Das Potential von KI in der Kundenbetreuung

Der digitale Aufschwung hat neben anderen Branchen auch den Kundenservice erreicht. Entwicklungen in der künstlichen Intelligenz (KI) ermöglichen eine verstärkte Automatisierung des Kundensupports und bringen viel Wertschöpfungspotenzial mit sich. Indem das Zusammenspiel von KI und Servicemitarbeitenden funktioniert, kommt es zu kürzeren Reaktionszeiten und zufriedeneren Kund:innen. Trotzdem gibt es ein paar Hürden auf dem Weg zu einer erfolgreichen KI. Unternehmen können diese aber mit guter Planung und Kommunikation meistern.
Von   Matthias Goehler   |  Chief Technology Officer EMEA   |  Zendesk
26. Juli 2022

Die Pandemie hat viele unserer gewohnten Verhaltensmuster verändert: Die Kommunikation hat sich zu weiten Teilenin den digitalen Raum verlagert – auch im Kundenservice. Dadurch sind viele Verbraucher:innen noch vertrauter mit Technologie geworden. Gleichermaßen sind aber auch die Erwartungen der Kund:innen an den Kundenservice im letzten Jahr deutlich gestiegen: 43 Prozent der deutschen Verbraucher:innen gaben bei einer Befragung für den Zendesk CX Trends Report 2022 an, jetzt höhere Erwartungen zu haben als noch im Jahr zuvor. Dies ist unter anderem auf eine größere Onlineaktivität von Verbraucher:innen zurückzuführen. Viele Kund:innen greifen bei Problemen seltener zum Telefonhörer, sondern möchten zwanglos über die digitalen Kanäle wie zum Beispiel E-Mail, Live-Chat oder Messaging-Diensten mit Unternehmen kommunizieren. Mittlerweile erwarten Kund:innen, dass der Support rund um die Uhr verfügbar ist. Supportkanäle spielen somit eine immer größere Rolle, um den gestiegenen Erwartungen zu entsprechen.

Allerdings hat laut einer aktuellen Umfrage der Verbraucherzentrale Bundesverband jede:r fünfte deutsche Verbraucher:in in den letzten zwölf Monaten beim Kontakt zum Kundenservice eines Unternehmens eine sehr oder eher negative Erfahrung gemacht. Unternehmen sollten hier dringend eine Strategie erarbeiten, denn der Kundenservice kann sich unmittelbar auf den geschäftlichen Erfolg auswirken. Fast die Hälfte (48 Prozent) der deutschen Verbraucher:innen trifft Kaufentscheidungen auf der Grundlage der Qualität des Kundenservices, wie der CX Trends Report zeigt. Laut Verbraucherzentrale-Umfrage ist das häufigste Problem für eine negative Service-Erfahrung, dass mehrfache Kontakte notwendig sind, bis das Problem der Betroffenen gelöst wird. Außerdem gibt es häufig zu lange Wartezeiten. Genau hier kann künstliche Intelligenz ins Spiel kommen: Der Einsatz von KI im Service kann dafür sorgen, simple Kundenanfragen schnell und zielführend zu beantworten. Dadurch entsteht eine Win-Win-Situation: Der Kunde oder die Kundin muss nicht in langen Warteschleifen warten, sondern erhält schnell eine Lösung für das Problem. Das Serviceteam wiederum wird entlastet und kann sich derweil um komplexere Anfragen kümmern.

Servicemitarbeitende unter Druck

Insgesamt hat die Anzahl der Anfragen, die beim Kundenservice landen, im Verlauf der Pandemie zugenommen. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass die persönlichen Interaktionen im Geschäft teilweise ab März 2020 nicht mehr oder nur reduziert möglich waren. Durch die veränderten Rahmenbedingungen, die Unternehmen aller Branchen betrafen, gab es ein erhöhtes Aufkommen an Kundenservice-Anfragen. Somit rückte die Serviceabteilung immer mehr in den Fokus.

Die bereits genannten Kundenerwartungen führen zu größerem Druck auf Serviceagent:innen. Mehr und mehr Service-Agenten haben mit Burnout zu kämpfen. Dem muss entgegengewirkt werden – die Unterstützung vonKundenservicemitarbeitenden muss ein klarer Schwerpunkt für Unternehmen in 2022 sein. Viele Führungskräfte sind überzeugt, dass Kundenservicemitarbeitende eine entscheidende Rolle in der Absatzförderung spielen. 47 Prozent der Unternehmen geben an, dass sie mit einem beeindruckenden Kundenservice mehr Möglichkeiten für Cross-Selling haben, da Kund:innen eher Empfehlungen von Service-Agenten annehmen. Ein triftiger Grund also, um in die Gesundheit und das Wohlbefinden von Serviceagent:innen zu investieren.

Trotzdem sieht die Realität anders aus: Allzu oft landen Kund:innen in einer langen Warteschleife. Viele Unternehmen versprechen kurze Antwortzeiten – auf Kosten der Serviceagent:innen.

 Die Lösung: Entlastung durch KI

Mit Hilfe von KI-basierten Tools können sowohl Kund:innen zufrieden gestellt als auch Mitarbeitende entlastet werden. Dies führt zu einem verbesserten Serviceerlebnis – auf beiden Seiten. Unternehmen erkennen das bereits: Fast jedes fünfte deutsche Unternehmen gibt im CX Trends Report an, dank KI eine sehr hohe Kapitalrentabilität erreicht zu haben. Etwa knapp die Hälfte (48 Prozent) der Führungskräfte in deutschen Unternehmen verfolgt bereits heute eine klare Strategie bei der Einbindung von KI und anderen Automatisierungen im Kundenservice. Derzeit bieten jedoch nur knapp ein Viertel der deutschen Unternehmen Self-Service- oder Chatbot-Lösungen an. Über die Hälfte der befragten Führungskräfte möchte ihre Ausgaben für KI zukünftig erhöhen.

Nach und nach werden noch mehr Unternehmen die Vorteile von KI erkennen und wir gehen davon aus, dass der gesamte Service bis 2025 KI-gestützt sein wird. KI kann zum einen dabei helfen, erste Informationen zu erfassen, bevor die Anfrage an einen Agenten weitergeleitet wird. Zum anderen kann sie Probleme auf intelligente Weise an den richtigen Service-Agenten weiterleiten, der Unterstützung leistet. Daneben schafft ein gut aufgebauter Self-Service, der den Kund:innen bei wiederkehrenden Fragen hilft, Entlastung: Kund:innen können schnell und eigenständig Antworten auf ihre Fragen finden, Unternehmen sparen Ressourcen und Servicemitarbeitende haben weniger Druck. Als Grundlage für Self-Service wird das kollektive Wissen des Unternehmens sowie dessen Mitarbeitenden gesammelt und an einem zentralen Ort abgespeichert. Essenziell hierbei ist es, diese Wissensdatenbank kontinuierlich zu ergänzen sowie veraltete Informationen auszutauschen.

Durch die Zusammenarbeit von KI und der Wissensdatenbank müssen Mitarbeitende nicht mehr lange suchen und zwischen verschiedenen Tools und Kanälen hin- und herspringen, bis die Antwort passt. Die KI lernt aus den Fragen und vorgeschlagenen Antworten der Kund:innen und schlägt so Kundenservicemitarbeitenden automatisch passende Artikel oder vorgeschriebene Antwortmöglichkeiten auf Kundenanfragen vor.

Die Wissensdatenbank ist nicht nur für Agent:innen vorteilhaft, sondern auch für Verbraucher:innen. Im Zusammenspiel mit KI kann auf dieser Basis zudem eine interaktive Service-Möglichkeit in Form eines Chatbotsaufgebaut werden. Kund:innen können per Chat ganz einfach Fragen an den Chatbot stellen und bekommen die passende Antwort aus der Wissensdatenbank. Ist die Antwort nicht zufriedenstellend, kann der Chatbot den Kontakt zum Kundenservicemitarbeitenden initiieren. Auf diese Art und Weise sparen Agent:innen Zeit, da sie direkt einen Überblick über die Anfrage bekommen. Kund:innen erhalten gleichzeitig schneller eine Antwort und müssen ihr Anliegen nicht bei verschiedenen Mitarbeitenden wiederholen. 52 Prozent der deutschen Unternehmen setzen Chatbots ein und helfen den Kund:innen so, ein Anliegen zu lösen. Die Nutzung von KI kann so die Produktivität der Mitarbeitenden erhöhen und den Workflow verbessern.

Fast die Hälfte der deutschen Nutzer:innen stimmt zu, dass sich die Entwicklung von KI positiv auf den Kundenserviceauswirkt. Viele Kund:innen finden, dass diese ihnen das Leben erleichtert und Zeit spart. Ein KI-gestützter Kundenservice bietet rund um die Uhr, sieben Tage die Woche, die Möglichkeit Antworten auf Fragen und Lösungen für gewisse Probleme zu bekommen. Fast jede:r Verbraucher:in stand bereits mit einem Chatbot in Kontakt.

Hürden bei der Wertschöpfung von KI entfernen?

Technologische Hürden wie etwa nicht ausreichende oder unzuverlässige Datensätze hindern die KI daran, korrekt zu funktionieren. Wenn Unternehmen die Wissensdatenbank schlecht pflegen und nicht kontinuierlich auf den neuesten Stand bringen, kann der Algorithmus nicht richtig lernen und schlägt falsche oder veraltete Antworten vor. Das frustriert wiederum Kund:innen. Neben diesem Aspekt und fehlendem Know-How gibt es auch mögliche negative Einstellungen der Mitarbeitenden sowie der Kundschaft gegenüber KI und das damit einhergehende fehlende Vertrauen in Technologie. Die Hälfte der deutschen Kund:innen kann sich vorstellen, dass der Einsatz von KI zu Jobverlusten führen wird. Davon ist derzeit nicht auszugehen. Es wird immer einen Bedarf für menschliche Interaktion geben, aber KI kann diese unterstützen und effizienter für alle gestalten. Für Unternehmen ist es essenziell, sorgfältig zu planen, wie sie KI einsetzen, um ihre Agenten besser zu unterstützen. Gleichzeitig sollten sie den Kund:innen gegenüber so transparent sein zu sagen, wann diese mit einem Chatbot sprechen und immer die Option anbieten, direkt mit einem Servicemitarbeitenden zu reden. Unternehmen müssen dafür die Informationen über Kund:innen zentralisiert vorhalten, um einen kontinuierlichen Gesprächsfluss zu ermöglichen. Kund:innen sollten nicht ihre Kundennummer und ihr Anliegen wiederholen müssen, nur weil sie an einen Agenten oder eine Agentin weitergeleitet wurden. Im Gegenteil, der Chatbot sollte diese Informationen sammeln und sie dem Servicemitarbeitenden weitergeben, damit dieser effizienter arbeiten kann.

Es ist außerdem wichtig, dass Führungskräfte eine positive und transparente Einstellung gegenüber Künstlicher Intelligenz zeigen. Hierbei können Weiterbildungsmaßnahmen helfen, um Mitarbeitenden das Thema näherzubringen. Denn wer KI als Chance begreift, und nicht als Gefahr, positioniert das Unternehmen in Richtung Fortschritt und Modernisierung.

Und auch auf Kundenseite gilt es, Barrieren zu berücksichtigen. Denn nicht alle Kund:innen geben sich mit dem Kontakt zu einem KI-gestützten Chatbot zufrieden. Unternehmen sollten immer die Option anbieten, mit einem “echten” Kundenservicemitarbeitenden zu sprechen. Das ist wichtig, um durch den persönlichen Kontakt Kund:innen wirklich zu verstehen und langfristig zu halten. 54 Prozent der Kund:innen sagen, dass ihre größte Frustration mit Chatbots die Anzahl der Fragen ist, die sie beantworten müssen, bevor sie an einen Supportmitarbeitenden weitergeleitet werden. Solche Einschränkungen von KI im Kundenservice gilt es zu berücksichtigen.

KI sollte in eine Omnichannel-Strategie integriert sein

Für Unternehmen ist es wichtig, die richtige Balance zu finden und Kund:innen eine ausreichende Self-Service-Funktion zu bieten, aber auch Servicemitarbeitende schnell und unkompliziert einbinden zu können. Die KI-Anwendungen sollten daher in eine Omnichannel-Strategie eingebettet sein.

Gleichzeitig ist es wichtig, ein Omnichannel-Supporterlebnis zu schaffen, welches Kund:innen die Möglichkeit bietet, sich auf mehreren unterschiedlichen Kanälen mit dem Kundenservice in Verbindung zu setzen.

Der Begriff Künstliche Intelligenz mag für einige noch unbekanntes Terrain sein. Die Realität ist jedoch, dass der Einsatz von KI in Unternehmen Wettbewerbsvorteile sichert und das Kundenerlebnis verbessert. KI ist die Zukunft: Knapp ein Viertel der deutschen Unternehmen bieten derzeit bereits KI-gestützte Chatbot-Services an und ein weiteres Viertel plant, diese Funktion in näherer Zukunft einzuführen. Kund:innen erfahren dank KI mehr Unabhängigkeit in ihrer Lösungssuche und Servicemitarbeitende werden von monotoner Arbeit entlastet. Lösungsorientierte Tools sind der Schritt in die richtige Richtung, um Kund:innen auch nach dem Kaufabschluss zufriedenzustellen.

Als CTO verantwortet Matthias Göhler die Entwicklung der Vision von Zendesk bezüglich der Innovationen im Bereich Customer Experience. Seine Leidenschaft ist es, Marken dabei zu unterstützen, herausragende Kundenerlebnisse zu verwirklichen, um so tiefere Kundenbeziehungen und Markentreue aufzubauen.

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