Sicher in digitalen Ketten

Von   Reinhard Clemens   |  Vorstandsmitglied   |  Deutsche Telekom AG
18. Juli 2017

Was kann Blockchain außer Krypto-Währungen eigentlich noch? Zum Beispiel beim Autokauf: Sie konfigurieren sich ihr Wunschfahrzeug im Internet und fordern ein Angebot an. Ein Vertragshändler meldet sich, nennt Ihnen Preis und als vagen Liefertermin: Herbst. Sie kommen ins Geschäft. So weit, so halbdigital. Jetzt heißt es hoffen und bangen, dass Ihr Auto schnell fertig wird, mit all den Extras, die Sie sich gewünscht haben.
Wie würde es Ihnen gefallen, wenn Sie auf den Händler gar nicht mehr angewiesen wären, der Liefertermin tagesaktuell bis zur Uhrzeit genau stimmt und Sie sich ganz sicher sein könnten, dass statt „Stoff blau gemustert“ nicht „Sportsitz Leder anthrazit“  geliefert wird?

In einer volldigitalisierten Lieferkette ist das möglich. Jeder Schritt digital erfasst, jede Aktion von jeglichen Zulieferern und Subunternehmern, jede Produktionsphase im Werk festgehalten. Im Internet der Dinge und einer Industriewelt 4.0 passiert das künftig automatisch mit der Blockchain-Technologie. Jede Transaktion hinterlässt ihren digitalen Fußabdruck und ist damit transparent, sicher und für jeden nachvollziehbar. So wie man es für elektronische Währungssysteme, aber auch für dutzende kommender Anwendungsideen braucht.

Alles, was in der Blockchain gespeichert wird, ist auf Ewigkeit dort festgehalten. Das kann man sich vereinfacht wie Google Docs vorstellen: Jeder kann die Inhalte einer Blockchain ansehen und etwas hinzufügen, aber nichts verändern, was bereits vorhanden ist. Wie geht das?

Die Blockchain wird als Datenbank nicht zentral in einem Rechenzentrum gespeichert, sondern liegt verteilt bei ihren Nutzern. Alle Daten befinden sich in Knotenpunkten, den sogenannten Nodes – einen Node kann praktisch jeder eröffnen. Jeder Knoten enthält dieselben Daten, ist ein Duplikat des anderen. Die Datenbank setzt sich aus einer Liste verketteter Blöcke zusammen. Die einzelnen Blöcke sind kryptographisch sicher mit ihren Vorgängern und Nachfolgern verbunden. Bei jedem Start bringen sich die Nodes auf den neuesten Stand. Dabei prüfen sie, ob sie zum Einen selbst über eine korrekte Kopie verfügen und zum Anderen denselben Informationsstand wie die anderen Nodes haben.

Kommt ein neuer Block hinzu, wird dieser stets auf Korrektheit geprüft und bei passendem Synchronisationsstand in die eigene Kopie eingefügt. So wächst die Kette immer weiter. Volldigitalisierte Prozesse werden somit unangreifbar. Nichts passiert, was nicht passieren darf. Ohne das Zutun Dritter tauschen auf diese Weise beispielsweise Maschinen im Produktionsprozess 4.0 ihre Daten aus.

Digitales Wertesystem für Maschinen

Nicht wenige Bürger machen sich dabei Gedanken um Kontrollverlust, weil der Prozess ohne menschliches Tun und Mittler auskommt. Die Digitale Welt wird dann schnell zum Mysterium erklärt und gefürchtet. Aber vergessen wir nicht: Wir erschaffen diese Maschinen. Wir programmieren sie, statten sie mit der Fähigkeit aus, selbstorganisiert und verhandlungsfähig miteinander zu interagieren. Und genauso können wir ihnen mit der Blockchain-Technologie einen definierten unveränderbaren, nachvollziehbaren Handlungsspielraum geben und damit auch viele Ängste vor dem Digitalen abbauen. Über die Zeit könnte daraus sogar ein digitales Wertesystem aus akzeptierten Normen entstehen, dem Maschinen folgen müssen.

Dies ist denkbar, wenn wir die manipulationssichere Speicherfunktion der Blockchain mit ausführbarem Programmcode verknüpfen. So erhalten wir „Smart Contracts“, die festlegen, welche Bedingungen zu welcher Entscheidung oder Aktion führen. Die Blockchain alleine verfügt über keine Wenn-Dann-Funktion, sie kann nur dokumentieren. Aber Smart Contracts können das, und wenn sie ebenfalls auf der Blockchain programmiert sind, ist der Handlungsspielraum für Machine-to-Machine-Kommunikation definiert. Die Vorstellung, dass so vielleicht auch die Aktionen von zukünftigen „AI-Persönlichkeiten“ mit künstlicher Intelligenz dokumentiert und geordnet werden könnten, beruhigt mich.

Vertrauen ist digitalisierbar

Als „Baustein der nächsten Digitalisierungswelle“, so der Digitalverband Bitkom in seinem Positionspapier zur Bundestagswahl 2017, steckt also großes Entwicklungspotenzial in Blockchain. Viele offene Fragen der Digitalisierung finden hier eine Antwort. Blockchain agiert als Verbindungstechnologie ohne zentrale Elemente oder Mittler. Das verändert Geschäftsmodelle und Produkte radikal und nachhaltig. Durch direkte Transaktionen können verifizierte, vertrauenswürdige Informationen mit eindeutiger Identität sicher und für jeden nachvollziehbar übermittelt werden. Damit ist Vertrauen zwischen Transaktionspartnern digitalisiert, das ist ein wichtiges Stück Digitaler Verantwortung. Im Bitkom-Papier heisst es: „Ein bedeutender Teil der Blockchain-Vordenker sitzt in Deutschland“. Als Telekom-Mitarbeiter und Digitalisierungsoptimist freue ich mich, dass Europa seine Chancen nutzt.

Reinhard Clemens, Vorstand der Deutschen Telekom AG, ist verantwortlich für den Vorstandsbereich T-Systems und Chief Executive Officer (CEO) von T-Systems. Seit 1. Januar 2012 verantwortet Reinhard Clemens auch alle IT-Aktivitäten des Konzerns.Clemens studierte Elektrotechnik an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule in Aachen, wo er auch als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Werkzeugmaschinen tätig war.

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