Ohne Technologie geht es nicht: Wie Tech M&A den Digitalisierungsstandort Deutschland stärkt

Deutschland steckt in der Digitalisierungsstarre. Wo die Selbsterneuerung mittelständischer Unternehmen stagniert, schmiedet M&A Allianzen zwischen Innovatoren und tradierten Marktakteuren. Erstere finden in solchen Beziehungen Anschlussfinanzierungen, Letztere technologische und personelle Kompetenzen. Dabei entstehen auch wertschöpfende Lösungen für den Technologie- und Wirtschaftsstandort Deutschland.
Von   Jan Poerschmann   |  Gründer und Managing Partner   |  atares GmbH
10. Juni 2024

Ohne Technologie geht es nicht: Wie Tech M&A den Digitalisierungsstandort Deutschland stärkt

 

Deutschland steckt in der Digitalisierungsstarre. Wo die Selbsterneuerung mittelständischer Unternehmen stagniert, schmiedet M&A Allianzen zwischen Innovatoren und tradierten Marktakteuren. Erstere finden in solchen Beziehungen Anschlussfinanzierungen, Letztere technologische und personelle Kompetenzen. Dabei entstehen auch wertschöpfende Lösungen für den Technologie- und Wirtschaftsstandort Deutschland.

 

Kooperationen gestalten die Zukunft


Im vergangenen Jahr wurden 2.489 Unternehmen in der Bundesrepublik gegründet. Viele von ihnen setzen sich technologisch mit Zukunftsthemen auseinander. Einen Anstieg von je 21 und 69 Prozent verbuchten der Software- und Energiesektor im Vorjahresvergleich.[1] Dennoch gehen die Start-up-Neugründungen gegenüber 2022 insgesamt um insgesamt 5 Prozentpunkte zurück. Das Start-up-Ökosystem ist gegen die aktuell schwierige konjunkturelle Lage nicht immun; viele potenzielle Gründer scheuen deshalb den Weg in die Selbstständigkeit, während frischgebackene Unternehmer und ihre Firmen schnell in wirtschaftliche Schieflage geraten. Andererseits erweisen sich die tradierten Marktakteure der deutschen Wirtschaftsmitte zwar als verhältnismäßig krisenresilient, doch ihnen fehlt es an Innovations- und Transformationswillen. Diese beiden Entwicklungen zeigen sich fatal für das ohnehin schon lahmende Innovationsökosystem Deutschlands.

Wie befreien sich Start-ups und Mittelständler im Kleinen und der Wirtschaftsstandort Deutschland im Großen also aus dem Wachstumsfallen-Dilemma? Die Antwort liefert ein Vorzeigebeispiel: Im Jahr 2022 übernahm der Intralogistik-Pionier Jungheinrich ein Robotik-Start-up, um die internen Logistik-Lösungen mit autonomen Robotik-Lösungen auszubauen. Das Jungunternehmen und sein Team blieben autark, während Jungheinrich zu dynamischen und kreativen Mitarbeitern kam. Solche Schulterschlüsse zwischen jungen Wilden und etablierten Branchenplayern sind in Zeiten von stagnierendem Wirtschaftswachstum und verunsicherten, instabilen Märkten ein sinnvolles Strategieelement. M&A bringt als strategischer Sparringspartner finanzielle Spielräume, Menschen und Ideen zusammen und wirkt dabei gestalterisch. Tech M&A in Reinkultur, das ist Unternehmen durch Markt-, Technologierschließung oder Wissenseinkauf begleiten, fördern und zukunftsfest aufstellen.

 

Skalierungspotenzial nutzen


Firmentransformationen hin zu krisenfesten Zukunftsmachern verlangen meist eine tiefgreifende Umstrukturierung über alle Organisationsbereiche hinweg. Im Alleingang fordern diese radikalen Richtungswechsel Millionenbeträge. Schon die Integration eines SaaS- oder Cloud-basierten-Modells kostet Firmen siebenstellige Summen. Investitionen in diesen Größenordnungen sind nicht zu jeder Phase des Unternehmenslebenszyklus ohne Weiteres ratsam und können Firmen wirtschaftlich schnell ins Straucheln bringen. Eine brodelnde Start- und Grown-up-Szene im Softwarebereich unterstützt innovationshungrige Unternehmer darin, angestammte Pfade zu verlassen: Für die Käufer bedeutet ein Zusammenschluss vergleichsweise überschaubare Transaktionskosten bei gleichzeitig hohem Nutzwert. Change-begeisterte Start-up-Pioniere andererseits treiben die Transformation ihres strategischen Partners voran und wissen sich gleichzeitig in einem ökonomisch verhältnismäßig sicheren Umfeld gebettet. Der attraktive Skalierungsfaktor begründet auch die hohe Übernahmeanzahl in diesem Feld und beeinflusst die Entwicklung des Tech-M&A-Markts positiv. Tech ist Trend und unbestritten ein schillernder wie elementarer Zukunftsmarkt.

Die stetig zunehmende Relevanz von Robotik und IoT gepaart mit dem begründeten und nicht abebbenden Hype um generative KI festigt und befeuert die Stellung von Tech-Firmen im M&A-Kosmos. Entgegen der allgemein tendenziell zurückhaltenden Stimmung beherrschen Verkäufer aktuell den Markt und halten Unternehmensbewertungen auf einem zuverlässig stabilen Niveau. Nicht zuletzt bestätigt die Transaktionsanzahl die tragende Rolle von Tech-M&A als prägender Gestalter der zukünftigen Wirtschaft. Im Bereich der Fonds nimmt der Growth-Equity-Anteil im absoluten Wachstum am schnellsten zu. Der Markt hat verstanden, dass eine große Lücke zwischen kleinen Technologieunternehmen auf der einen Seite und den großen Märkten auf der anderen Seite existiert. Growth Capital schmälert und schließt diesen Abstand auf lange Sicht.

KMU brauchen radikale Innovationen, um zu wachsen und zugleich nachhaltig zu wirtschaften

Digitalisierungslücke schließen


Auch in 2023 stagniert die Digitalisierung der deutschen Wirtschaft. Der Digitalisierungsindex beträgt in diesem Jahr 108,6 Punkte. Dem gegenüber stehen 110,5 Punkte aus 2022.[2] Mittelständler ringen noch immer mit den Nachwehen der Corona-Pandemie, flankiert von Inflation, Energiekrise, Lieferkettenschwierigkeiten und geopolitischen Spannungen. Für viele Unternehmen im Krisenmodus stellt ein Digitalisierungsausbau kein unmittelbares Instrument dar, um Druck aus der angespannten Lage zu nehmen oder kurzfristig negative Auswirkungen abzufedern. Eine vertrackte Zwickmühle: Wenn aufstrebende und disruptive Technologien mit immenser Schlagkraft auf die globalen Märkte einwirken und sie langfristig verändern, geraten KMU im internationalen Geschwindigkeitswettbewerb ohne rigorose Transformationen schnell ins Hintertreffen.

Was sie brauchen, das sind radikale Innovationen, um zu wachsen und zugleich nachhaltig zu wirtschaften. Ohne Technologie geht es nicht – sie beeinflusst, wie zukünftig Leistungen erbracht, Unternehmen organisiert und Produkte funktionieren werden. Doch Deutschland krankt an der Übersetzung von Technologie in die Anwendung – konträr zum Exzellenz-Status der Bundesrepublik im Forschungs- und Entwicklungssektor. Um sich strategisch besser zu positionieren und sein Wachstumspotenzial perspektivisch voll auszuschöpfen, muss die deutsche Wirtschaftsmitte durch den Einsatz von M&A Know-how oder Technologien gemeinschaftlich mit dem Sparringspartner erschließen. Auf welchen strategischen Partner die Entscheidung letzten Endes fällt, hängt im Technologiebereich vom Skalierungspotenzial ab. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, mit welchem Compagnon Verantwortliche schneller nachhaltiges Firmenwachstum generieren; die Range geht von Private-Equity-Investor bis Konzern. Die Kombination aus Technologieunternehmen und Start-up-Kultur verspricht hinsichtlich Ablauforganisation und Effizienz fruchtbaren Boden. Solche Zusammenschlüsse verhelfen auch dem Wirtschaftsstandort Deutschland dazu, im Digitalisierungs- und Innovationsranking neue Höhen zu erreichen.

[1] https://startupverband.de/fileadmin/startupverband/mediaarchiv/research/Next_Generation_Report/Next_Generation_Startup-Neugruendungen_in_Deutschland_2023.pdf

[2] https://www.iwkoeln.de/studien/jan-buechel-marc-scheufen-dennis-bakalis-digitalisierung-der-wirtschaft-in-deutschland-2023.html

Jan Pörschmann ist Gründer und Geschäftsführer der atares GmbH in München und auf Asset-light-Transaktionen in den Bereichen IT und Services spezialisiert. Seit 2023 ist er zudem Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Mergers & Acquisitions gem. e.V. und Initiator mehrerer Mittelstandsaktivitäten desselben. Dazu gehört insbesondere die Veranstaltung „Shift & Change – Der BM&A Mittelstandstag“.

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