Führung in der politischen Krise: Wie Unternehmen Halt geben

Die letzten Jahre waren für Unternehmen von multiplen Krisen wie der Corona-Pandemie, steigenden Energiepreisen und Fachkräftemangel geprägt. Nun beeinflusst auch die spürbare politische Polarisierung die Stimmung von Mitarbeitenden. In diesem Umfeld einen klaren Kurs zu halten, ist eine große Herausforderungen für Arbeitgeber.
Von   Philipp Riedel   |  Geschäftsführer   |  YER Deutschland
22. September 2025

Führung in der politischen Krise:

Wie Unternehmen Halt geben

 

 

Die letzten Jahre waren für Unternehmen von multiplen Krisen wie der Corona-Pandemie, steigenden Energiepreisen und Fachkräftemangel geprägt. Nun beeinflusst auch die spürbare politische Polarisierung die Stimmung von Mitarbeitenden. In diesem Umfeld einen klaren Kurs zu halten, ist eine große Herausforderungen für Arbeitgeber.

 

Handelsstreit mit den USA, bewaffnete Konflikte und ein weltweiter Rechtsruck: Gesellschaftliche Veränderungen und die politische Polykrise machen auch vor dem Job nicht halt. Das bestätigt unsere repräsentative YER-Arbeitszufriedenheits-Studie. So fürchten 20 Prozent der befragten Akademiker:innen aus der IT-Branche aufgrund des weltweiten Rechtsruckes um ihren Job. Dabei ist nicht zuletzt diese innovationsgetriebene und zukunftsorientierte Branche auf die besten Köpfe – nicht zuletzt auch aus dem Ausland – angewiesen. In einem Klima, das Vielfalt als Bedrohung statt als Chance sieht, geraten die Vorteile von Diversität leicht aus dem Blick.

Die positiven Seiten zeigt eine BITKOM-Umfrage aus dem Jahr 2024 unter mehr als 500 IT-Unternehmen. So beobachten 73 Prozent der Befragten, dass diversere Teams neue Ideen und Perspektiven in das Unternehmen bringen. Drei Viertel (78 Prozent) der IT-Unternehmen geben an, dass divers zusammengesetzte Teams zu einem besseren Betriebsklima beitragen und sich positiv auf die Unternehmenskultur auswirken. Erfreulich: 68 Prozent der befragten IT-Fachkräfte unserer Arbeitszufriedenheits-Studie bestätigen ihrem Arbeitgeber einen positiven Umgang mit Diversität.

 

Zwischen Ideologie und Innovation: Wie politisch sollten CEOs sein?

Tech-Größen aus den USA sind nicht nur wirtschaftlich erfolgreich, sondern geben auch bei der Entwicklung innovativer Technologien oftmals den Takt vor. Zudem beziehen bekannte Tech-CEOs eine deutliche politische Positionierung. Ein prominentes Beispiel: Elon Musk, der 130 Tage als Regierungsangestellter mit besonderen Aufgaben in der Trump-Regierung tätig war, und nach öffentlich ausgetragenen Streitigkeiten mit dem US-Präsidenten auf seiner Plattform mit dem Gedanken spielt, eine neue Partei zu gründen. Ein sicherlich extremes Beispiel, doch es wirft die Frage auf, wie klar sich Politik und Job trennen lassen. Ist es in diesen unruhigen politischen Zeiten sogar die Pflicht von Chef:innen politisch Stellung zu beziehen?

Das wird in Deutschland skeptisch gesehen, zumindest unter den von uns befragten IT-Fachkräften. So findet fast die Hälfte (45 Prozent), dass Unternehmer:innen sich nicht sichtbarer und aktiver zu Parteien und Politiker:innen positionieren sollten, während 27 Prozent der Befragten sich dies wünschen würden und 28 Prozent bei diesem Thema unentschlossen sind. Zwar würden 35 Prozent, dass Gespräch mit ihrer Führungskraft suchen, wenn diese öffentlich eine kontroverse politische Meinung vertritt, genauso vielen (36 Prozent) ist die politische Haltung des Chefs oder der Chefin aber auch egal.

 

Diese Einstellung macht deutlich, dass Unternehmen in Deutschland weniger als politische Akteure gesehen werden. Doch sie tragen wirtschaftliche und soziale Verantwortung. Und das bedeutet konkret: eine klare Position zu Aspekten wie Demokratie, Vielfalt, Inklusion und Nachhaltigkeit einnehmen. Gerade in Zeiten des Rechtsrucks ist es essenziell, dass auch Arbeitgeber freiheitliche Werte leben.

 

Auf Kurs bleiben: Was Arbeitgeber jetzt tun können

 

  1. Stabilität & Verbindlichkeit: Klare Strukturen geben Orientierung. Doch Vorsicht:  Zu viele Regeln sichern zwar den Status quo, aber lähmen Innovation und Unternehmertum. Die Faustregel: Gute Prozesse geben Halt, schlechte nehmen Energie.

 

  1. Werteorientierte Führung: Das Handeln jeder Führungskraft sollte auf klar definierten, ethischen und unternehmensbezogenen Werten basieren. Im täglichen Miteinander sorgen Interesse, Zuhören und ein gutes Erwartungsmanagement für Stabilität. Denn Leadership muss gerade dann verlässlich sein, wenn es das Umfeld nicht ist.

 

  1. Willkommenskultur: Global Recruiting – also die gezielte Gewinnung internationaler Fachkräfte – sollte nicht mit der Vertragsunterschrift enden. Optimierte Relocation-Prozesse wie die Unterstützung beim Visa-Verfahren oder der Wohnungssuche erleichtern das Ankommen in Deutschland. Zudem fördern beispielsweise interkulturelle Trainings, englische Unternehmenssprache oder Mentoring Programme die Integration.

 

  1. Resilienz stärken In disruptiven Zeiten zählt Resilienz zu einer der Top-Skills für Mitarbeitende. In unserer schnelllebigen Arbeitswelt kann niemand ständig Bestleistung erbringen. Vielmehr braucht es den richtigen Einsatz zur richtigen Zeit: Die wesentlichen Projekte und Aufgaben gilt es zuverlässig und beständig zu erledigen – und dann in wichtigen Phasen die Extrameile zu gehen.

 

Stürmische Zeiten brauchen neue Denkweisen

Neben politischen Unsicherheiten stehen Arbeitgeber heute unter einem hohen Transformationsdruck. Geschäftsprozesse müssen digitalisiert und Technologien wie Künstliche Intelligenz sinnvoll ins Unternehmen integriert werden. Hier besteht in Deutschland Nachholbedarf. Laut unserer Arbeitszufriedenheits-Studie sehen 39 Prozent der befragten Akademiker:innen Modernisierungsbedarf bei internen Strukturen und Prozessen – umgesetzt werde dies laut 37 Prozent aber nur selten in einzelnen Bereichen. Zudem bestätigen gerade einmal 34 Prozent der Befragten ihren Arbeitgebern einen guten Umgang beim Wandel der Arbeitswelt durch KI – das Thema sollte also zwingend auf jede Unternehmensagenda.

 

Vier Handlungsfelder für den Unternehmens-Refresh:

 

  • Digitalisierung mit Plan: Eine Roadmap sollte definieren, welche Technologien Prozesse verbessern und welche Routinen automatisiert werden können. Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sondern muss Teil einer ganzheitlichen Unternehmensstrategie sein.
  • Change aktiv gestalten: Veränderungen sind in unserer schnelllebigen Zeit für Mitarbeitende oft überfordernd. Umso wichtiger: transparente Kommunikation, Know-how-Aufbau sowie klare Erwartungshaltung und definierte Verantwortlichkeiten, um Teams mitzunehmen.
  • Raum für Innovationen schaffen: Offene und flexible Unternehmenskulturen mit agilen Arbeitsweisen und kurzen Entscheidungswegen fördern neuen Ideen und schaffen Raum für Innovationen. In Kombination mit Technologieoffenheit und einer positiven Fehlerkultur machen sich Unternehmen damit zukunftsfähig.
  • Cross-funktionale Power nutzen: Diverse, interdisziplinäre Teams, die sich aus internen und externen Mitarbeitenden zusammensetzen, profitieren von einer enormen Vielfalt an Erfahrung, Know-how, Perspektiven und Problemlösungsstrategien. Unternehmen schaffen sich damit einen echten Wettbewerbsvorteil.

 

Fazit: Führung braucht Haltung

(Politische) Unsicherheit beeinflusst den Einzelnen – und das lässt sich nicht mit dem Anschalten des Laptops ablegen. Wenn die Demokratie wackelt, braucht es mehr Haltung. Eine laute Meinung hilft wenig, wenn das alltägliche Miteinander im Unternehmen nicht werteorientiert ist. Arbeitgeber sind gefragt ein Klima der Offenheit und Kultur zu schaffen sowie durch Mut und Teamgeist die Innovationsstärke von Deutschland voranzutreiben.

Philipp Riedel ist Geschäftsführer von YER Deutschland (zuvor: AVANTGARDE Experts), einem führenden Personaldienstleister, der sich auf die Vermittlung von qualifizierten Fach- und Führungskräften an Top-Unternehmen im Bereich Mobility, Tech & Energy spezialisiert hat. 2024 hat er erfolgreich den Zusammenschluss von AVANTGARDE Experts und StaffXperts mit der internationalen YER-Group gemanagt. Auch nach der Akquisition verfolgt das Unternehmen seine Wachstumspläne konsequent: sich zu einem führenden europäischen Personalspezialisten für die Besetzung akademischer Arbeitsrollen und die Vermittlung von Top-Expert:innen zu entwickeln. Sein Mut zum Wandel und sein Engagement für die Personaldienstleistungsbranche wurden 2024 mit dem APSCo Award for Excellence in der Kategorie „The Staffing Leader Award“ gewürdigt.

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