wirken. Unternehmen sind gefordert, ihre Mitarbeiter konsequent auf die kommenden Veränderungen vorzubereiten, aber auch klar aufzuzeigen, wo die Vorteile der digitalen Transformation liegen.
Das können neue Arbeitsmodelle sein, die der Belegschaft mehr Flexibilität und Eigenverantwortung übertragen, aber auch ein Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM), das die sich verändernden Beanspruchungen effektiv auffängt. Überwiegen nämlich die Bürotätigkeiten, macht diese körperlich einseitige und bevorzugt psychische Belastung sich auch gesundheitlich bemerkbar. Hier gilt es, neben gezielten gesundheitsfördernden Maßnahmen mit einem nachhaltigen Kommunikationsmanagement entgegenzuwirken. Dazu bedarf es einerseits der wichtigen Medienkompetenzen, andererseits aber auch einer strikten Regulierung der Informationsflut, die mit der Nutzung digitaler Kommunikations- und Informationswege ausgelöst wurde.
Wirtschaft und Politik sollten also die richtigen Fragen stellen, um den Menschen in den Mittelpunkt der Digitalisierung zu rücken. In den Unternehmen selbst entscheidet das Management darüber, ob und inwieweit das Potenzial ausgeschöpft werden kann: sowohl in Bezug auf die Produktivität als auch auf den allgemeinen Wohlstand. Individualisierte Programme zur Weiterbildung, klare Kommunikation, weniger Regulatorik und die Konzentration auf menschliche Interaktion könnten vieles bewirken, wozu Maschinen gar nicht in der Lage sind. Die Prioritäten müssen also konsequent gesetzt werden: Digitalisierung um ihrer selbst willen kann keine Zukunft haben, das Maß der Dinge sollte der Mensch bleiben.
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