Ein Ausspruch von Faust – 100 Jahre alt – in einer Zeit-schrift für Digitalisierung? In unserer schnelllebigen, komplexen Zeit gewinnt die Konzentration, der Fokus auf den Moment, immer größere Bedeutung. Was sind das für Momente? Ist es die Blume am Weg? Der Flügelschlag des Schmetterlings? Der Sonnenuntergang über den Dächern der Stadt? Der frische Kaffee, der über Geschmack und Geruch unser Sein verändert? … Alles das kann ein betörendes Glücks-gefühl auslösen, das für einen Moment durch unser ganzes System strömt? „Augenblick…Verweile doch! Du bist so schön!“
In solchen magischen kurzen Momenten sind wir mit einer besonderen Qualität des Seins im Kontakt. Viele fühlen sich dann aus der „normalen“ Zeit herauskatapultiert. Alles scheint stillzustehen. Andere Dinge versinken, die Welt dreht sich nur noch um diesen unseren Fokus.
In diesem Bewusstsein für den Moment entsteht die kleine Pause, die das Hamsterrad stoppt, den Arbeitsspeicher unseres Gehirns vor Overflow schützt und unseren Stoffwechsel für weitere Phasen der Höchstleistung elastisch hält. Positive Momente dieser Art – mal intensiver, mal weniger intensiv – sind wie Perlen an der Schnur verantwortlich für unser Wohlbefinden und damit für unsere psychische Gesundheit.
Das Gehirn ist in der Regel mit der Verarbeitung gemachter Erfahrungen oder der Entwicklung möglicher Zukunftsszenarien beschäftigt. Wir simulieren Prozesse, um für künftiges gewappnet zu sein. Und je stärker der Druck lastet, desto eher sind diese Gedanken mit Befürchtungen oder dramatischen Eventualitäten befasst.
Was hilft, ist ein Training von Aufmerksamkeit, das unbe-merkt von anderen praktiziert werden kann. Die Achtsamkeit – im Hier und Jetzt mit einer bestimmten Haltung von Offenheit, Akzeptanz und Neugierde. Zustände werden wahrgenommen ohne besondere Bewertung nach katastrophal oder verhasst. Diese Konzentration auf das »Jetzt«, die Feststellung, dass »jetzt genau in diesem Moment« alles in Ordnung ist, schafft Ruhe im Geist.
Wie gelingt der Einstieg? Zum Beispiel mit einem Body Scan – einer systematischen Wahrnehmung unseres Körpers. Der Start gelingt über die Füße, deren Kontakt zum Boden. Wir lassen die Gedanken weiter über Beine, Becken, Rücken, Bauch und Brustkorb, Schulter und Kopf spazieren. Die Aufmerksamkeit ist ausschließlich auf den Körper gerichtet. Wir beobachten unsere Atemzüge, das Ein- und Ausströmen. Wenn „störende“ Gedanken auftauchen, ist das die normale Arbeitsleistung des Kopfes. Wir bringen uns selber ganz freundlich wieder auf die Wahrnehmungsaufgabe zurück. Warum sollten wir uns unfreundlich beschimpfen?
Diese Achtsamkeit verändert die Welt. Mit der positiven Haltung sich selbst gegenüber verändert sich die Haltung in der Bewertung von Situationen und anderen Menschen. Selten sind wir lebensbedrohlichen Katastrophen ausgesetzt. Wir gewinnen Wahlmöglichkeiten – tief eintauchen in ein stressverstärkendes Gefühl oder mit distanzierter Sicht kreative Lösungen finden?
Mit dieser Achtsamkeit verändert sich die Struktur des Gehirns, über ein MRT messbar. Die Dichte der grauen Sub-stanz nimmt zu, das führt zu einer Funktionsverbesserung in den Gehirnarealen, besonders im Hippocampus – der u.a. für Informationsverarbeitung und Lernen verantwortlich ist.
Mit regelmäßiger Meditation lassen sich diese Prozesse intensivieren. Internationale Studien belegen den nachhaltigen Auf bau emotionaler Stabilität. Gleichzeitig wurde gezeigt, dass Schlafstörungen, Angststörungen und Depressionen mithilfe regelmäßiger Meditation geringer wurden und – ganz ohne Psychopharmaka – völlig verschwanden.
David Lynch (2016) schreibt zur Rolle der Meditation in seinem Leben: „Ideen sind wie Fische. Wenn du kleine Fische fangen willst, kannst du im seichten Wasser bleiben. Aber wenn du den großen Fisch fangen willst, musst du in die Tiefe des Bewußtseins gehen…“
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