Fehlende fachliche Fähigkeiten und harsche Kritik an betrieblichen Weiterbildungsprogrammen zu digitalen Themen befeuern die Skepsis deutscher Arbeitnehmer gegenüber der Digitalisierung. Unternehmen sollten Lernziele enger an ihren digitalen Geschäftszielen ausrichten und mehr in eine offene Lernkultur investieren.
54% der Arbeitnehmer sind im Hinblick auf die mit der Digitalisierung einhergehenden Veränderungen eher besorgt als optimistisch. Insbesondere Arbeitnehmer ab Mitte 30 sehen mehr Risiken als Chancen durch die Automatisierung der Arbeitswelt und befürchten den Verlust ihrer Jobs. Die Ursache dieser Verunsicherung: 7 von 10 Arbeitnehmern fühlen sich laut dem Digitalverband BITKOM schlicht „not ready“ für die digitale Arbeitswelt und die damit verbundenen Anforderungen.
Lernangebote schießen häufig am Ziel vorbei
Dabei haben Industrie und Wirtschaft mit 33,5 Milliarden Euro in den letzten Jahren nicht gerade wenig in berufliche Weiterbildung investiert. Doch obwohl der Fokus mittlerweile stark auf digitalen Themen und Lernformaten liegt, bleiben die Erfolge bisher offenbar bescheiden. Denn ein Großteil der durchaus lernwilligen Arbeitnehmer stellt den verfügbaren Lerninhalten in ihren Unternehmen ein denkbar schlechtes Zeugnis aus: „Unattraktiv, zeitintensiv, nicht bedürfnisgerecht, wenig praxisbezogen, geringe Relevanz“ – so lautet das mehrheitliche Urteil von 6.000 befragten Arbeitnehmern einer internationalen Studie des Marktforschungsunternehmens Towards Maturity [1].
Am häufigsten beanstandet wurden demnach der Mangel an qualitativ hochwertigen Lern-Content zur effektiven Unterstützung der Geschäftsziele (41%), uninspirierende (35%) sowie schwer aufzufindende, nicht zielführende Inhalte (25%). 77% der Befragten wünschen sich attraktivere Lernangebote, die sich vorteilhaft auf ihr berufliches Leben und ihre persönliche Karriereentwicklung auswirken.
Digitalisierung muss in die Köpfe der Mitarbeiter
Immer mehr Unternehmen erkennen, dass ihre „Transformation“ mit einem organisatorischen Umbau und der Einführung digitaler Prozesse und Technologien längst nicht beendet ist. Es kommt nun darauf an, eine unternehmensweite, digitale Intelligenz zu entwickeln und sowohl Mitarbeitern als auch Führungskräften essenzielle Fähigkeiten zu vermitteln, die Ihnen helfen, die gestiegenen Anforderungen in Ihrem Arbeitsumfeld zu erfüllen.
Die digitalen Geschäftsziele müssen in einer konsistenten Lernstrategie abgebildet werden. Zunächst gilt es, zwei erfolgskritische Fragestellungen klar zu beantworten: Welche Qualifikationsprofile werden für bestimmte Aufgaben heute und in Zukunft benötigt? Welches Wissen muss vermittelt werden, um dazu Kompetenz „von innen heraus“ aufzubauen?
Hier sind vor allen Dingen die Führungskräfte gefragt. Ihre Aufgabe ist es, die HR- und Wissensstrategie in ihren Verantwortungsbereichen umzusetzen. Dies erfordert neben dem Erkennen individueller Stärken, Defizite und Lernbedürfnisse der unterstellten Mitarbeiter auch permanente Impulse und regelmäßiges Feedback sowie die Planung individueller Trainings zur Mitarbeiterqualifizierung.
Die Rolle und Aufgaben von Führungskräften sind in der digitalen Arbeitswelt vollkommen neu definiert. Die Führungskräfte-Entwicklung ist daher ein wesentlicher Bestandteil des Corporate Learning Konzepts, um Managern mit Personalverantwortung die notwendigen Führungsqualitäten zu vermitteln.
Relevante Lerninhalte steigern den Anreiz
Kernziel der Corporate Learning Strategie ist es, Mitarbeiter in die Lage zu versetzen, digitale Prozesse im Unternehmen zu verstehen sowie geeignete Technologien routiniert und risikobewusst einzusetzen. Adäquate Lernprogramme beinhalten daher in der Regel drei Themenkomplexe: Business Skills, IT-Anwendungswissen sowie Compliance und Unternehmenssicherheit. Neben fachlichen und technischen Inhalten sollten auch Eigenschaften „trainiert“ werden, die für die neue Arbeitswelt unerlässlich sind. Dazu gehören beispielsweise analytische Kompetenzen, Agilität für digitale Transformation oder die Fähigkeit zur intensiven Zusammenarbeit in virtuellen Teams.
Essenziell wichtig für die Relevanz ist jedoch eine kontinuierliche Aktualisierung und Erweiterung der Lerninhalte. So dürfen etwa in Compliance-Programmen aktuelle Themen wie Mobbing-Prävention, das neue Entgelttransparenzgesetz sowie die bevorstehende DSGVO keinesfalls fehlen.
Moderne Lernprogramme richten sich nach individuellen Lernbedürfnissen. Zum einen berücksichtigen sie die Zielgruppenvielfalt im Unternehmen – Basis- und Führungskräfte, junge Talente, gestandene Mitarbeiter, routinierte und eher unerfahrene Anwender usw.. Zum anderen sind die Kurse nach unterschiedlichen Wissensstufen und Schwierigkeitsgraden – Anfänger, Fortgeschrittener, Experte – strukturiert und bieten eine hohe Kontinuität.
Eine sehr zeitgemäße Schulungsmethode sind Micro Learning-Kurse: Diese vorwiegend Video-basierten „Lernhäppchen“ haben einen starken Praxisbezug und können aufgrund ihrer geringen Dauer von 5 bis 10 Minuten ideal in den Arbeitsalltag eingebaut oder auch mobil genutzt werden. Ein multimodaler Mix verschiedener Lernmedien gehört allerdings ebenfalls zur Diversifikation. Denn während der Eine optimal mit Videos lernt, bevorzugt ein Anderer möglicherweise interaktive Gamification-Tools, wie Punktesysteme oder Lernwettbewerbe. Auch das „klassische“ eBook ist nach wie vor ein beliebtes Lernmittel.
Offene Lernkultur und Best Practice etablieren
Unternehmen müssen Qualifizierung fordern und fördern. Das Schaffen zeitlicher Freiräume zum Lernen, die Bereitstellung mobiler Pattformen für zeit- und ortsunabhängiges Lernen sowie nicht zuletzt die Verbesserung individueller Karriereperspektiven für qualifizierte Mitarbeiter demonstrieren ein klares Bekenntnis zu einer gelebten Lernkultur.
An der Belegschaft sollte das Vorhaben jedenfalls nicht scheitern. Denn laut der bereits erwähnten Towards Maturity-Studie sind rund 69% der Mitarbeiter überzeugt, durch digitale Lernangebote ihre Aufgaben im Job besser und schneller erfüllen zu können.
Die Vorgehensweise erfolgreicher Unternehmen bietet eine gute Orientierung beim Aufbau eines eigenen Corporate Learning Programms. Top Performer haben bereits eine umfassende Strategie zur Organisation, Strukturierung und Pflege ihrer Lerninhalte etabliert. Der Schwerpunkt liegt auf der Bereitstellung ansprechender Inhalte mit hohen Lernanreizen und einem außergewöhnlichen, individuellen Lern-Erlebnis. Textbasierter Content wird dazu regelmäßig mit Video-, Animations-, Audio- und Bildmaterial angereichert. Die Didaktik ist stark von so genannten „Storytelling“-Techniken und hoch interaktiven Methoden geprägt. Darüber hinaus überprüfen laut Towards Maturity-Studie 87% der „Top Deck“-Unternehmen regelmäßig ihre Inhalte. 82% löschen obsolete Inhalte sogar komplett und integrieren stattdessen neuwertigen Content.
Fazit
Die Wissensqualität einer Organisation war schon immer ein entscheidender Wettbewerbsfaktor. In der digitalen Arbeitswelt wird es erfolgskritisch sein, wie zeitnah essenzielle Fähigkeiten aufgebaut und vor dem Hintergrund permanenter Veränderungen angepasst werden können. Qualifizierte Mitarbeiter mit einem ausgeprägten „Digital Mindset“ machen hier den Unterschied. Mit einer klaren Weiterbildungs-Strategie, die auf heutigen und zukünftigen Geschäftsanforderungen basiert, können Unternehmen wesentlich gezielter in digitale Lernformen investieren und digitale Geschäftspotenziale schneller und besser ausschöpfen.
Quellen
[1] Die ‚Modern Learning Content for Modern Workers‘-Studie basiert auf dem 2016/2017 Benchmark™ mit über 700 L & D Verantwortlichen sowie auf den Daten aus der ‚Learning Landscape™‘ Online Befragung von Towards Maturity, an der rund 6.000 Arbeitnehmer teilnahmen. Die vollständige Studie steht unter http://learn.skillsoft.com/Website-WP-Modern-Learning-Content-for-Modern-Workers-Download.html
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