Die Digitalisierung soll Städte für alle lebenswerter, ökologisch verträglicher und wirtschaftlich erfolgreicher machen. Immer mehr Kommunen beschäftigen sich daher mit Smart-City-Projekten, die in Umfang und Anspruch jedoch höchst unterschiedlich ausgelegt sind. In Deutschland gelten die Städte Köln, München, Hamburg und Dresden als digitale Vorreiter. Im Rahmen der EU-Projektförderung wurden sie mit dem Titel „Lighthouse City“ ausgezeichnet.
Theorie und Praxis
Theoretische Abhandlungen über die Smart City und Prognosen zu ihrer glänzenden Zukunft füllen viele Regalmeter, empirische Studien zu aktuellen Projekten dagegen sind Mangelware. Dabei wäre es enorm wichtig, aussagekräftige Wirkungsanalysen zu haben, aus denen Optimierungspotenziale als Handlungsanweisungen für die Zukunft abgeleitet werden können. Ansätze dazu liefert jetzt eine Studie des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR), die auch die Projekte der „Lighthouse Cities“ unter die Lupe genommen hat. Die Untersuchung verfolgt das Ziel, bislang unzureichend erforschte Methoden zum Monitoring und zur Evaluation der Wirkungen von Smart-City-Projekten zu erfassen und zu systematisieren. Die Ergebnisse der dazu herangezogenen Fallstudien sind allerdings eher ernüchternd. Demnach sind selbst die von der EU geförderten Leuchtturmstädte noch in einem relativ frühen Stadium auf dem Weg zu einer Smart City, denn über die Phase eines „Proof of concept“ sind diese Projekte bislang noch nicht hinausgediehen. Key Performance Indikatoren (KPI) und standardisierte Messgrößen zum Nachweis der Wirksamkeit urbaner Digitalisierung sind zudem kaum vorhanden. Theoretisch wie praktisch besteht daher dringender Handlungsbedarf.
Digital mobil
Zu den wichtigsten innerstädtischen Aufgaben, die ohne Digitalisierung nicht zu bewältigen sein werden, gehört das Thema Mobilität. Durchschnittlich stehen wir in den Innenstädten rund 40 Stunden pro Jahr im Stau. Beim „Spitzenreiter“ München sind es sogar 79 Stunden. Die dadurch verursachten Produktivitätsverluste, die erhöhten Transportkosten und die Kraftstoffvergeudung summierten sich 2019 zu direkten und indirekten volkswirtschaftlichen Kosten in Höhe von rund 80 Milliarden Euro. Dazu kommen die Sach- und Personenschäden, die sich 2020 auf 32 Milliarden Euro beliefen. Ganz zu schweigen von den Klimafolgen: Die Grenzwerte der EU-Luftqualitätsrichtlinie 2008/50/EG für Schadstoffemissionen in den Städten ist 2015 nochmal verschärft worden. Eine Studie des Branchenverbands Bitkom schätzt, dass allein durch digitale Mobilitätskonzepte der Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 um circa 25 Millionen Tonnen gesenkt werden kann. Abgesehen von der Reduzierung der volkswirtschaftlichen Schäden führen smarte Verkehrslösungen auch zu deutlich weniger Belastungen durch Lärm, Schmutz und Stau für die Anwohner, wenn beispielsweise Autofahrer dank Echtzeit-Verkehrsführung nicht mehr bis zu 30 Minuten nach einem Parkplatz suchen müssen. Das Beispiel Mobilität zeigt plakativ und nachvollziehbar, wie dringend wir digitale Konzepte für viele Facetten des Lebens in städtischen Räumen erarbeiten und umsetzen müssen: Damit lässt sich die urbane Funktionalität weiterentwickeln und gleichzeitig die Lebensqualität der Stadtbewohner verbessern.
Raus aus den verstreuten Silos …
Eines der größten Hindernisse bei bisherigen Smart-City- Projekten ist der technologische „Silo“-Ansatz. Stadtentwickler, Wasserwirtschaftsamt, Abfallwirtschaftsamt oder Grünflächenamt verfolgen mit ihren spezifischen Anforderungen dabei jeweils ganz eigene Digitalisierungs-Projekte. Das ist weder sinnvoll noch kosteneffizient oder nachhaltig. Die damit verbundenen Aufwände sind schlichtweg zu hoch, die Skalierbarkeit zu gering und die Interoperabilität zwischen den singulären Lösungen bestenfalls lückenhaft. Zudem erweisen sich viele dieser kleinen, vermeintlich kostengünstigen Lösungen mittel- und langfristig als viel zu teuer, weil sie nicht mit standardisierten, leicht zu ergänzenden und zu ersetzenden Komponenten arbeiten. Hinzu kommen die Sicherheitsrisiken solcher Silos. Das unterschiedliche Security-Niveau lädt zur Suche nach Schwachstellen geradezu ein. Sie sind willkommene Einfallstore für Cyber-Attacken aller Art. Angesichts der Tatsache, dass viele urbane Services wie etwa die Energie- und Wasserversorgung zu den kritischen Infrastrukturen gehören, ist das keine akzeptable Lösung.
… rein in sichere lokale Plattformen
Kostengünstiger, sicherer, interoperabler, skalierbarer und mit geringerem Aufwand zu administrieren, sind Smart-City-Lösungen, die auf standardisierten Plattformen aufsetzen. Solche Plattformen integrieren die Hardware, das Plattform-Management und spezifische Lösungen für typische Anwendungsfälle. Basis der neuen Infrastruktur sind virtualisierte lokale Rechenzentren für eine offene digitale Datenplattform (ODP). Sie ermöglicht es, kommunale Daten strukturiert abzurufen, sicher zu teilen und für konkrete Digitalisierungsszenarien zu nutzen. Die beiden ersten darauf aufsetzenden Anwendungen ermöglichen die intelligente Mobilitäts- und Verkehrssteuerung sowie flächendeckende Luftqualitätsmessungen.
Mit solchen Lösungen lassen sich die dringend benötigten Smart-City-Anwendungen schneller, effizienter und sicherer umsetzen. Wie die BBSR-Studie zeigt, haben die aktuellen Projekte häufig noch den Charakter abgegrenzter Reallabore, in denen die Umsetzung digitaler Technologien und innovativer Ansätze in der Stadtentwicklung erprobt wird. Um die Probleme und Herausforderungen, vor denen die Städte stehen, zu lösen, müssen daraus rasch breit verfügbare Angebote werden. Die dafür notwendige Technologie ist bereits vorhanden und einsetzbar.
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