Die Digitalisierung verändert nicht nur Firmen oder ganze Branchen sondern auch Funktionsbereiche. HR ist hiervon nicht nur betroffen, sondern spielt eine wichtige aktive und zentrale Rolle, da sich zum einen HR selbst verändern wird, HR aber gleichzeitig auch den digitalen Transformationsprozess im Unternehmen proaktiv mit begleiten muss. Zusätzlich zur eigentlichen „technischen“ Digitalisierung kommen weitere Faktoren hinzu, mit denen sich insbesondere die HR Abteilung auseinandersetzen muss. Der demografische Wandel, Fachkräftemangel, Wertewandel, Umwelt – diese und weitere Megatrends verändern die Anforderungen an Unternehmen und damit auch an die Personalarbeit. Schlagworte wie Flexibilisierung und Agilität bestimmen vielerorts die Diskussion über die neue Arbeitswelt. Arbeit ist heute schon mobil und ortsunabhängig, morgen wird sie vermehrt in gemeinsamen virtuellen Räumen stattfinden. Aber nicht nur die Arbeitsweise an sich verändert sich. Jüngere Generationen definieren den Begriff „Erfolg“ neu. Alte Statussymbole weichen neuen Zielen, wie ausgewogene work-life-balance, purpose, one planet, new work etc.. Brauchen wir daher vielleicht auch weitere Reformen des Arbeitsrechts? Welche Aus- und Weiterbildungen für Mitarbeiter sind zukünftig wichtig?
Aber: bevor man sich mit diesen wichtigen Fragen beschäftigt sollte man zuerst analysieren, wofür HR eigentlich steht und ob diese Aufgaben in einer zunehmend digitalen Welt überhaupt noch relevant sind. In einem zweiten Schritt kann dann der zukünftige Beitrag, den HR für Unternehmen und deren Mitarbeiter liefert, definiert werden.
Fragt man Mitarbeiter in Firmen, was die HR Abteilung macht, so bekommt man häufig folgende Antworten:
- „Das sind die, die die Arbeitsverträge machen
- neue Mitarbeiter suchen,
- mit dem Betriebsrat verhandeln,
- Weiterbildung organisieren und die
- Personalplanung- und Verwaltung durchführen“
Im Wesentlichen werden hier administrative Tätigkeiten beschrieben und es stellt sich natürlich die Frage, ob die Digitalisierung im Sinne von intelligenter Software in Kombination mit Selbstverwaltung (Stichwort employee self services), diese Funktionen nicht direkt übernimmt. Die Antwort ist sicher Ja! HR in der heutigen Form wird es in einer digitaleren Welt so nicht mehr geben.
Schafft sich aber damit eine HR Organisation, die aktiv diese tools in Unternehmen einführt, dann nicht selber ab? Die Antwort ist meiner Meinung nach Jein. Nur HR Abteilungen, die sich mit der Frage auseinandersetzen, welchen Mehrwert sie zukünftig liefern können werden überleben. Die Digitalisierung des Personalwesens bietet so gesehen viele Chancen. Sie kann Personalarbeit effizienter und zielgerichteter machen und der HR-Funktion dazu verhelfen, mehr als bisher zum Unternehmenserfolg beizutragen.
Worin könnten dann also die zukünftigen Aufgaben von HR liegen?
Die Digitalisierung erfordert eine aktive Gestaltung des Veränderungsprozesses in den jeweiligen Unternehmen. Hier kann und muss HR eine zentrale Rolle einnehmen. Die digitale Erneuerung von HR nutzt dabei nicht nur innovative IT-tools, sondern auch agile Methoden. Sie hat das Potenzial, ein neues Aufgabenportfolio aufzubauen, das Werkzeuge der „new work“ wie Flexibilisierung, digitale Wertschöpfung oder new leadership in die Unternehmen trägt. Umfassend gedachte und umgesetzte HR-Digitalisierung steht also nicht nur für sich, sondern kann der Transformation der Gesamtorganisation entscheidenden Antrieb geben.
Warum tut sich dann so wenig in den deutschen HR Abteilungen? Nun, auch hier trifft es vermutlich zu, dass der Mensch nur ungern sicheres Terrain verlässt ist und grundsätzlich Veränderungen skeptisch gegenübersteht. Der digitale Fortschritt kommt scheinbar nur zaghaft in den HR-Abteilungen insbesonder kleiner und mittelständischer Unternehmen an. Rekrutierungsprozesse werden beispielsweise trotz vielfältiger digitaler Möglichkeiten noch immer teilweise analog gehandhabt. Auch Personalberater arbeiten immer noch weitestgehend nach der alten Methode, den CV mit einer vom Unternehmen abgegeben Stellenausschreibung zu vergleichen. Stimmen die Kriterien weitestgehend überein wird der Kandidat zu einem ersten Gespräch eingeladen. Ein solcher Abgleich kann aber wesentlich schneller und effizienter von einem System erledigt werden. Worauf es aber zukünftig verstärkt ankommen wird, ist die Fähigkeit des Personalers das Unternehmen zu kennen und ihm den Kandidaten zu vermitteln, der das Unternehmen entscheidend weiter entwickeln kann. Dies muss nicht zwangsweise der Kandidat sein, dessen CV die größten Überschneidungen mit der vakanten Position hat.
Thema Weiterbildung: Im meiner Beratertätigkeit bin ich häufig zu diesem Thema befragt worden und musste immer wieder erstaunt feststellen, dass viele Unternehmen ein „digitales Fortbildungsprogramm“ mit Bestandteilen wie z. B. Marketing über Facebook, wie funktioniert Instagram, was bedeutet Scrum etc. ihren Mitarbeitern anbieten (und das auch sehr gerne genutzt wird), das Top Management aber weitestgehend keine Ahnung von diesen Themen hat. Wie also soll ein Unternehmen die digitale Transformation meistern, wenn der Chef nach wie vor in Hierarchien, 5 Jahresplänen und alten Management Konzepten denkt? Auch hier kann und sollte HR einen wesentlichen Impuls geben und das Top Management in den digitalen Transformationsprozess entsprechend einbinden und coachen. Ein Ansatz könnte hier z. B. die Einführung eines reverse mentoring Programms sein, bei dem junge „digitale“ Kollegen die Chefs coachen. Aus meiner Erfahrung können hier spannende Diskussionen entstehen, die eventuell weit über das eigentliche Thema „Digitalisierung“ hinausgehen und den oft existierenden Graben zwischen Management und Mitarbeitern überbrücken können.
Thema Tools: Warum arbeiten immer noch so viele Firmen mit e-mail und Microsoft Office und nutzen nicht moderne Programme wie slack etc.? Der Einzug von Social Media im Privatleben hat schon vor einigen Jahren stattgefunden, in der heutigen Arbeitswelt sind wir aber noch sehr weit davon entfernt, tools einzusetzen, die Bereichsübergreifende und örtlich-/zeitlich unabhängige Zusammenarbeit fördern. Wäre das nicht auch eine spannende Aufgabe für HR hier den Vorreiter zu spielen und dann diese Programme in den Unternehmen auszurollen?
Thema Arbeitsprozesse: Die digitale Transformation sorgt für neue Arbeitsprozesse. Durch die Unterstützung von intelligenter Software bleibt mehr Zeit für Personaler, sich um die individuellen Menschen im Unternehmen und deren jeweilige Arbeitsumgebung zu kümmern. Das ist gut so. Denn auch in anderen Bereichen der Arbeitswelt werden Arbeitsteilung und Projektarbeit künftig dominieren – teilweise wird über verschiedene Firmenstandorte oder Kontinente hinweg gearbeitet. Dazu bedarf es völlig neuer Strukturen der Zusammenarbeit.
Diese aufzubauen und zu etablieren, wird auch Aufgabe von HR sein. Schließlich ist die Organisationsentwicklung einer der zentralen Bestandteile von Human Resources. HR muss ein innovatives Arbeitsumfeld ermöglichen, indem beispielsweise Software für die virtuelle Zusammenarbeit von Mitarbeitern zur Verfügung steht, flexible Arbeitszeiten etabliert sind und mobiles Arbeiten eine Selbstverständlichkeit ist.
Fazit
Das Thema Digitalisierung steht bei vielen Personalabteilungen ganz oben auf der Agenda – das Potenzial ist enorm. Doch zum Erfolg braucht es mehr als „technische“ Einzellösungen. Ein ganzheitlicher Ansatz, abgeleitet aus der individuellen Unternehmensstrategie, der auch andere Einflussfaktoren wie new work, work-life balance, moderne tools, neue Anforderungen an Recruiting, Aus- und Weiterbildung und die Einbeziehung des Top Managements beinhaltet, führt zum Erfolg. Weniger administrative Aufgaben, sondern vielmehr Aufgaben, die Fertigkeiten wie emotionale Intelligenz, Offenheit für Neues, Kreativität und flexibles Denken erfordern, werden zukünftig den Alltag von HR bestimmen. Es kommt also viel zu auf HR in Zeiten der Digitalisierung. Insofern lautet das Motto: Loslegen – am besten heute noch!
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