Dass das Digital Office ein existentiell wichtiger Faktor der modernen Arbeitswelt werden würde, war lange absehbar. Dass eine weltweite Pandemie einen Boom neuer, flexiblerer Arbeitsformen auslösen würde, hat hingegen wohl die meisten von uns überrascht. Mit Videomeetings, virtuellen Veranstaltungen und Heimarbeit mussten viele Unternehmen im Frühjahr 2020 ad hoc neue digitale Arbeits- und Kommunikationsweisen etablieren.
Seitdem stellt die viel zitierte „neue Normalität“ die Unternehmenswelt vor große organisatorische, rechtliche und technische Herausforderungen. Im Fokus dabei oft: das Homeoffice. So arbeiteten laut einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom im Dezember 2020 rund 45 Prozent aller Erwerbstätigen in Deutschland ausschließlich oder teilweise von zu Hause aus; vor der Pandemie waren das gerade einmal 18 Prozent. Zwischenzeitlich wurde sogar eine Homeoffice-Pflicht diskutiert.
Zeitlich begrenzte Lösung?
Der Gedanke, das Homeoffice zur Reduzierung der Mobilität und damit auch zur Reduzierung weiterer COVID-19-Neuinfektionen einzusetzen, ist grundsätzlich nicht falsch. Je weniger Menschen im beruflichen Umfeld aktuell physisch zusammenkommen, desto besser. Obwohl einige größere Unternehmen zuletzt die Verkleinerung ihrer Büroflächen angekündigt haben, erscheint das Thema für die meisten Organisationen allerdings nur eine Maßnahme auf Zeit. Offenbar wird in den meisten Fällen damit gerechnet, die Büros nach dem Ende der Corona-Krise – wann auch immer diese sein mag – auch weiterhin im „Vor-Corona-Umfang“ zu benötigen. Am liebsten also zurück zur alten Normalität, wo doch die neue gerade begonnen hat Fuß zu fassen? Es macht zumindest den Eindruck. Laut einer aktuellen Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) etwa gaben zwei Drittel der befragten Firmen an, nicht vorzuhaben, den Mitarbeitern nach der Pandemie mehr Homeoffice als davor zu ermöglichen.
Homeoffice-Müdigkeit
Aktuell scheint sich eine gewisse „Homeoffice-Müdigkeit“ eingestellt zu haben; der Reiz des Neuen wirkt vielerorts verflogen. Bei den Unternehmen selbst, aber auch bei den Mitarbeitern. Das Zwischenmenschliche im Büro, etwa Gespräche an der Kaffeemaschine oder Small Talk auf dem Gang, fällt weg und kann digital nur bedingt aufgefangen werden. Diese physische soziale Entkopplung setzt eine Kettenreaktion in Gang: Mitarbeiter fühlen sich immer mehr von ihren Kollegen und ihrem Team abgeschnitten oder nicht genügend einbezogen. Gleichzeitig steigt die Anzahl an Videokonferenzen, die nachgewiesen mental anstrengender und belastender sind als reale Gespräche. Es stellt sich Müdigkeit oder sogar Erschöpfung ein, Stichwort „Zoom Fatigue“. Hinzu kommen naheliegende gesundheitliche Aspekte, etwa weniger individuelle Bewegung oder eine nach wie vor nicht ergonomisch konforme Homeoffice-Ausstattung.
In ihrer Gesamtheit führen diese Faktoren, wie erste Studien bereits zeigen, zu einer schwächer werdenden Arbeitsmotivation und -zufriedenheit. Da verwundert es – aus zwischenmenschlicher Sicht betrachtet, nicht aus epidemiologischer wohlgemerkt – nicht, dass die individuelle Mobilität im zweiten Lockdown deutlich schwächer als im Frühjahr 2020 und zuletzt auch wieder deutlich zugenommen hat.
Allzweckwaffe Homeoffice?
Warum ist das so? Zum Teil mag die „Homeoffice-Müdigkeit“ sicher der zunehmenden Sehnsucht nach mehr menschlichem Miteinander im Büroalltag geschuldet sein. Allerdings nicht komplett, was vor allem am Grundverständnis dessen liegt, was Homeoffice überhaupt ist – und was eben nicht. Wer lediglich den Ort einer Tätigkeit vom Unternehmensbüro in die privaten Räume der Mitarbeiter verlegen und ansonsten alles gleich behalten will, denkt nämlich nicht im Sinne eines zukunftsorientierten Arbeitens. Denn obgleich der Begriff „Homeoffice“ innovativ klingt, verrät die aktuelle Debatte, dass sich dahinter in der Umsetzung mit der klassischen Telearbeit häufig leider ein ziemlich alter Schuh versteckt. Am Grundkonzept der Arbeit verändert das wenig: Mitarbeiter machen in der Regel die gleichen Tätigkeiten zu den gleichen Zeiten innerhalb der gleichen engmaschigen Strukturen.
Was in der Theorie also nach einer optimalen Vereinbarkeit von Job und Privatleben klingen mag, führt in der Praxis vielerorts zu Problemen: Mehr Stress und Überstunden, weniger Pausen und Ruhephasen. Die Grenzen zwischen Privat- und Berufsperson verschwimmen, „online“ und „offline“ werden nicht mehr trennscharf. Die „Work-Life-Balance“ gerät aus den Fugen. Und doch wird öffentlich nach wie vor über mehr Homeoffice diskutiert, nicht aber über ganzheitliche Alternativen.
Neue Mentalität für selbstbestimmtes Arbeiten
Wenn wir die Zukunft der Arbeit konkret verändern wollen, bedarf es einer grundsätzlichen Bereitschaft zu mehr Resilienz und Agilität im Business – und einer umfassenden Strategie für ein „neues Arbeiten“: Statt auf eine konsequente Präsenzpflicht zur Erfüllung von Arbeitsstunden zu bestehen, sollten Unternehmer den Fokus auf den qualitativen Output ihrer Mitarbeiter legen. Dazu sollten sie Ihnen den Raum und die Freiheit geben, neben dem Arbeitsort auch ihre Arbeitszeiten innerhalb eines vereinbarten Rahmens flexibel zu gestalten. Denn oftmals können Mitarbeiter selbst besser einschätzen, wo und wie sie ihre Arbeit effektiver, effizienter und – ebenso wichtig – mit Freude erledigen können.
Neben mehr Selbstständigkeit seitens der Mitarbeiter erfordert dieses neue Arbeiten seitens der Unternehmer und Manager einen Führungsstil mit weniger Hierarchien und mehr Vertrauen, sowie eine entsprechend offene Organisationsstruktur und -kultur. Das Ergebnis ist eine veränderte Mentalität auf allen Ebenen, bei der Arbeit auch ganz neu gedacht wird: Ergebnisorientiert, flexibel und selbstbestimmt. Nur dann wird aus der „Work-Life-Balance“ auch wirklich eine solche.
Digitale Tools als Fundament
Nicht zuletzt benötigt dieses neue Arbeiten auch geeignete digitale Technologien im Bereich des Informationsmanagements, die es ermöglichen, Daten zeit- und ortsunabhängig zuverlässig zu erschließen, sicher zu verwalten und effektiv wie effizient in Prozessen zu verarbeiten. Denn beim neuen Arbeiten laufen Büro- und Verwaltungsprozesse mittels Technologien idealerweise automatisiert, ortsunabhängig und frei von Medienbrüchen. Cloudbasierte Softwarelösungen sind dabei schnell einsatzbereit, anpassungsfähig und skalierbar und bieten vor allem in Bezug auf Sicherheit viele Vorteile gegenüber der klassischen Vor-Ort-Installation von IT-Anwendungen.
Es geht nun nicht nur darum, kreative Lösungen für die Zusammenarbeit während der Krise zu finden, sondern auch darum, einen Grundstein für die Zeit nach Corona zu legen. Jetzt, da sich Menschen zunehmend an die vielen Möglichkeiten der Digitalisierung gewöhnen, sollten Unternehmen und Organisationen diesbezüglich auch handeln. Digitale Tools haben aber keinen temporären Selbstzweck, sondern müssen das neue Arbeiten ganzheitlich ermöglichen und erleichtern. Kurzfristiges Analog-Digital-Wechseldenken hat ausgedient, benötigt wird ein langfristiges, modernes Hybridhandeln.
Ausblick
Wir stehen nun an einem digitalen „Turning Point“: Vieles, wenn nicht sogar alles ist auf digital umgestellt; nun muss dafür gesorgt werden, dass der angestoßene Wandel auch nachhaltig wirkt. Denn wie man es dreht und wendet: Die Büroarbeit wird nach Corona sicherlich eine andere sein als zuvor. Bei der Etablierung einer neuen Arbeitswelt kann die aktuell vorherrschende Tendenz zum Homeoffice jedoch nur ein kleiner Baustein sein. Was wir benötigen, ist ein neuer Ansatz, um Arbeiten und Leben auch im Sinne der Mitarbeiter synergetisch miteinander zu verbinden. Dann wird das „neue Arbeiten“ auch unabhängig von der Pandemie zum erfolgversprechenden Konzept für die Zukunft der Büroarbeit.
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