Data Analytics als Beitrag zum Umweltschutz
Mit dem Energieeffizienzgesetz (EnefG) vom November 2023 sind energieintensive Unternehmen zu einer umfassenden Analyse ihres Energieverbrauchs über alle Energieträger hinweg verpflichtet worden. Um die anvisierten Einsparziele zu erreichen, ist eine umfassende Datenbasis aller Verbrauchsstellen und von Umweltfaktoren erforderlich. Welche Möglichkeiten in der digitalen Auswertung liegen, beleuchtet Christian Kaiser.
Seit Herbst 2023 sind energieintensive Unternehmen verpflichtet, ein Energie- und Umweltmanagementsystem zu etablieren sowie konkrete Maßnahmen zur Energieeinsparung festzulegen. Bereits ab einer niedrigen Schwelle bestimmter Gigawattstunden Jahresverbrauch fallen Unternehmen unter das neue Energieeffizienzgesetz. Zum Gesamtverbrauch pro Jahr zählen sämtliche Energieträger, also nicht nur Gebäude und Anlagen, sondern beispielweise auch der Fuhrpark. Laut IHK sind rund 12.400 Unternehmen in Deutschland von der Gesetzgebung betroffen. Die Fristen von 20 Monaten zur Implementierung begannen im Dezember 2023, sodass spätestens im September 2025 ein umfassendes Energiemonitoring vorliegen muss.
Notwendige Maßnahmen sind umfangreich
Die Unternehmensgröße spielt hierbei keine Rolle mehr. Lediglich der Energieverbrauch ist entscheidend. Es genügt keineswegs eine simple Quantifizierung der einzelnen Verbrauchsstellen. Ohne digitale Messstellen, die beispielsweise den Gasfluss und die Brennerleistung einer Heizungsanlage messen, auslesen und in verwertbares Zahlenmaterial umwandeln, ist eine Auditierung nach ISO 50001 als Nachweis der Gesetzeskonformität nicht mehr möglich.
Insbesondere der Abwärme und ihrer Weiternutzung widmet das Gesetz große Aufmerksamkeit. Das ergibt physikalisch Sinn, nimmt doch die sekundäre Wärmeerzeugung bei allen Verbrennungsprozessen einen Anteil von bis zu 70 Prozent der eingesetzten Primärenergie ein. Hierzu sind konkrete Maßnahmen zur Reduktion des Energieverlustes zu benennen und zu evaluieren. Die Nutzung überschüssiger Wärme kann etwa durch Anschluss an ein Nah- oder Fernwärmenetz erfolgen oder auch die hauseigene Heizung sinnvoll ergänzen. Der Identifikation relevanter Verbrauchsquellen und ihrer Urheber kommt ein weiterer großer Stellenwert zu. Neben der üblichen Dauerganglinie, also dem Energieverbrauch unter Regellast, geht es um definierte Spitzenlasten im Verbrauch, die nur selten auftreten dürften. Gleichzeitig bilden diese Spitzenlasten eine nicht zu unterschätzende Messgröße für eine künftige Umstellung beispielsweise der Heizungsanlage auf eine elektrische Variante. Die gemessene Spitzenleistung kann das regionale Stromnetz in Verbindung mit benachbarten Verbrauchern über Gebühr belasten. Diese Informationen sind also auch für Stromnetzbetreiber von großem Wert.
Mittels Regressionsanalysen lassen sich beispielsweise die Energieverbräuche einer Heizungsanlage anhand der Außentemperatur exakt prognostizieren. Hierbei wird der Gasverbrauch mit der jeweiligen Brennerleistung und der Außentemperatur korreliert. Aufbauend auf diesen Daten lassen sich Vorhersagen für kommende Heizperioden erstellen. Diese Informationen sind nicht nur für die Laststeuerung wichtig, um anhand einer Wetterprognose den Energieverbrauch des kommenden Tages zu prognostizieren. Sollten trotz Einsparmaßnahmen die Verbräuche im Vergleich zum Vorjahr nicht sinken, liefert die Regressionsanalyse eine Erklärung: Kältere Außentemperaturen führten zu höherer Brennerleistung und höherem Energieverbrauch. Gleiches gilt ebenso für den Fuhrpark, der je nach Auftragsvolumen mit steigenden Fahrstrecken die Einsparziele unter Umständen ebenfalls nicht einhalten kann. Sobald ein Fuhrpark elektrifiziert wurde, hat die Außentemperatur wiederum Auswirkungen auf die Effizienz der Ladevorgänge.
Bunte Grafiken allein reichen nicht aus
Liegen ausreichend Daten aus digitalen Messstellen und einer geeigneten Software vor, bedarf es noch einer detaillierten Analyse. Bei einem Messwert je Minute ergeben sich 525.600 Messwerte jährlich an jeder einzelnen Verbrauchsstelle. Spätestens hier ist eine übliche Tabellenkalkulation nicht mehr praktikabel, spezielle Software für Energiemonitoring bietet sich als Lösung an. Um aus den gemessenen Daten und berechneten Regressionen, also Zusammenhängen und Korrelationsmustern, die geeigneten Schlüsse für künftige Einsparmaßnahmen zu ziehen, kommen die Unternehmen um die Einbeziehung von Fachleuten nicht herum. Die Datenverarbeitung an sich stellt bereits einen hohen regulatorischen Aufwand dar. Zusätzlich muss aber auch die Datenqualität geprüft werden.
Ziel der Datenanalyse ist immer die Identifikation geeigneter Einsparmöglichkeiten und das Festlegen der Energieziele. Hierbei sind sowohl relevante Energieverbraucher zu identifizieren als auch weitergehende Einflussfaktoren wie die Personaleinsatzplanung, Wartungspläne oder Baumaßnahmen.
Der Aufwand ist nicht zu unterschätzen
Die Sammlung verschiedener Daten aus unterschiedlichen Quellen stellt die erste Hürde bei der Implementierung eines Energiemanagementsystems unter Einbeziehung von Data Analytics dar. Die Qualität der Daten kann sehr unterschiedlich ausfallen, verschiedene Energieträger erschweren die Datensammlung. Die unterschiedliche Herkunft der Daten beeinträchtigt die allgemeine Nutzbarkeit. Stromverbrauch in Kilowattstunden, Gasmenge in Kilogramm und Flugreisen in CO2-Äquivalenten lassen sich nicht ohne weiteres im Gesamtenergieverbrauch kombinieren. Die Qualität der Daten und auch ihre Herkunft über Dritte – seien es Kunden, Geschäftspartner, Subunternehmer oder Dienstleister – erschweren die Vergleichbarkeit und bedürfen einer breiten Expertise in Fragen des Energiemonitorings.
Zusätzlich sind Plausibilitätsprüfungen unerlässlich. Die Gefahr, durch falsche Grundannahmen zu fehlerhaften Ergebnissen zu kommen, ist groß. Die hierfür eingesetzte Software sollte eine möglichst hohe Schnittstellenkompatibilität aufweisen, um Datenexport und Detailanalyse ohne Medienbrüche für alle Bereiche des Unternehmens zu ermöglichen. Nicht zuletzt muss auch auf den Datenschutz Rücksicht genommen werden. Fuhrparks oder Belegungsanalysen lassen unter Umständen Rückschlüsse auf die Nutzer zu und sind daher zwingend zu anonymisieren, um einen Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) zu vermeiden. Hier drohen empfindliche Strafen.
Regulatorik und ESG zusammen denken
Die neue Gesetzgebung ist eine Einladung zur Energie- und Kostensenkung über alle Sektoren und Verbrauchseinheiten hinweg. Die Verpflichtung zu digitalen Messstellen aller Energieverbraucher bietet weitreichende Möglichkeiten, um ausufernde Verbräuche und ökologische Schwachstellen zu identifizieren. Außerdem sind Prognosen für die Zukunft möglich, die bei einer zunehmenden intelligenten Laststeuerung Vorteile bieten. Auch für Unternehmen, die nicht in der aktuellen Version des Gesetzes von der Regulatorik betroffen sind, existieren weitreichende Anwendungsmöglichkeiten, um den eigenen Energieverbrauch zu analysieren, zu steuern und für die Zukunft zu ertüchtigen. Mit steigenden CO2-Preisen bietet das Anfangsinvestment außerdem künftige Vorteile. Ab 2027 wird der CO2-Preis im Rahmen des europäischen Emissionshandels bestimmt. Bis dahin wird der Preis nach aktuellem Stand auf bis zu 65 Euro pro Tonne steigen. Kalkulatorisch bleibt also für die Unternehmen eine signifikante Unsicherheit in Bezug auf die künftigen Energiekosten. Sicher ist jedoch schon jetzt: Weniger Energieverbrauch bedeutet nicht nur Umweltschutz, sondern auch Ausgabensenkung.
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