Home oder Office? Balanceakt zwischen Präsenz und Flexibilität
Herr Cossu, wie werden sich die Arbeitswelt und das Büro in Zukunft entwickeln?
Ivan Cossu: „Die Arbeitswelt der Zukunft ist hybrid und verbindet flexible Anwesenheit im Büro und Remote-Arbeit miteinander. Laut unserer aktuellen Umfrage arbeiten derzeit fast zwei Drittel (64 Prozent) der deutschen Büroangestellten hybrid, und wir erwarten, dass dieser Anteil bis 2030 auf 90 Prozent steigen wird. Damit wird dieser Trend die Gestaltung von Büros maßgeblich beeinflussen. Sie werden zunehmend flexibel und anpassungsfähig sein, mit offenen Bereichen für Teamarbeit und ruhigen Zonen für konzentriertes Arbeiten. Möbel und Räume werden modular gestaltet, um sie den sich schnell ändernden Bedürfnissen der Mitarbeitenden anpassen zu können.“
„Die technologische Integration wird ebenfalls eine zentrale Rolle spielen. Remote-Technologien werden immer wichtiger, sodass Mitarbeitende nahtlos zwischen Büro und Homeoffice wechseln können. Denn auch wenn Remote-Arbeit zunimmt, bleibt die Notwendigkeit für Kollaboration bestehen. Daher werden Büros zunehmend als Orte für kreative Zusammenarbeit und soziale Interaktion gestaltet, weniger als reine Arbeitsplätze. Maßgeschneiderte Lösungen wie Desk Sharing sind daher ein Muss. Insgesamt wird die Zukunft des Büros von den Bedürfnissen und dem Wohlbefinden der Mitarbeitenden geprägt sein.“
Sind die Unternehmen auf solche Veränderungen vorbereitet?
Ivan Cossu: „Leider sind viele Unternehmen noch immer nicht optimal auf hybride Arbeitsmodelle eingestellt. Ohne klare Richtlinien und Koordination kann das zu einer fragmentierten Unternehmenskultur und geringerer Mitarbeiterzufriedenheit führen. Die Mitarbeitenden sehen dann keinen Mehrwert in der Arbeit im Office und entscheiden sich lieber für die Flexibilität des Homeoffice. Das Phänomen, dass viele aus diesem Grund nicht ins Büro zurückkehren möchten, obwohl dies die Teamverbindung stärken könnte, bezeichnen wir als Hybrid Work Paradox. Um es zu lösen, müssen wir die Herangehensweise an Hybridarbeit überdenken. Klare Richtlinien und eine strukturierte Planung sind essenziell. Dazu gehört, gemeinsame Teamtage festzulegen, an denen die Kolleg:innen im Büro sind, um die Zusammenarbeit und den Teamgeist zu stärken. Ebenso wichtig sind digitale Tools zur Koordination und Kommunikation, um eine nahtlose Zusammenarbeit zwischen Büro und Homeoffice zu gewährleisten. Laut unserer Erhebung kann die richtige digitale Koordination die Produktivität um bis zu 20 Prozent steigern und gleichzeitig die Zufriedenheit im Team erhöhen. Im optimalen Fall arbeitet die Belegschaft im koordinierten hybriden Setting dabei zwei bis drei Tage pro Woche im Büro.“
Die richtige Koordination ist also der Schlüssel, um die Arbeit im Büro attraktiv zu machen?
Ivan Cossu: „Absolut! In vielen Unternehmen mit hybriden Arbeitsmodellen mangelt es nach wie vor an der richtigen Koordination. Das bremst zum einen die Produktivität und Zufriedenheit der Teammitglieder aus, wenn sie den Weg ins Büro auf sich nehmen und kaum Kolleg:innen vor Ort sind. Zum anderen kann fehlende Abstimmung hohe Kosten verursachen. Das ist etwa der Fall, wenn Räume ungenutzt leerstehen. Digitale Tools für das Arbeitsplatzmanagement bieten in beiden Fällen eine Lösung: Mitarbeitende können auf einen Blick sehen, wer wann von wo aus arbeitet, ihren Arbeitsplatz buchen und sich untereinander abstimmen. Unsere Erhebung zeigt, dass 62 Prozent der Mitarbeitenden sich in einem koordinierten hybriden Modell stärker engagiert und dem Team verbunden fühlen, was auch zu niedrigeren Fluktuationsraten führt. Zudem lassen sich auf Basis der Buchungsdaten Rückschlüsse ziehen, welche Bereiche wann wie stark genutzt werden. Bestimmte Abschnitte des Büros lassen sich durch solche Analysen an ruhigeren Tagen schließen oder mittelfristig umfunktionieren, um effizienter mit den Ressourcen umzugehen.“
Mit diesem Hintergrundwissen: Wie und wo arbeiten die Hybrid Worker am liebsten?
Ivan Cossu: „Laut unserem aktuellen Desk Sharing Index Germany arbeiten deutsche Angestellte im Durchschnitt an zwei bis drei Tagen pro Woche im Büro. Besonders beliebte Tage sind dabei der Mittwoch, an dem die Büropräsenz im Schnitt 68 Prozent beträgt, gefolgt von Dienstag mit 67 Prozent und Donnerstag mit 66,5 Prozent. Am Freitag hingegen liegt die Auslastung bei nur 46 Prozent. Unsere Daten zeigen zudem, dass in Leipzig mit 71 Prozent Auslastung, Köln mit 70 Prozent und Stuttgart mit 66 Prozent die Büroarbeit besonders hoch im Kurs steht. Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass Büroflächen weiterhin wichtig sind. Es braucht aber moderne und individuelle Konzepte, um Produktivität sowie Mitarbeiterzufriedenheit zu erreichen und Flächen effizient zu nutzen.“
Was können Unternehmen konkret tun, damit die Mitarbeitenden gerne ins Büro kommen?
Ivan Cossu: „Mitarbeitende wünschen sich klare Anreize, um ins Büro zu kommen. Regelmäßige Teambuilding-Aktivitäten und Veranstaltungen im Office reduzieren nach Angaben der Befragten unserer aktuellen Erhebung ihr Gefühl der Isolation. Eine gute Ausstattung der Arbeitsplätze und Bereiche für den Austausch sind ebenfalls wichtig, damit das Büro als Ergänzung zum Homeoffice den sozialen Austausch fördert. Nicht zuletzt machen auch Incentives wie Vergünstigungen im öffentlichen Nahverkehr oder Kinderbetreuung das Unternehmen und die Arbeit vor Ort attraktiver.“
„Führungskräfte sollten zudem eine vertrauensvolle Kultur fördern. Ein personenzentrierter Ansatz, der die Bedürfnisse der Mitarbeitenden berücksichtigt, ist entscheidend – besonders in hybriden Arbeitsumgebungen. Darüber hinaus ist es wichtig, regelmäßig Feedback einzuholen und eine offene Kommunikation zu fördern, um die Bedürfnisse und Anliegen der Mitarbeitenden zu verstehen und darauf eingehen zu können. Damit fördern Führungskräfte zusätzlich eine Unternehmenskultur, in der alle Mitarbeitenden unabhängig ihres Arbeitsortes gleich behandelt und eingebunden werden.“
„Unser Desk Sharing Index Germany zeigt zwar, was die Arbeitnehmenden in Deutschland bevorzugen. Letztendlich ist aber jedes Team individuell und es ist Aufgabe der Führungskraft herauszufinden, was die Mitarbeitenden und das Unternehmen voranbringt.“
Wie schafft man es, dass sich auch Newcomer mit Hybridarbeit wohlfühlen?
Ivan Cossu: „Für neue Teammitglieder sind eine offene Kultur und ein aktiver Austausch in hybriden Unternehmen besonders wichtig. Sie erleben die Gepflogenheiten, Strukturen und Prozesse nicht „nebenbei”, wenn sie immer nur ausgewählte Kolleg:innen im Büro antreffen. Deshalb sollten Teams und Führungskräfte die Newcomer direkt von Beginn an besonders einbeziehen. Dies beginnt mit einem strukturierten Onboarding-Prozess, der sowohl die technischen als auch die sozialen Aspekte des neuen Arbeitsumfeldes berücksichtigt. Mentor:innen oder „Buddies“ können eine Schlüsselrolle spielen, indem sie den Neuen als direkte Ansprechpartner:innen zur Verfügung stehen und ihnen helfen, sich schneller im Team zurechtzufinden. Führungskräfte sollten zudem bewusst darauf achten, neue Kolleg:innen in Diskussionen einzubeziehen und ihre Beiträge zu würdigen, damit sie sich von Beginn an als Teil des Teams fühlen. Digitale Tools erleichtern zusätzlich die Zusammenarbeit und den Austausch im hybriden Alltag. Damit helfen sie den Newcomern, trotz der physischen Distanz ein Zugehörigkeitsgefühl zu entwickeln. Insgesamt braucht es also eine Mischung aus Struktur, persönlicher Betreuung und digitaler Vernetzung, damit sich neue wie langjährige Teamies in hybriden Arbeitsmodellen wohlfühlen.“
Um einen Kommentar zu hinterlassen müssen sie Autor sein, oder mit Ihrem LinkedIn Account eingeloggt sein.