Den Wandel selbst gestalten: So kann der deutsche Mittelstand seine digitalen Hausaufgaben angehen
CEO eines bekannten Unternehmens, Andy Jassy hat in einer Mitteilung an die Mitarbeiter betont: „Wir haben uns entschlossen, wieder so im Büro zu arbeiten, wie wir es vor der Einführung der Covid-Regeln getan haben“, schrieb er in der Nachricht. „Wir glauben weiterhin, dass die Vorteile der Zusammenarbeit im Büro erheblich sind.“ Für seine Mitarbeitenden reduziert sich die Option Homeoffice deutlich. Diese Debatte spaltet ebenso den Mittelstand – während einige Remote Work ablehnen, sehen andere darin eine Chance. Doch nicht jede Tätigkeit ist ortsunabhängig. Was sich jedoch digital optimieren lässt – und muss – ist die Ausbildung. Hin zu interaktivem Lernen, Simulationsübungen und praxisnaher Wissensvermittlung. Laut Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft beschäftigen KMU, die digitale Lernformate für ihre Auszubildenden nutzen, produktivere und effizientere Mitarbeitende.
Veraltete Ausbildung: Der schnelle Weg in die Unzufriedenheit
Auszubildende für den eigenen Betrieb zu gewinnen, ist schon eine Herausforderung. Sie langfristig vom Unternehmen zu überzeugen ist noch deutlich schwieriger. Gründe dafür zeigt der DGB Ausbildungsreport 2023: fast 40 Prozent der Auszubildenden bekommen selten oder nie die benötigten technischen Geräte von ihren Betrieben, obwohl sie den Einsatz digitaler Tools wünschen. Dies wirkt sich negativ auf die Weiterempfehlungsrate aus, da die Begeisterung der Auszubildenden im Verlauf der Ausbildung sinkt – weniger als die Hälfte würde das Unternehmen nach Abschluss weiterempfehlen. Dieses Ungleichgewicht in der Ausstattung mit digitalen Werkzeugen stellt ein massives Problem dar und zeigt deutlich, wie dringend der Mittelstand handeln muss, um konkurrenzfähig zu bleiben.
Das Problem liegt jedoch nicht nur bei den Betrieben, sondern auch bei den Berufsschulen. Laut dem Ausbildungsreport NRW 2023 bewerten nur 50 Prozent der Auszubildenden in Nordrhein-Westfalen die fachliche Qualität ihrer Berufsschulen als gut oder sehr gut. Ähnliche Ergebnisse zeigt auch eine Studie des Deutschen Gewerkschaftsbunds Rheinland-Pfalz/Saarland. Diese Statistiken verdeutlichen, dass das traditionelle Ausbildungssystem in seiner jetzigen Form kaum noch die Anforderungen der modernen Arbeitswelt erfüllt.
Das zeigt eindrücklich: Die klassische Berufsschule reicht nicht mehr aus. Fast ein Drittel der Auszubildenden ist mit ihrer Ausbildung unzufrieden (RND, 29.08.2019). Das hat schwerwiegende Folgen für den gesamten Arbeitsmarkt und erfordert dringend neue Ansätze, die den Bedürfnissen der neuen Generation gerecht werden. Die Generation Z denkt Arbeit neu: ortsunabhängig, ergebnisorientiert und vor allem digital. Als HR-Tech-Unternehmen, das die Ausbildung in Deutschland digitalisiert, beobachten gleichzeitig wir einen spürbaren Wandel im Mittelstand. Täglich erlebe ich aus erster Hand, wie stark der Transformationsdruck ist. Alle zwei Tage schließen wir einen neuen Vertrag mit einem KMU – nicht aus Begeisterung für die Digitalisierung, sondern weil der Fachkräftemangel und die neue Generation sie zum Umdenken zwingen.
Der deutsche Mittelstand kommt digital in Fahrt
Trotz anfänglicher Skepsis und Verzögerungen vollzieht der deutsche Mittelstand zunehmend einen digitalen Wandel. Vorreiter wie Brillux und Remondis zeigen, wie es geht: sie haben erfolgreich moderne Technologien in ihre Ausbildung integriert und dadurch ihre Attraktivität als Arbeitgeber steigern können. Heutige Auszubildende – ob im Malerhandwerk oder als Berufskraftfahrer – erwarten digitale Hilfsmittel, da sie diese aus ihrem Alltag kennen. Besonders in technischen Ausbildungen zeigt sich das Potenzial von digitalen Lehrangeboten. Interaktive Lernplattformen ermöglichen die perfekte Überschneidung von Theorie und Praxis, was PDFs und monotoner Frontalunterricht so nie abbilden können. Der Effekt ist messbar: Ausbildungsbetriebe, die digitale Lernmaterialien einsetzen, sind bei der Generation Z beliebt.
Die Digitalisierung der Ausbildung bietet für Auszubildende wie Ausbilder einen Win-Win: Ausbilder gewinnen Zeit für die praktische Betreuung, während Auszubildende von einer intuitiven Wissensvermittlung profitieren. Die Kombination aus traditionellem Handwerk und digitaler Innovation ist meiner Ansicht nach der Schlüssel zur Zukunftsfähigkeit des Mittelstands.
Die Digitale Ausbildung umsetzen: In diesen fünf Schritten gelingt es
1. Analyse und Planung
Unternehmen müssen klare Ziele für die Integration digitaler Lernplattformen festlegen und die Bedürfnisse von Auszubildenden und Ausbildern identifizieren.
2. Integration ins System
Eine digitale Bildungsplattform muss nahtlos integriert werden und als integraler Bestandteil des Ausbildungsprozesses betrachtet werden. Dazu gehören beispielsweise die Festlegung fester Lernzeiten, die Zuweisung von Lernplänen und regelmäßige persönliche Check-ins mit den Ausbildern.
3. Schulung der Ausbilder
Die Ausbilder müssen sich bewusst Zeit nehmen, um die neuen digitalen Tools zu nutzen und sie in ihren Alltag zu integrieren. Sobald sie die Vorteile in Bezug auf Kosten- und Zeitersparnis sehen, werden sie zu natürlichen Befürwortern innerhalb des Unternehmens und tragen die digitalen Methoden weiter.
4. Einbindung der Auszubildenden
Digitale Ausbildung ist dann zielführend, wenn die Bedürfnisse der Auszubildenden berücksichtigt werden. Man muss gemeinsam herausfinden, was funktioniert und was nicht. Wer auf eine digitale Plattform setzt, muss sie direkt und umfassend in den Plan der Ausbildung integrieren, um zu vermeiden, dass die Plattform nur ein zusätzliches Tool ist. Die Auszubildenden müssen verstehen, dass die Plattform essentiell ist für ihren Lernerfolg.
5.Evaluation und Anpassung
Regelmäßige Evaluationsrunden zwischen Ausbildern und Azubis sind wichtig, um den Erfolg zu bewerten und Anpassungen vorzunehmen. Wer den Dialog fördert, schafft Raum, gemeinsam ein besseres, digitales Erlebnis zu haben.
Digitale Transformation als Überlebensstrategie
Die gute Nachricht ist also: Der Mittelstand beginnt zu verstehen, dass der digitale Wandel alternativlos ist. Angeleitet schaffen viele Mittelständler die Umstellung von Analog zu Digital. Die schlechte Nachricht: Vielen fehlt noch immer das Know-how. Entscheidend ist ein grundlegender Kulturwandel: Unternehmen müssen traditionelle Hierarchien und starre Prozesse überdenken, agile und flexible Strukturen etablieren und eine neue Führung entwickeln. Unternehmen wie Brillux und Remondis zeigen, wie digitale Ausbildung funktioniert, und sind so Vorbilder für den deutschen Mittelstand. Wie sie interaktive Lernplattformen in ihre Ausbildungsberufe integriert haben dient als Blueprint und zeigt, dass die Digitalisierung kein unüberwindbares Hindernis ist. Die Symbiose aus traditionellem Handwerk und digitaler Innovation ist daher der Schlüssel zur Zukunft des Mittelstands. Der Mittelstand in Deutschland steht also vor der Wahl: digitale Evolution oder zunehmende Irrelevanz. Die Zeit zum Handeln ist jetzt.
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