Personalabteilungen haben traditionell einen großen Aufgabenbereich, sollen sie doch gleichermaßen administrativ, operativ und strategisch tätig sein – von Arbeitszeitmanagement über Recruiting bis hin zu strategischer Personalplanung und Talent Management. Zusätzlich binden zahlreiche regulatorische Vorgaben wie umfangreiche Pflichtdokumentationen und aufwändige Meldewege die dringend für andere Aufgaben benötigten Kapazitäten. Abhilfe soll hier das Bürokratieentlastungsgesetz IV (BEG IV) schaffen, das am 1. Januar 2025 in Kraft getreten ist. Es soll Unternehmen durch den Abbau überflüssiger Vorschriften und die teils überfällige Digitalisierung von Prozessen jährlich um rund 944 Millionen Euro entlasten. Doch bringt die Neuregelung tatsächlich die erhoffte Erleichterung oder entstehen neue Herausforderungen für HR, etwa indem sie interne Prozesse und Strukturen anpassen müssen? Und worauf müssen Personalabteilungen bei der praktischen Umsetzung des neuen Gesetzes achten?
Neuerungen des BEG IV für HR: Fokus auf Digitalisierung
Ein Kernelement des BEG IV ist die Digitalisierung administrativer Prozesse – unter anderem auch im HR-Bereich. So können Verträge und Vertragsänderungen künftig unter bestimmten Bedingungen vollständig digital abgeschlossen und übermittelt werden, was eine erhebliche Reduzierung des bürokratischen Aufwands und entsprechend beschleunigte Prozesse bedeutet.
Auch die elektronische Antragsstellung gestaltet sich einfacher, da Beschäftigte Elternzeit oder Teilzeit ganz einfach per E-Mail beantragen können. Dies minimiert den administrativen Aufwand und sorgt für schnellere Bearbeitungszeiten.
Zudem wird es einfacher, Arbeitszeugnisse digital auszustellen und mit der qualifizierten elektronischen Signatur (QES) zu signieren. Arbeitgebende benötigen dafür nur die Zustimmung der Beschäftigten.
Für HR versprechen diese verschlankten Prozesse neben einer deutlichen Zeitersparnis auch eine geringere Fehleranfälligkeit und letztendlich die Möglichkeit, mehr Arbeitszeit in zentrale Aufgaben wie Talentmanagement und Personalstrategie zu investieren.
Qualifizierte elektronische Signatur (QES) im Fokus der HR-Digitalisierung
Bei der Digitalisierung von HR-Prozessen spielt die qualifizierte elektronische Signatur (QES) eine besonders wichtige Rolle. Als rechtlich zulässige Alternative zur händischen Signatur bietet sie großes Potenzial für zügigere, agilere und dennoch rechtssichere Abläufe. So können mit der QES etwa Arbeitsverträge oder Arbeitszeugnisse standortübergreifend erstellt, unterzeichnet und verschickt werden, ohne dass die Dokumente ausgedruckt und postalisch versandt werden müssen. Damit sparen sich Unternehmen nicht nur Druck- und Versandkosten, sondern erzielen auch eine klare Zeitersparnis und Prozessoptimierung. Doch auch wenn die QES unbestritten große Vorteile bietet, hat sie auch ihre Tücken, wie insbesondere ein Blick auf die Regelungen für Arbeitszeugnisse zeigt.
QES für Arbeitszeugnisse: Zwischen Fortschritt und Herausforderung
Seit dem 1. August 2024 ist die QES bereits für Ausbildungszeugnisse erlaubt und seit dem 1. Januar 2025 im Rahmen des BEG IV nun auch für reguläre Arbeitszeugnisse gestattet. Bei einem genaueren Blick in die Details der Umsetzung zeigt sich, dass neben allen Vorteilen jedoch auch einige Herausforderungen mit der QES einher gehen: So müssen Mitarbeitende der digitalen Ausstellung und Signierung des Arbeitszeugnisses explizit zustimmen und haben weiterhin das Recht auf eine Papierfassung, was beides einen bürokratischen Mehraufwand bedeutet.
Zudem muss das Ausstelldatum von Arbeitszeugnissen immer auf den letzten Arbeitstag des Mitarbeitenden datiert sein. Hintergrund dabei: Ein früheres oder späteres Ausstellungsdatum kann zu unerlaubten Rückschlüssen führen, beispielsweise eine Freistellung oder ein Zeugnisrechtsstreit. Damit wäre das Zeugnis rechtlich anfechtbar. Sollte das Zeugnis aus verschiedenen Gründen wie Urlaub oder Krankheit der Führungskraft jedoch nicht rechtzeitig fertiggestellt werden können, muss das Dokument also rückdatiert werden – was mit der QES jedoch nicht möglich ist. Denn sie ist mit einem Zeitstempel versehen, der nicht verändert werden kann. In solchen Fällen bleibt also eine händische Unterschrift weiterhin erforderlich.
Trotz BEG IV: Ohne digitale Lösungen keine echte Entlastung
Um das BEG VI und die damit einhergehende Digitalisierung umsetzen zu können, bedarf es jedoch deutlich mehr als des Gesetzestexts. Stattdessen benötigen Personalabteilungen zusätzlich die richtigen Tools und Prozesse. Deutlich wird dies erneut am Beispiel der Arbeitszeugniserstellung. Laut einer Studie aus dem Jahr 2024 benötigen HR-Mitarbeitende für die Erstellung von drei Vierteln aller Zeugnisse bis zu 14 Tage – in jedem vierten Unternehmen sogar vier Wochen und länger. Die Gründe dafür laut der Befragung: fehlende Softwarelösungen (42 %), langwierige Abstimmungsprozesse (38 %), unklare Workflows (25 %) und dass zu viele Stellen an der Zeugniserstellung beteiligt sind (25 %). Viele der genannten Pain Points werden also durch das BEG IV gar nicht adressiert, sondern beruhen auf mangelnden internen Prozessen und fehlender technischer Unterstützung. Denn auch wenn sich der Einsatz digitaler Tools zur Zeugniserstellung seit 2015 deutlich von 15 Prozent auf 30 Prozent gesteigert hat, erstellen viele Unternehmen ihre Zeugnisse weiterhin mit Word oder Excel. Hinzu kommt ein langwieriger und umständlicher Abstimmungs- und Erstellungsprozess, bei dem oftmals der Überblick verloren geht, welcher der am Zeugniserstellungsprozess Beteiligten gerade daran arbeitet.
Fazit: Digitalisierung als Schlüssel zur HR-Optimierung
Das BEG IV gibt wertvolle Impulse für den Bürokratieabbau, doch seine tatsächliche Wirkung hängt davon ab, wie die Unternehmen den digitalen Wandel vorantreiben und umsetzen. Gesetzliche Entlastung allein reicht nicht – die richtige digitale Infrastruktur und smarte Technologien sind entscheidend, um HR-Prozesse langfristig zu optimieren. Dies zeigt sich besonders deutlich bei der Erstellung von Arbeitszeugnissen: Bei durchschnittlich 41 Zeugnissen pro Monat bindet diese Tätigkeit erhebliche Kapazitäten, die sich besonders dann bemerkbar machen, wenn keine Tools unterstützend zum Einsatz kommen. Zusätzlich gilt, dass die Umsetzung der durch das BEG IV ermöglichten digitalen Prozesse zunächst eine Anpassung interner Strukturen und Arbeitsabläufe erfordert. Kurzfristig kann dies sogar zu einem Mehraufwand führen, bis sich die gewünschten Effizienzsteigerungen einstellen.
Doch wenn Gesetzgebung, Technologie und betriebliche Praxis Hand in Hand gehen, hat HR die Chance, sich mittelfristig stärker auf strategische Aufgaben fokussieren zu können und so zur Weiterentwicklung der Arbeitswelt beizutragen.
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