Sehen und Verstehen – effizientere Prozesse durch Computer Vision

Egal ob bei der Qualitätskontrolle von Güterwaggons, der Lokalisierung von Warenpaletten oder der Überwachung von ganzen Produktionsprozessen – die KI-gestützte industrielle Bildverarbeitung, auch Computer Vision (CV) genannt, hat das Potenzial, Unternehmen aus den verschiedensten Branchen einen erheblichen Mehrwert zu bieten. Doch wie genau funktioniert die Technologie überhaupt, wie lässt sich CV in der Praxis einsetzen und welche Herausforderungen bringt die KI-Technologie mit sich?
Von   Martin Wunderwald   |  Portfolio Lead AI & Cognitive Services   |  Telekom MMS
9. Oktober 2024

Intelligente Bildverarbeitung mit Potenzial

 

Um das Potenzial von Computer Vision (CV) zu erkennen, ist es wichtig zu begreifen, inwiefern sich die Technologie von der menschlichen Fähigkeit unterscheidet, Prozesse zu sehen und zu erfassen. CV ist ein Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI), der es Computern ermöglicht, visuelle Informationen aus Bildern und Videos zu erkennen, zu analysieren und zu interpretieren. Durch den Einsatz von maschinellem Lernen (ML) werden so digitale Systeme entwickelt, die visuelle Daten in menschenähnlicher Weise verarbeiten und verstehen.

Dabei simuliert die Technologie die Funktionsweise des menschlichen Gehirns, indem sie Objekte identifiziert, Muster erkennt und analysiert. Dafür kommen spezielle Algorithmen zum Einsatz. Um ein System auf die Erkennung eines bestimmten Objekts zu trainieren, wird die KI mit einer großen Menge von Bildern dieses Objekts gefüttert. Während des Trainings lernt das Modell, verschiedene Merkmale und Muster wie Formen, Texturen und Farben zu identifizieren. Am Ende des Prozesses erstellt es schließlich einen Blueprint, der ihr hilft, genau zu erkennen, ob es sich bei einer bestimmten Abbildung genau um dieses Objekt handelt. Auf diese Weise lernt es, auf der Grundlage der charakteristischen Merkmale, die für ein bestimmtes Objekt zur Verfügung gestellt werden, präzise Vorhersagen zu treffen und unbekannte Bilder korrekt zu klassifizieren.

 

Chancen und Hürden bei der Implementierung von Computer Vision

 

Durch ihre Fähigkeit, visuelle Daten effizient zu verarbeiten und zu analysieren, stellt Computer Vision für Unternehmen eine große Chance dar, Arbeitsabläufe zu optimieren, Kosten zu senken und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Denn indem große Mengen visueller Daten in Echtzeit analysiert werden, lassen sich schnellere und fundiertere Entscheidungen treffen. Das ist besonders in dynamischen Marktumfeldern von großem Nutzen. Der Einsatz der KI-Technologie in Bereichen wie der automatisierte Qualitätskontrolle, der intelligenten Lagerverwaltung und der personalisierten Kundenerlebnisse ermöglicht es Unternehmen daher, ihre Prozesse effizienter zu gestalten und ihre Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig zu steigern.

Mit Herausforderungen im Bereich des Datenschutzes und der Datensicherheit birgt der Einsatz von Computer Vision aber auch Risiken. Da die Technologie oft große Mengen sensibler Informationen verarbeitet, stehen Unternehmen vor der Aufgabe, strenge Datenschutzrichtlinien einzuhalten, um das Vertrauen der Kundschaft zu wahren und rechtliche Konsequenzen zu vermeiden. Zusätzlich erfordert die Implementierung von CV erhebliche Investitionen in Hardware oder Cloud-Ressourcen, Software und Expertise. Das stellt insbesondere für kleinere Unternehmen oft eine finanzielle Hürde dar. Ein weiteres Risiko besteht darin, dass Fehler in den verwendeten Algorithmen oder in der Datenverarbeitung zu Fehlentscheidungen führen können. Dies kann dann sowohl in Bezug auf Kosten als auch auf das Unternehmensimage gravierende wirtschaftliche Folgen nach sich ziehen. Daher ist eine gründliche Validierung und kontinuierliche Überwachung der eingesetzten CV-Systeme entscheidend, um etwaige Risiken zu minimieren und die Zuverlässigkeit der Ergebnisse sicherzustellen.

 

Step by step: So gelingt die erfolgreiche Implementierung von Computer Vision

 

Um langfristig einen echten Mehrwehrt aus KI-basierten Technologien wie Computer Vision zu ziehen, gilt es für Unternehmen mehrere Schlüsselfaktoren zu beachten. So ist es unter anderem entscheidend, klar zu definieren, was durch den Einsatz von KI erreicht werden soll. Das können zum Beispiel Kosteneinsparungen, effizientere Prozesse oder auch ein verbesserter Kundenservice sein.

Auf technischer Ebene ist eine gründliche Analyse der Datenqualität unerlässlich. Da nur qualitativ hochwertige, relevante und gut organisierte Daten zu positiven Ergebnissen führen, ist es wichtig, deren digitalen Reifegrad zu bestimmen. Dies kann auch schon in kleinen Projekten geschehen. So ist es möglich, die Wirksamkeit der KI in einem überschaubaren Rahmen zu testen und potenzielle Probleme frühzeitig zu erkennen. Zudem sollten Unternehmen stets auf skalierbare KI-Lösungen setzen, damit sich diese auch an zukünftige Anforderungen anpassen lassen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die eingesetzten Systeme schnell veralten, den steigenden Anforderungen nicht mehr gerecht werden und zusätzliche Kosten für Upgrades oder Neuentwicklungen entstehen.

Um das Vertrauen von Kund*innen und Mitarbeitenden nicht zu gefährden, ist es wichtig, bei der Einführung von neuen KI-Technologien auch ethische und rechtliche Aspekte – wie den Datenschutz und die Arbeitnehmenden-Rechte – zu berücksichtigen. Erst eine transparenten Kommunikation wird die Akzeptanz und der Umgang mit der Technologie im Rahmen einer KI-freundlichen Unternehmenskultur gefördert, um einen nachhaltigen Mehrwert für das Unternehmen zu schaffen. Eine Zusammenarbeit mit Expert*innen und Dienstleistern erleichtert dabei die komplexe Planung und Umsetzung. Zudem lässt sich nach der erfolgreichen Implementierung durch anschließendes regelmäßiges Monitoring sicherstellen, dass die gesetzten Ziele tatsächlich erreicht und bei Bedarf Anpassungen vorgenommen werden.

 

Passende Anwendungsfälle für mehr Effizienz und ein optimiertes Kundenerlebnis

 

Computer Vision bietet eine Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten, die Unternehmen verschiedenster Branchen in zahlreichen Geschäftsbereichen unterstützen können – sei es im Gesundheitswesen, im Einzelhandel oder in der Fertigungs- und Automobilindustrie.

Als besonders hilfreich erweist sich Computer Vision beispielsweise für den Lebensmitteleinzelhandel. Tagtäglich bewegen Mitarbeitende im Umschlags- und Verpackungslagern tausende Paletten mit schnell verderblicher Ware, bevor diese innerhalb von 24 Stunden in den Handel gelangt. Um den Bearbeitungsablauf bei diesem hohen Durchsatz und der extrem hohen Anzahl an Paletten besser zu koordinieren, braucht es hier eine digitale Lösung, die jede Palette zu jeder Zeit verfolgen kann. Besonders gut funktioniert das mit der Implementierung von Computer Vision als optisches Waren-Trackingsystem. Dabei liest ein KI-Sensor die Etiketten fehlerfrei aus und ermöglicht so die problemlose und automatisierte Lokalisierung der Obst- und Gemüsepaletten im Lager. Zudem wird der Warenein- und -ausgangsprozess nicht unterbrochen, was eine effiziente und zuverlässige Lagerhaltung gewährleistet.

Und auch für die folgenden Anwendungsfällen setzen Unternehmen auf CV:

Fertigung:

  • Qualitätssicherung: Durch das frühzeitige Erkennen von Fehlern und Mängeln wird die Produktqualität gesteigert und der Ausschuss reduziert.
  • Prozessoptimierung: Die Erhebung und Analyse visueller Daten in Produktionsprozessen ermöglicht die Identifikation von Engpässen und die Verbesserung der Effizienz.

Transportwesen:

  • Fahrzeugerkennung: Die Erkennung und Analyse von Fahrzeugen im Straßenverkehr trägt zur Verbesserung des Verkehrsflusses und zur Reduzierung von Unfällen bei.
  • Autonomes Fahren: Selbstfahrende Fahrzeuge setzen auf Computer Vision, um ihre Umgebung zu erfassen und sicher zu navigieren.

Einzelhandel:

  • Lagerverwaltung: Das automatische Erkennen und Zählen von Produkten, Verpackungseinheiten und Paletten minimiert menschliche Fehler und optimiert den Nachbestellungsprozess.
  • Kundenerlebnis: Multimodale generative KI ermöglicht die Erstellung detaillierter Produktbeschreibungen aus Produktbildern, wodurch sich der redaktionelle Aufwand von Online-Shops reduzieren lässt.

Gesundheitswesen:

  • Diagnoseunterstützung: Durch die Analyse von medizinischen Bildern wie Röntgen- und MRT-Aufnahmen kann Computer Vision Krankheiten frühzeitig erkennen und die Genauigkeit der Diagnosen verbessern.
  • Patientenüberwachung: Die Echtzeitüberwachung von Patienten ermöglicht eine schnellere Reaktion auf Notfälle sowie eine verbesserte Betreuung.

 

Unternehmen müssen KI als Chance begreifen

 

Letztlich sollten sich Unternehmen über eines im Klaren sein: Die Einführung komplexer KI-Technologien wie CV erfordert zeitliche und finanzielle Investitionen und sollte daher in jedem Fall Gegenstand einer sorgfältigen Planung sein. Unternehmen, die sich dieser Herausforderung stellen, werden jedoch langfristig von den Effizienzsteigerungen und Wettbewerbsvorteilen der diversen Anwendungsszenarien profitieren. Denn mit einer hohen Datenqualität und gut durchdachten Implementierungsstrategien lassen sich erhebliche Vorteile für die verschiedensten Geschäftsbereiche realisieren. Die zahlreichen Anwendungsfälle zeigen schon heute, wie sich durch den Einsatz von KI-Technologien signifikante Verbesserungen in den unterschiedlichsten Bereichen erzielen lassen. In einer zunehmend datengetriebenen Welt werden Unternehmen daher in Zukunft kaum um den Einsatz solcher Technologien herumkommen.

Martin Wunderwald schloss sein Studium der Medieninformatik an der TU Dresden im Jahr 2011 mit einer Arbeit über die KI-gestützte Inhaltsextraktion aus News-Artikeln ab. In den folgenden Jahren trug er in verschiedenen Positionen, die Entwicklung, das Marketing und den Vertrieb einschlossen, maßgeblich zur Gestaltung eines Startups im Bereich User Experience Monitoring bei. Seit 2020 ist er für die Deutsche Telekom MMS tätig. Sein Schwerpunkt liegt in der Übersetzung von Kundenanforderungen in die technische Lösungskonzeption mittels Methoden der Künstlichen Intelligenz, insbesondere in dem Bereichen Computer Vision und Optimierung. Aktuell macht er sich für die Weiterentwicklung des KI-Portfolios der Deutschen Telekom stark.

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