Ein Chief Financial Officer hat heute diverse Hüte auf – und nicht alle haben nur mit reinem Zahlenwerk zu tun
Shops, die zuvor keine Online-Präsenz hatten, müssen den E-Commerce ankurbeln. Restaurants werden fast über Nacht zu Lieferdiensten, Büro findet nur mehr in der virtuellen Welt statt: Der Wandel hat ein ungeahntes Tempo angenommen und viele Organisationen müssen sich transformieren, um in der neuen Realität zu überleben.
Diese Verwerfungen haben sich enorm auf Umsatz, Kosten und Rentabilität ausgewirkt, aber eines hat sich bei all der Umgestaltung nicht geändert: Unternehmen müssen nach wie vor planen und bei allen Geschäften den Nutzen gegen die Risiken abwägen.
Seitdem Menschen Handel betreiben, sind sie darum bestrebt, Risiken zu minimieren. Manchen Unternehmen wird nachgesagt, sie seien zu vorsichtig. Aber die Covid-Pandemie, die rasante Digitalisierung, die Zunahme von Start-ups und die Nachfrage nach einem Omnichannel-Vertrieb und -Service ließen ihnen kaum eine andere Wahl, als in Veränderungen zu investieren. Doch eine Aufgabe bleibt: Risiken und Nutzen gegeneinander abzuwägen.
Taucht nun in einem Finanzbericht eine negative Abweichung auf, ein Problem oder Risiko, gilt es zu handeln. Denn bei zögerlichem Verhalten wird das Risiko nur immer größer. Unternehmen versuchen also, die Ursachen anzugehen und Probleme durch besseres Kostenmanagement oder andere Maßnahmen zu beheben. So ziemlich jede Finanzabteilung nimmt diese defensive, reaktive Haltung ein.
Chancen erkennen und Risiken abwägen
Dabei hat der CFO von heute jedoch auch Chancen, die im proaktiven Streben nach positiven Veränderungen liegen. Einem CFO müssen die kausalen Zusammenhänge klar sein: Ist der Aufwärtstrend das Resultat eines neuen Produkts, eines Dienstleistungsangebots oder einer anderen Investition? Lohnt es sich, weiter zu investieren?
Gleichzeitig muss die alte Weisheit „Wagnis wird belohnt“ neu überdacht werden. Die Investition in Geschäftsbereiche oder Produkte sollte nicht an Glücksspiel erinnern. Die Grundlage für die Übernahme dieses „Wagnis“ bildet daher in der Regel die Modellierung. Hier helfen neue Technologien, denn mit modernen Tools und Dashboards, die integrierte Kontrollen und granulare What-if-Analysen bieten, können CFOs umfangreiche, datengestützte Strategien entwickeln. Das ist besonders wichtig, wenn die Zukunft genauso unberechenbar erscheint wie das Hier und Jetzt.
Gute CFOs werden dabei zum Autor der Unternehmensgeschichte, zum Storyteller. Denn sie müssen ihren Kolleginnen und Kollegen, die mit Finanzen nur wenig zu tun haben, ihre Pläne auf überzeugende und verständliche Weise vermitteln. Es gilt, die Daten und Fakten regelrecht zu einer Geschichten zu verarbeiten. Diese Story ist keineswegs ein Fantasieprodukt, sondern sie wird mit allen wichtigen Details zur Budgetausnutzung und -erstellung, mit Forecasts und Finanzkontrollen untermauert. Dann kann sie dynamisch mit den tatsächlichen Ergebnissen verglichen werden.
CFOs treten dabei als vertrauenswürdige und kenntnisreiche Stimme der Vernunft auf. Selbstbewusst sprechen sie eine Sprache, die alle Kolleginnen und Kollegen verstehen, das heißt auch jene, die nicht aus dem Finanzbereich stammen. (Die International Business Communication Standards (IBCS) sind dabei eine praktische Vorlage zur Gestaltung der Geschäftskommunikation).
Trends aufspüren
Eine Produktreihe, eine Region oder ein Vertriebsteam mögen sich gerade durch exzellente Performance auszeichnen. Oder vielleicht sind die Beratungsdienste auf dem Vormarsch. Erkennt ein guter CFO solche Rising Stars frühzeitig, stehen die Chancen gut, dass er dieses Wissen nutzen und den Betrieb erfolgreich ausbauen kann.
Weniger offensichtliche Datenquellen können auch eine Rolle spielen. Supermärkte beispielsweise wissen aus Erfahrung: Scheidet die Nationalmannschaft frühzeitig aus der WM aus oder wird der Sommer vom schlechten Wetter geprägt, dann gehen die Bier- und Snackverkäufe in den Keller. Empfiehlt ein TV-Koch ein bestimmtes Küchenutensil, schießt die Nachfrage nach diesem Produkt in die Höhe. Es ist also nur angemessen, neben den offensichtlichen Vertriebsdaten auch intern wie extern relevante Ereignisse zu berücksichtigen.
Ein solides Fundament
Investitionspläne müssen in dem sorgfältigen Verständnis von Gewinn und Verlust, Bilanzen und Cashflow verwurzelt sein. Dabei müssen Unternehmen stets nicht nur die bekannten, sondern auch die neuen Treiber ihrer Geschäfte kennen. Ein führendes europäisches Einzelhandelsunternehmen ist hier ein gutes Beispiel. Für eine solide Planung müssen die Storemanager drei Faktoren kennen: Verkaufszahlen, Personalkosten und die geleisteten Stunden. Ohne diese Grundlage lässt sich die Gratwanderung zwischen Personalbedarf und Nachfrage nicht bewerkstelligen, was entweder zu verpassten Verkaufschancen oder zu hohen Personalkosten führt.
Diese Zusammenhänge konkret zu analysieren erfordert jedoch einige mathematische Kenntnisse. Haben Manager dabei Zugang zu Tools, die ihnen einen Überblick darüber liefern, wie viele Mitarbeiter wann gebraucht werden, müssen sie nicht raten und können fundierte Entscheidungen treffen, was wiederum ihre Arbeit enorm erleichtert.
Mehrwert schaffen mit Technologie
Hier kommen die neuen Technologien ins Spiel: Künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen können viele Abläufe und Aufgaben automatisieren sowie Chancen und auch Risiken frühzeitig erfassen. KI-Experten sind jedoch in den wenigsten Unternehmen zu finden. Dennoch sollten Organisationen ihr Wissen auf diesem Gebiet ausbauen.
Viele Buchhalter und Controller sind besorgt, dass die Technologie Aufgaben übernehmen könnte, für die früher das Finanzteam zuständig war. Richtig ist: KI wird zwar Vorschläge machen, aber auch in Zukunft werden Menschen für die Kontrollen und Genehmigungen verantwortlich sein und das Ergebnis bestimmen.
Tatsächlich bietet KI Finanzteams die einmalige Gelegenheit, sich auf die strategische Seite ihrer Rolle zu konzentrieren und somit Mehrwert zu schaffen. Die Technologie verschafft Finanzexperten die Zeit, wertvolle Erkenntnisse und wichtige Daten auf verständliche Weise zu vermitteln. KI ist also nicht der Feind, sondern ein Helfer, der Mitarbeitenden die alltäglichen und lästigen Aufgaben abnimmt.
Auf Geschäftskonferenzen fällt heute oft der Begriff „Fail Fast“. Er beschreibt vor allem Erfahrungen aus dem Silicon Valley: Unternehmen werden durch technologischen Wandel und die Chance, sich als Spitzenreiter zu etablieren, dazu verlockt, bahnbrechende Projekte anzugehen, von denen die meisten jedoch scheitern.
Solche „Moonshots“ können sich in der Regel nur Giganten wie die Google-Mutter Alphabet oder Amazon erlauben. Gleichzeitig gilt: Wir alle jedoch können Strategien entwickeln und implementieren, die unsere Erfolgschancen steigern und zugleich die Risiken minimieren. Der CFO von heute steht dabei am Steuer: Als Storyteller und aufmerksamer Hüter des Zahlenwerks.
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