Aufbau und Monetarisierung einer industriellen Datenbasis

Die Wirtschaft im 21. Jahrhundert ist datengetrieben. Die zielgerichtete Datennutzung bietet daher entscheidende Wettbewerbsvorteile. Was aber ist der Status-quo und was sind die aktuellen Herausforderungen deutscher Unternehmen bei der Nutzung industrieller Daten? Der folgende Text zeigt Unternehmen, Verbänden, Politik und Wissenschaft Handlungsoptionen auf, wie Daten schrittweise in die Prozesse integriert und monetarisiert werden können.
Von   Harald Schoening   |  Vice President Research für die öffentlich geförderten Forschungsprojekte   |  Software AG
8. Dezember 2023

Wo die deutsche Industrie steht

 

Daten werden oft als das Öl des 21. Jahrhunderts beschrieben. Dieser Argumentation folgend ist die sichere und lukrative Nutzung von Daten der Schlüssel zu einer erfolgreichen und modernen Volkswirtschaft. Doch wie stehen Deutschland und Europa im internationalen Vergleich da? Und wie groß sind die tatsächlichen Potentiale zum Aufbau, der Nutzung und der Monetarisierung der industriellen Datenbasis?

Diese und weitere Fragen wurden vom Forschung–Innovation–Realisierung (FIR) e. V. an der RWTH Aachen in Kooperation mit dem Industrie 4.0 Maturity Center (Herausgeber Forschungsbeirat Industrie 4.0 / acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften) anhand einer Expertise erläutert.

Die Expertise steht hier kostenlos zum Download bereit.

Basierend auf den Ergebnissen werden in der Expertise Handlungsoptionen aufgezeigt, welchen Beitrag Politik, Wissenschaft und Verbände leisten können, um die Datenmonetarisierung zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil in Deutschland zu machen.

Digitalkonzerne gehören zu den Unternehmen mit der höchsten Marktkapitalisierung. Der Unternehmenswert wird im Gegensatz zu konventionellen Industrieunternehmen also kaum noch durch physische Assets und umso mehr durch Daten und Informationen bestimmt. Aufgrund dieses Wettbewerbsvorteils müssen auch die Unternehmen der produzierenden Industrie ihre Geschäftsmodelle und -prozesse digital transformieren. Im Verhältnis zu Deutschlands wirtschaftlicher Bedeutung stellt das Land weiterhin zu wenig Potenzialträger für die datengetriebene Wirtschaft. Insbesondere die Pandemie hat die Schwächen im Bereich der Digitalisierung deutlich werden lassen.

Data Spaces werden als ein geeignetes Mittel zur Stärkung in dieser Beziehung angesehen. Wichtig wäre hier aber, dass alle Unternehmen den Nutzen von Data Spaces erkennen, verstehen und ein Konzept haben, diesen auch zu monetarisieren.

Im Rahmen der genannten Expertise wurden Unternehmen in den Handlungsfeldern Aufbau, Nutzung und Monetarisierung befragt, um Einschätzungen zu Aspekten wie Datenqualität, Arten und Zielen der Datennutzung abzugeben. Wesentliche Ableitungen der Umfrage ergeben, dass die produzierenden Unternehmen in der Monetarisierung ihrer Daten deutlich schlechter aufgestellt sind als in Aufbau und Nutzung der Datenbasis. Bei einem Großteil der befragten Firmen sind darüber hinaus bislang keine Strategien zum Aufbau einer Datenbasis umgesetzt, was eine Konsistenz im Umgang mit Daten erschwert. Die Nutzung der Daten findet weitgehend in den Bereichen Verwaltung, Marketing und Vertrieb statt, wobei die Datenanalyse meist manuell stattfindet und als Entscheidungsgrundlage für die Optimierung interner Prozesse dient.

Um die Daten monetarisieren zu können, ist außerdem die Schätzung deren Wertes wichtig. Die Zahlungsbereitschaft von Kunden sowie der antizipierte Kundennutzen sind dafür die Grundlage. Allerdings spielt ein spezialisierter Datenvertrieb oder -verkauf dabei bislang nur eine kleine Rolle.

 

Aktuelle Herausforderungen

 

Für die erfolgreiche Implementierung der Datenbasis in die Geschäftsmodelle werden drei wesentliche Herausforderungen identifiziert. Einerseits besteht in deutschen Industrieunternehmen eine Unsicherheit bezüglich des sicheren und rechtskonformen Umgangs mit den Daten. Andererseits befinden sich viele Unternehmen noch in einem grundsätzlichen Rückstand in der Digitalisierung und verfügen nicht über ausreichend Fachkräfte, Technologiestandards und Kompetenzen. Auch die Qualität der vorhandenen Daten ist nicht ausreichend hoch. Darüber hinaus wird der Datenaustausch durch fehlende Quantifizierungsmöglichkeiten des Nutzens erschwert. Daten werden als wertvolle Ressource begriffen, doch ohne die exakte Bestimmung des Werts der Nutzung, halten sich viele Unternehmen zurück, sie entsprechend zu nutzen.

Das müssen die Unternehmen tun

 

Handlungsbedarfe und entsprechende Optionen werden in der Expertise explizit an Unternehmen, Verbände, Wissenschaft und Politik adressiert. Um die identifizierten Herausforderungen anzugehen ist es zunächst wichtig, eine entsprechende strategische Positionierung des Themas im Unternehmen festzulegen.

Um die Datenqualität und deren Verfügbarkeit zu erhöhen, müssen Unternehmen zunächst ihre internen Prozesse digitalisieren. Prozesse und Produkte können somit verbessert und langfristig Kosten reduziert werden. Extern lassen sich Daten über den Verkauf einer Leistung vermarkten.

Hierzu bestehen verschiedene Optionen wie etwa der direkte Verkauf der Rohdaten, Smart Services als Leistungen im Paket mit einem Industrieprodukt (bspw. präventive Wartungen) und produktunabhängige Services (bspw. Datenbasierte Beratungsleistungen). Wenn Daten in Unternehmen somit als Teil einer Leistung mit konkretem Nutzen verstanden werden, tragen sie dazu bei, Angebote für Kunden zu verbessern oder vollständig neue Geschäftsmodelle zu schaffen. Die Preise für solche Leistungen können basierend auf dem Kundennutzen ebenfalls von spezifischen Kundendaten ermittelt werden.

Unternehmen können Daten auch nutzen, um im Service mit Dienstleistungen Geld zu verdienen. Dazu müssen sie verstehen, welche Daten welchen Nutzen im Service haben.

Durch den Aufbau einer entsprechenden Führungskultur und die Integration von Datenanalysen anhand von KPIs entsteht eine Basis für Standards. Außerdem kann die nutzergerechte Aufarbeitung und Visualisierung der Daten einen wichtigen Faktor bilden, um Mitarbeitende für die Datennutzung zu gewinnen. Für die Monetarisierung ist es entscheidend, dass sich die ökonomischen Vorteile sowohl für die Organisation als auch für die Kunden quantifizieren und darstellen lassen. Die Analyse von Produktnutzungsdaten ermöglicht es beispielsweise Kunden wirtschaftliche Potentiale in der Prozessoptimierung sowie der Arbeitserleichterung darzulegen und anschließend zusätzliche Leistungen zu verkaufen.

Die enge Einbindung des Vertriebs ist daher ebenso elementar. Es stellt sich die Frage nach Vertriebswegen für digitale Produkte und Leistungen. Dies kann beispielsweise durch die Verknüpfung mit anderen Leistungen erfolgen. Der Customer Success Manager etwa analysiert, wie Kunden digitale Systeme nutzen, welche Probleme auftreten und ob Bedürfnisse darüber hinaus bestehen. Der Vertriebserfolg ist hier entscheidend von der Kompetenz abhängig, dem Kunden das Wertschöpfungspotential von Daten und Services zu verkaufen. Eine Herausforderung besteht dabei unter anderem darin, dass Boni im Vertrieb gewöhnlich umsatzabhängig sind, weshalb es in vielen Industrieunternehmen ökonomisch sinnvoller ist, einmalig Industrieprodukte zu vertreiben als kurzfristig günstigere Datenprodukte und Serviceleistungen. Grundsätzlich können insbesondere in Industrieunternehmen Service-Lösungspakete mit datenbasierten Leistungen ein sinnvolles Modell darstellen. Dies sorgt für eine Steigerung des vom Kunden wahrgenommenen finanziellen Mehrwerts und die Diskussion über die Preise findet nicht auf der Ebene individueller Leistungen statt, sondern auf der des Gesamtpakets.

Neben Unternehmen können auch Verbände die Datennutzung sowie die Monetarisierung erhöhen, indem sie als vertrauensbildender und neutraler Akteur agieren. So können sichere Ökosysteme aufgebaut werden, in denen Industrieunternehmen ihre Daten zur gemeinsamen Nutzung austauschen, ohne etwa den Verlust der Souveränität ihrer eigenen Daten zu befürchten. Aufgrund des breiten Netzwerks von Verbänden, können diese viel Know-how binden und somit die Festlegung von gemeinsamen Standards zur finanziellen Datenbewertung vereinfachen.

Auch politisch gibt es Ansatzpunkte, um die Datennutzung und -monetarisierung in der Industrie zu stärken. Wichtig sind dabei Investitionen in Bildung und die finanzielle Förderung von Digitalisierungsaktivitäten, insbesondere für KMU. Außerdem ist der zielstrebige Ausbau der technischen Infrastruktur, wie 5G und Glasfaser die Basis für eine erfolgreiche Digitalisierung. Auch kann die Politik insbesondere kleinere Unternehmen mit Aufklärungs- und Beratungsarbeit zu Fragen des Datenrechts Hilfestellung leisten, um die Anwendung rechtssicher zu machen und Bedenken aufzulösen.

Die Wissenschaft kann beispielsweise durch die Definition von End-to-End-Konzepten unterstützen, in denen sich verschiedene Industrieunternehmen innerhalb einer Wertschöpfungskette zusammenfinden und einordnen können. Auch die Entwicklung von Konzepten für die Datennutzung zwischen Unternehmen und den sicheren und vertrauensvollen Austausch von Daten ist eine wichtige Aufgabe. Die Nutzung von Kundendaten oder Daten anderer europäischer Unternehmen könnte mit der Umsetzung der Initiative GAIA-X oder dem EU Data Act weiter erhöht werden.

 

Fazit

 

Das Potenzial von Industriedaten in Deutschland ist enorm. Um dieses besser erschließen zu können, muss jedoch eine Datengrundlage aufgebaut werden. Auch ein grundsätzliches Umdenken bezüglich des Umgangs mit Daten ist notwendig. Die hier dargestellten Handlungsoptionen bieten Industrieunternehmen Guidelines, wie sie schrittweise den Wert von Daten für sich festlegen und finanziell nutzen können. Auch Verbände, Politik und Wissenschaft können hier unterstützen.

Wir müssen funktionierende Praxisbeispiele für Datenmonetarisierung bekannter machen, damit Unternehmen dadurch inspiriert werden, diese Beispiele in ihre eigene Welt zu übertragen!

Dr. Harald Schöning ist bei der Software AG als Vice President Research für die öffentlich geförderten Forschungsprojekte der Software AG verantwortlich. Er ist Sprecher der Industrie im Forschungsbeirat Industrie 4.0. Er hat an der Universität Kaiserslautern Informatik studiert und promoviert.

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