München – das Munichorn Valley für die Unicorns von morgen?

München hat alles, was ein Innovationsstandort braucht. Bei der neuen, vom Bund geförderten Initiative AI+MUNICH liegt der Fokus auf dem Bereich künstliche Intelligenz. Hier soll das Münchner Ökosystem ausgebaut und Gründungen gefördert werden.
Von   Tamara Ehm   |  Pipeline Managerin   |  TUM Venture Labs
15. September 2022

 

München – das Munichorn Valley für die Unicorns von morgen?

Google, Apple, Facebook – drei Firmen, die einem in den Sinn kommen, wenn man an den 70km Strandabschnitt in der San Francisco Bay denkt. Schillernde Lettern der „Großen“ der Technologie- und Hightech-Industrien säumen die Straßen. Hinter den Scheiben, durch die an 365 Tagen im Jahr die Sonne glitzert, werden die Ideen von morgen erdacht.

Ist es die Sonne, die Steve Jobs dazu brachte das IPhone im Silicon Valley zu entwickeln? Was ist das wahre Geheimnis des Silicon Valley?

Das Silicon Valley bietet neben Vitamin D alles, was es zu technologischem Wachstum braucht: den Anschluss zu Top-Universitäten, flexible Arbeits- und Kapitalmärkte und wenig bürokratische Hindernisse ziehen Gründer:innen und Technologiefirmen an. Das Ökosystem an klugen Köpfen, Kapital und Wissenschaft schafft eines: Network, Network, Network für Unicorns und Decacorns. Eine gute Idee braucht neben dem richtigen Team die Erfahrung von Gründer:innen, den Anschluss an die Wissenschaft und Unternehmen und natürlich das nötige Vitamin B um zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein. Im Silicon Valley ist dieses Ökosystem perfektioniert.

Kann es auch eine Stadt abseits der Francisco Bay schaffen, den geeigneten Nährboden für erfolgreiche Technologie-Start-ups zu schaffen? Und es vielleicht sogar noch ein bisschen besser machen – auch noch ökologischer und sozial verträglich?

München als Innovationsmetropole

Anders als das Silicon Valley, in dem der Name des bekannten Halbleitermaterials Silizium schon an sich für Fortschritt und Wachstum spricht, lässt der Sprachstamm der Landeshaupt Bayerns, „bei den Mönchen“, eher auf Tradition als auf Innovation schließen. Und doch hat München alles, was es zur Innovationsmetropole braucht: Top Universitäten, (Haupt)Sitze großer Technologiekonzerne, die Lage mit Naherholung bei den Seen direkt in der Nähe der Alpen macht München zu einem attraktiven Standort für die Gründer:innen von morgen. Auch die Stadt München selbst tut einiges, um Gründungen und Innovation zu fördern. Gemeinsam mit der UnternehmerTUM hat sie mit dem Munich Urban Colab ein Innovationszentrum geschaffen, in dem nachhaltige Lösungen für die lebenswerte Stadt der Zukunft entstehen.

Die Initiative AI+MUNICH soll das Ökosystem schaffen, das es zu erfolgreichen Gründungen braucht, in einer Technologieindustrie, die das Potential hat, den technologischen Fortschritt auf das nächste Level zu bringen: künstliche Intelligenz.

Der „Mensch als Maschine“ ist an sich ein Konzept, das fast so alt wie das Silicon Valley selbst ist, aber erst im letzten Jahrzehnt wirkliche Präsenz in Wirtschaft und Technologie gewonnen hat. Schier unvorstellbare Möglichkeiten tun sich auf, wenn durch maschinelles Lernen Prozesse effizienter gestaltet, und aus strukturierten Daten Informationen gewonnen werden oder neue, synthetische Daten generiert werden, die weiteres Wissen erzeugen. Die Herausforderung ist, dieses Potential für alle Bereiche der Wirtschaft im Detail zu erkennen und Ideen und Konzepte zu entwickeln, die mit einer AI-Komponente aktuelle Methoden outperformen und neue, nur durch AI möglich gemachte, Lösungen für wirtschaftliche Probleme zu finden.

Gemeinsam stark: Kollaboration der Gründerzentren

Das AI+MUNICH Projekt wurde von der MUC SUMMIT GmbH beantragt. Die MUC SUMMIT wurde 2015 gemeinsam von UnternehmerTUM , dem Strascheg Center for Entrepreneurship und der German Entrepreneurship GmbH ins Leben gerufen. AI+MUNICH gibt es seit Ende 2021 und versteht sich selbst als Multiplikator und vor allem Integrator im Ökosystem der Münchner AI Start-ups. AI+MUNICH ist eine von vier Modellregionen, die über das EXIST Programm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz über drei Jahre gefördert werden. Ziel aller EXIST-AI-Modellprojekte ist es, die Förderung von AI-Startups auf ein neues Niveau zu heben. Die Vernetzung mit den Start-up-Ökosystemen, die Verbindung von Universitäten, Gründerteams und der Wirtschaft sowie die Skalierung und Internationalisierung sind weitere zentrale Anliegen der Projekte. Jedes Projekt hat dabei auf sein Ökosystem bezogene, individuelle Schwerpunkte.

Während z.B. beim AI.STARTUP.HUB in Hamburg der Fokus auf die Bedürfnisse bestehender AI-Start-ups und deren Begleitung bei der Skalierung und Finanzierung gelegt wird, fokussiert sich das AI+MUNICH Projekt auf Förderung neuer Initiativen in den Bereichen Robotics und AI, AI-Software sowie Deeptech-Start-ups. Am Vorbild der Stanford University im Silicon Valley sind enge Projektpartner die Gründungszentren der Münchner Universitäten: das Strascheg Center for Entrepreneurship, das Munich Center for Digital Sciences and Artificial Intelligence der Hochschule München, die UnternehmerTUM und die TUM Venture labs “Robotics/AI” und “Software/AI”. Die enge Zusammenarbeit mit Universitäten und Gründungszentren wird einen effektiven Forschungstransfer von Studierenden und Doktoranden, die an der Gründung eines Unternehmens im Bereich Deeptech interessiert sind, ermöglichen. Konkret bedeutet das, dass die AI+MUNICH Initiative personell eng mit den Gründungszentren der Universitäten verwoben ist.

Mit offenen Wissensangeboten für die Gesellschaft Ängste gegenüber AI abbauen

Über drei Jahre hinweg, wird die Initiative mit verschiedenen Maßnahmen daran arbeiten, das Münchner Ökosystem im AI Bereich auszubauen und zu fördern. Außerdem soll mithilfe der AI+MUNICH Initiative erreicht werden, dass Vorurteile, Vorbehalte und Ängste in der Gesellschaft gegenüber dem komplexen Thema AI und Gründung abgebaut werden. Eine Maßnahme dafür ist der Ausbau des Bildungsangebots: ein MOOC (Massive Open Online Courses) wird mit relevanten Themen rund um den Einsatz von AI entwickelt und breit zugänglich gemacht. In den beteiligten Hochschulen werden zudem geeignete Lehr- und Accelerator-Formate genutzt, um Gründungsinteressierte zu scouten und zum Gründen zu motivieren. Hier ist die enge Zusammenarbeit zwischen AI+MUNICH und universitärem Umfeld ein wichtiger und essenzieller Bestandteil.

Im Rahmen der Prototypenförderung haben Start-ups die Möglichkeit ihre Business Idee vor einer ausgewählten Fachjury zu präsentieren und eine Förderung bis zu 25.000 Euro über 6 Monate zu erhalten. Die Förderung kann neben der eigentlichen Prototypenförderung (Hardware, Freelancing) auch für Expert:innensupport aus der Wirtschaft oder Wissenschaft und AI Stipendien verwendet werden. Der Fokus der Prototypenförderung liegt hier primär in pre-seed Start-ups. Die AI+MUNICH Initiative ist komplementär zum etablierten EXIST Förderprogramm als zusätzliche Möglichkeit Start-ups finanzielle Unterstützung während der Gründung zu gewährleisten, die sie speziell im Bereich AI- Entwicklung benötigen. Bisher fanden zwei Pitch Events statt, bei denen insgesamt 14 Start-ups gefördert wurden. Die Ideen reichen von AI gesteuerten Bauelementen für Roboter bis zu einer Übersetzungssoftware für leichte Sprache.

Das Netzwerk als Herzstück des Erfolgs

Das Herzstück der AI+MUNICH Initiative ist der Ausbau des Netzwerks. Kaum ein Start-up kann wachsen, wenn es nicht die richtigen Partner und Kunden hat, die als Multiplikator der Idee agieren. Die AI+ Community beinhaltet Expert:innen aus Wissenschaft und Wirtschaft, Unternehmenskooperationen und natürlich die Gründungsvorhaben mit AI Fokus. Mit Messeauftritten, wie einem Vertical und einem Stand auf der diesjährigen Bits & Pretzels, und Eventpräsenz, wie auf dem Technology Roof der European Championships, haben die Start-ups die Möglichkeit, ihre Idee einem breiten Publikum zu präsentieren. Stammtische und informelle Treffen sowie spezifische Beratungsmöglichkeiten, z.B. zu rechtlichen Themen im Bereich Gründung, ermöglichen den Start-ups individuelle Fragestellungen und Herausforderungen zu adressieren.

Kann nun die AI+MUNICH Initiative die Landeshauptstadt zum Munichorn Valley machen? Das wird die Zeit zeigen. Eines ist sicher: mit der AI+MUNICH Initiative werden die Rahmenbedingungen geschaffen, um AI in die Gesellschaft zu bringen und die ersten Hufeisen für Münchner Unicorns zu schmieden.

 

Tamara Ehm ist Pipeline Managerin beim Venture Lab Software&AI und dem Venture Lab Robotics der TUM Venture Labs und betreut die TUM Start-ups in der AI+MUNICH Initiative der MUC Summit GmbH. Im August 2022 beendete sie ihre Promotion der Physik an der LMU München.

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