Das datengetriebene Unternehmen – wie Verantwortliche der Bedeutung von Daten gerecht werden

Von   Benedikt Bonnmann   |  Leiter Line of Business Data & Analytics   |  adesso SE
18. März 2021

Das neue Öl, das neue Gold, der Rohstoff des 21. Jahrhunderts – wenn es um Daten geht, scheint kein Superlativ zu groß zu sein. Dabei haben die meisten Daten an sich noch kein Wert inne. Die Verantwortlichen müssen sammeln, sortieren, aufbereiten, überprüfen, strukturieren, aggregieren und/oder gegebenenfalls labeln. Die Kompetenz der Datenverarbeitung ist – unter anderem angesichts der zunehmenden Bedeutung von KI-Verfahren – eine der zentralen Kompetenzen für Unternehmen.
Dabei bedarf es – auch wenn die landläufige Meinung etwas anderes suggeriert – nicht einfach nur vieler Daten und KI-Anwendungen finden dann schon irgendetwas sinnvolles. Erst braucht es eine solide Datenbasis. Erst auf dieser Grundlage gewinnen Unternehmen dann neue Erkenntnisse und bieten neue Services an. Dazu bedarf es eines organisatorischen und kulturellen Wandels. Unternehmen müssen Datenprozesse mit der gleichen Ernsthaftigkeit und der gleichen Gewissenhaftigkeit angehen wie Abläufe in der Produktion, im Vertrieb oder im Personalbereich. Erst dann spielen KI-Anwendungen ihre Stärken aus.

Die folgenden Ausführungen beschäftigen sich mit Möglichkeiten, wie Unternehmen Prozesse, Strukturen und Kompetenzen aufbauen, die dieser Bedeutung von Daten gerecht werden.

Vom Siegeszug des Digitalen

Abhängig von Branche, Geschäftsmodell, Alter oder auch Kultur sind Unternehmen im Umgang mit Daten unterschiedlich weit entwickelt. Zur Charakterisierung lassen sich drei Stufen der Bedeutung von Daten unterscheiden. Diese sind nicht strikt voneinander abzugrenzen, die Übergänge von einer Stufe zur nächsten sind fließend. Die Einteilung hilft Entscheidern dabei, die Position des eigenen Unternehmens besser zu verstehen.

Digitaler Prozessschritt

Indikator: Daten werden digital erfasst und angefragt, Medienbrüche entfallen

Konsequenz: In dieser Phase kommen die bereits beschriebenen ERP- oder CRM-Anwendungen zum Einsatz. Der vorherrschende Datenfluss ist ein Digitaler. Vertragsdaten, Produktkataloge oder Kundendaten liegen in den Systemen vor und können hier abgefragt und bearbeitet werden

Digitale Wertschöpfungskette

Indikator: Daten sind integraler Bestandteil der Steuerung

Konsequenz: Auswertungswerkzeuge wie Business-Intelligence-Anwendungen analysieren die im IT-System erfassten Daten. Sie geben Entscheidern einen Überblick über die Entwicklung zentraler Kennzahlen. Auf dieser Basis planen die Verantwortlichen und treffen Entscheidungen. Daten sind somit ein integraler Bestandteil der Unternehmenskultur geworden.

Datengetriebenes Geschäftsmodell

Indikator: Daten und ihre Verwertung sind die Basis für Services und Produkte

Konsequenz: Unternehmen prüfen das Potenzial aller zur Verfügung stehenden Daten für das Entwickeln neuer Geschäftsmodelle und Services. Die Prozesskette der Datenverarbeitung ist weitgehend automatisiert. KI-Verfahren unterstützen die Analyse und Auswertung der Datengrundlage.

Viele Unternehmen – gerade aus klassischen Branchen – lassen sich der Stufe „Digitaler Prozessschritt“ zuordnen. Aber quer durch alle Wirtschaftszweige ist eine Entwicklung in Richtung „datengetriebenes Geschäftsmodell“ zu beobachten. Das hat zwei Ursachen: Einerseits erwarten immer mehr Verbraucher das nahtlose Einbinden von Produkten und Services in ihre Lebenswelten. Das Auto, das selbständig einen Wartungstermin vereinbart. Oder der Sportschuh, der Tempo und Distanz misst und auswertet. Solche Angebote sind ohne digitale Technologien undenkbar. Andererseits erkennen immer mehr Verantwortliche in Unternehmen das Potenzial der engen Verknüpfung der realen mit der digitalen Welt.

Naturgemäß tun sich einige Unternehmen mit dieser Dominanz der Daten schwerer als andere. Wer Suchmaschinen, Social-Media-Plattformen oder Musik-Streaming-Dienste betreibt, kennt nichts anderes als Daten und Algorithmen. Wer aber von Haus aus Maschinen baut, hat seine Kompetenzen genau um dieses Bauen herum aufgebaut. Daten spielen in dieser Welt eine Rolle – aber nicht die Zentrale. IT diente bisher dazu, bestehende Prozesse am Laufen zu halten. Oder dazu, sie effizienter zu gestalten. Aber dass die Datenanalyse ein entscheidender Innovationsfaktor ist, muss in vielen Institutionen und bei vielen Verantwortlichen noch ankommen. Wer jedoch diesen Punkt verpasst, läuft Gefahr durch einen Angriff auf die Daten im Prozess durch andere Marktbegleiter die eigene Kundenschnittstelle zu verlieren und damit schlussendlich in einer zukünftigen Plattformökonomie nur noch Zulieferer zu sein.

Wie können Unternehmen diese Herausforderung angehen? Wie sieht eine Blaupause für Organisation, Technologie und Prozesse aus? Wie sollen die Verantwortlichen den Veränderungsprozess gestalten? Der Aufbau einer Datenplattform liefert Antworten auf diese Fragen.

Datenplattform – die Grundlage, auf der datengetriebene Unternehmen aufbauen

Eine Datenplattform ist ein Konglomerat aus verschiedenen Technologien, Prozessen und Funktionalitäten, die das Nutzbarmachen von Daten im Unternehmen ermöglicht. Sie beschreibt das Anordnen und Verzahnen von Prozessen und Technologien, damit am Ende neue, datenbasierte Services oder Angebote entstehen.

Als Grundlage für die Entwicklung dient eine funktionale Architektur, die losgelöst von den konkreten Implementierungsoptionen, alle funktionalen Rahmenparameter definiert und entsprechend als Architektur- und Organisationsgrundlage dient.

Unten docken mögliche Datenquellen an. Die erste Aufgabe der Plattform ist es, Daten aus unterschiedlichen Quellen in unterschiedlichen Formaten – ob strukturiert, unstrukturiert oder polystrukturiert – zu integrieren, zu katalogisieren, sodass sie sichtbar und damit verfügbar und „bestellbar” werden. Die Datenakquisition ist der initiale Schritt der Bereitstellung von Daten. Sie erlaubt, diese in der Datenplattform weiter verarbeiten zu können.

Diese Daten übergibt die Integrationsschicht an die Datenverteilung. Damit können Unternehmen sie bei Bedarf direkt für datengetriebene Services (zum Beispiel bei Echtzeitdatennutzung) einsetzen. Zusätzlich und alternativ sollten die Daten auch in die Datenbereitstellung einfließen. Sie hat die Aufgabe, Daten zu speichern, zu sortieren und aufzubereiten. Wichtig ist, dass Unternehmen sämtliche Daten in ihrer Rohform vorhalten und darüber hinaus wirklich nur die für alle nachfolgenden Schritte notwendigen Anpassungen zentral bereitstellen. Dabei gilt, das Weiterverarbeiten der Daten beispielsweise durch das Kuratieren, sorgfältig zu planen. Informationen, die einmal entfernt werden, stehen später für andere Einsatzzwecke nicht mehr zur Verfügung. Dieser Aspekt ist in Komplexität und Wichtigkeit nicht zu unterschätzen. Er hat direkte Implikationen auf die Aufteilung von Aufgaben und die Ausprägung der Organisation – und er ist einer der wichtigen Unterschiede zu den Data Warehouse Systeme der 2000er Jahre.

Die Datenbereitstellung dient grundsätzlich lediglich der Unterstützung der datengetriebenen Anwendungen, Services und Produkte. Dahinter verbergen sich die einzelnen Datenservices, die auf der Plattform bereitgestellt werden. Dies können Prognosen mit API- Zugriff, Data-Mart-Szenarien inklusive Visualisierung oder das Bereitstellen von kuratierten Informationen zur Unterstützung von operativen Geschäftsprozessen sein. Hier entstehen aus Daten und Logik neue Services – ein weiterer entscheidender Unterschied zwischen einer modernen Datenplattform und reinen Data-Warehouse-Systemen.

Für die Entwicklung von KI-Modellen benötigt man zwangsläufig Daten. Hierfür gibt es einen dedizierten Funktionsbereich: das „Data Lab“. Hier erproben die Data Scientists neue datengetriebene Anwendungsfälle im Labormodus und entwickeln so Schritt für Schritt weitere DDPs (Data Driven Products). Die Umsetzung und Skalierung der entsprechenden Use-Cases erfolgt immer in einer dezentral angelegten Form, um das ganze Potential auszuschöpfen und keine Engpässe zu erzeugen.

Am Ende steht das Nutzen der Services durch Anwender und auch Kunden, häufig eingebunden in bestehende Anwendungen und Oberflächen. Begleitet wird die beschriebene Wertschöpfung aus Daten durch Governance-Funktionen und eine Data Culture, die den korrekten Umgang mit Daten sicherstellen. Dazu gehören beispielsweise Funktionen wie das Logging, das Rechtemanagement oder die Idee mithilfe von Daten neue Services anzubieten. Darüber hinaus ist eine Fehlertoleranz ein immanenter Kulturbaustein, da man erst durch das wirkliche Verproben der Anwendungsfälle mit den Daten erkennen kann, ob der entsprechende Use-Case erfolgsversprechend ist oder nicht.

Fazit

Datenplattformen sind das Instrument, mit dem Verantwortliche das Ziel des datengetriebenen Unternehmens erreichen. Eine so aufgebaute Plattform ist die Keimzelle der Datenverarbeitung. Hier sind Abläufe ähnlich wie in einem industriellen Produktionsprozess strukturiert. Die verlässlichen Abläufe tragen zur Automatisierung bei. Entwickler müssen den Datenfluss nicht für jede Anwendung gänzlich neu planen und aufsetzen. Sie wissen, wo welche Daten in welchem Format mit welcher Qualität auflaufen und wie sie am Ende genutzt und präsentiert werden. So können sie die notwendige Datenbereitstellung für KI-Entwicklungsprojekte schneller und zuverlässiger umsetzen. In der Endausbaustufe lässt sich so eine Data Factory aufsetzen, die kontinuierlich neue wertstiftende Datenservices hervorbringt.

Die Folge: Eine signifikant reduzierte Time-to-Market. Darin und in der Mehrfachnutzung einer Datenverwaltung für unterschiedliche DDPs liegt der ökonomische Vorteil. Sie ist ein wichtiges Instrument auf dem Weg zum datengetriebenen Unternehmen.

 

gründete nach Stationen in der BI-Beratung mit SAP-Schwerpunkt ein eigenes Beratungshaus, welches von der adesso Group übernommen wurde. Er beschäftigt sich mit Data Analytics & KI und ist er verantwortlich für den Unternehmensbereich Data & Analytics sowie für die KICommunity.

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