Dekarbonisierung ist ein Megatrend des Themenbereichs Nachhaltigkeit, der die Entwicklung der Gesellschaft zukünftig merklich prägen wird. Das weiß auch die Politik. Um ihren Verpflichtungen im Rahmen des Übereinkommens von Paris nachzukommen, hat sich die Europäische Union mit dem European Green Deal ein klares Ziel gesetzt: Bis 2050 sollen EU-Mitgliedsstaaten klimaneutral sein. Unternehmen stehen daher vor der Herausforderung, konkrete Dekarbonisierungsstrategien zu entwickeln. Laut CDP, einer internationalen Non-Profit-Organisation, haben zwar 49 Prozent der europäischen Betriebe Klimaschutzpläne, die sich am 1,5-Grad-Ziel orientieren – bei der Umsetzung ist allerdings noch viel zu tun. Nur fünf Prozent können bisher aufzeigen, wie sie diese Ziele erreichen wollen. Die Konsequenzen für Unternehmen, die sich nicht engagieren, sind jedoch klar: Es drohen Bußgelder in Millionenhöhe.
Völlig neu ist das alles nicht, aber der Handlungsdruck hat sich erhöht: Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) hat die bereits bestehende Berichtspflicht zuletzt massiv ausweitet. Statt 11.600 sind jetzt etwa 49.000 Unternehmen innerhalb der EU berichtspflichtig. Die neuen European Sustainability Reporting Standards (ESRS) verlangen zudem verständlichere, vergleichbarere und detailliertere Nachhaltigkeitsinformationen. Unternehmen, die nicht oder nicht korrekt berichten, werden erheblich bestraft.
Richtige Strategien und Lösungen gefordert
Durch die verschärften Anforderungen der CSRD wird deutlich, dass Unternehmen mehr denn je gefordert sind, die richtigen Strategien und Lösungen zu finden. Besser früher als später: Zweieinhalb Jahre benötigen Unternehmen im Durchschnitt für die Entwicklung einer 1,5-Grad-Strategie. Die Transformation zum nachhaltigen Wirtschaften sollte dabei nicht nur als Pflicht, sondern auch als große Investitionschance für die Industrie betrachtet werden. Denn: Dekarbonisierungsmaßnahmen rechnen sich wirtschaftlich, etwa durch verringerte Betriebskosten und stärkere Personalbindung. Unternehmen, die eine strenge Strategie verfolgen, können sich frühzeitig Wettbewerbsvorteile sichern.
Die „richtige“ Lösung zeichnet sich dabei durch eine revisionssichere Methodik aus, um CO2-Emissionen zu messen, unternehmensspezifische CO2-Budgets zu berechnen und spezifische Ziele zur Dekarbonisierung festzulegen, um diese anschließend in konkrete Strategien zu übersetzen und in bestehende Unternehmensprozesse zu integrieren. Bedeutet auch: Der aktuelle Standard für unternehmerische Dekarbonisierungsstrategien, die SBTi-Methodik, reicht aus verschiedenen Gründen nicht aus, um die Anforderungen der CSRD zu erfüllen. Das größte Problem liegt in der Bewertung von besonders intensiven Scope-3-Emissionen; die SBTi evaluiert die Scope-3-Ziele, klassifiziert sie aber nicht.
Intuitiv verständliche CO2-Steuerung
Es gibt bereits SBTi-Ergänzungen am Markt, die CO2-Budgets von Unternehmen, Gebäuden und Portfolios berechnen und eine aktive CO2-Steuerung ermöglichen. Ziel ist, Transparenz bezüglich der Klimawirkung wirtschaftlicher Aktivitäten zu schaffen und damit Wege zur Dekarbonisierung aufzuzeigen, um anschließend wissenschaftsbasierte Klimapfade unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit zu entwickeln.
Intuitiv verständliche und zuverlässige Instrumente zeichnen sich durch die Besonderheit aus, in der gleichen Einheit zu messen wie das Ziel, nämlich in Grad Celsius. Sie beantworten damit die Frage, um wieviel Grad Celsius sich das Klima erwärmen würde, wenn die gesamte Welt die gleiche Klima-Performance hätte wie die betrachtete Organisation. Das macht das Ableiten und anschließende Implementieren sektorspezifischer Dekarbonisierungsstrategien in bestehende Prozesse so einfach wie nur möglich und erleichtert die CSRD-Compliance erheblich. Das Unternehmen erhält ein individuelles CO2-Budget unter Einbeziehung seiner bisherigen Performance und kann so flexible Maßnahmen entlang des 1,5-Grad-Pfades umsetzen.
XDC-Modell ermittelt individuelle Klimawirkung
Hervorzugeben unter den verfügbaren Instrumenten ist das X-Degree Compatibility-Modell (XDC), das auf globalen Klimamodellen beruht, auf die sich auch der IPCC-Bericht des Weltklimarats stützt. Es berücksichtigt drei Faktoren, die obligatorisch für die Berechnung der Klimaperformance eines Unternehmens sind: Full Scope Emissionen (Scope 1-3 Emissionen nach dem GreenHouseGas-Protokoll), EBITDA-Angaben und die Personalkosten. In einem ersten Schritt wird die Emissionsintensität ermittelt. Anschließend werden sektorspezifische Benchmarks für das analysierte Unternehmen definiert. Dann wird die Klimaperformance in Relation zu den Benchmarks für jedes Jahr bis zum Jahr 2100 berechnet. Schließlich wird der Grad auf globalen Maßstab hochgerechnet. Mit Szenario-XDCs kann ein Unternehmen sein individuelles, 1,5-Grad-konformes Klimaziel festlegen.
Letztendlich liefert die Berechnung wissenschaftlich fundierte Kennzahlen, die Klimarisiken- und -chancen in direktem Bezug zum 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens transparent macht. Unternehmen können dadurch beispielsweise einen internen CO2-Preis festlegen, über den sich wiederum Emissions-Risiken quantifizieren lassen. Da das XDC-Modell der „Rechenkern“ eines spezialisierten Software-Tools ist, ist die Berechnung spezifischer Anforderungen und Prozesse möglich. Unternehmen aller Branchen können es also nutzen und unterschiedliche Sektoren vergleichen.
So kommen Unternehmen in die Umsetzung
Steuerungsmodelle wie das XDC-Modell sind ein wichtiger Teil, um Klimatransformationspläne effektiv umzusetzen. Die Transformation zum nachhaltigen Wirtschaften ist aber wesentlich umfangreicher. Damit sie gelingt, muss das gesamte Operating Model orchestriert verändert werden. Dazu gehören tiefgreifende Veränderungen in den Dimensionen Geschäftsmodell, Betriebsabläufe, Produkte und Dienstleistungen, Daten und Unternehmenskultur hin zu:
- mehr Energieeffizienz, durch die Investition in bestimmte Technologien und Prozesse,
- erneuerbaren Energien, durch die Nutzung von Solar-, Wind- oder Wasserkraft zur Energiegewinnung,
- einer Kreislaufwirtschaft, bei der Materialien wiederverwendet und recycelt werden,
- nachhaltigen Lieferketten, durch die Zusammenarbeit mit Lieferanten, die ebenfalls auf Nachhaltigkeit setzen.
Ein kreatives und agiles Managementmodell unterstützt Unternehmen bei der Umsetzung der erforderlichen Änderungen. Es besteht im Wesentlichen aus vier Schritten:
- Bestandsaufnahme machen: Laut einer Bitkom-Umfrage von 2021 messen erst 24 Prozent der Unternehmen ihren CO2-Fußabdruck. Was man nicht messen kann, kann man auch nicht managen – daher ist die Bestimmung der gesamten Unternehmensemissionen sowie der produktspezifischen Emissionen die Grundlage für effektive Maßnahmen. Einen allgemeinen Standard für die Bestimmung von Emissionen bietet die Bilanzierung nach dem Greenhouse Gas Protocol. Anschließend werden einzelne Scope-Emissionen unterschieden, durch die Emissions-Hotspots im Unternehmen, etwa durch die Lieferkette oder die IT, leicht sichtbar werden.
- Ziele setzen: Sobald die Hotspots identifiziert sind, gilt es, klare, messbare Klimaziele zu definieren. In diesem Zuge empfiehlt es sich, eine Roadmap zu den Reduktionspotenzialen und Reduktionszielen aufzustellen. Erst wenn es ein Commitment zu den Zielen einer nachhaltigen Transformation und ein transparentes Berichtswesen zu den Fortschritten gibt, können klimatische und finanzielle Mehrwerte entstehen.
- Maßnahmen planen: Eine klare Roadmap hilft, konkrete Schritte zur Reduktion von Emissionen festzulegen und die formulierten Maßnahmen konsequent umzusetzen. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von Frameworks und Leitfäden, die Unternehmen dabei unterstützen können wie die Science Based Target Initiative.
- Monitoring durchführen: Mithilfe von Ziel-KPIs wie Kosten, Nutzen, Umsetzungsdauer und Komplexität kann der Fortschritt evaluiert, Maßnahmen regelmäßig angepasst und iterativ weitere Maßnahmen gebildet werden. Durch eine zeitliche Eingrenzung und die damit verbundene Identifikation von Kurz-, Mittel- und Langzeitzielen werden Teilerfolge sichtbar, ohne dass das große Ziel aus den Augen verloren wird.
Fazit
Unternehmen müssen ihre Strategien zur Dekarbonisierung verstärken, um den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden und einen echten Beitrag zur Klimaneutralität zu leisten. Der European Green Deal und die CSRD bieten dabei einen klaren Rahmen, der nicht nur Pflichten, sondern auch Chancen für nachhaltiges Wirtschaften eröffnet. Werkzeuge wie das XDC-Modell helfen: nicht nur bei der Erarbeitung von konkreten Dekarbonisierungsstrategien, sondern auch bei der einfach verständlichen Kommunikation derselben an Mitarbeitende, Geschäftsleitung und Shareholder:innen. Durch die Zusammenarbeit mit Technologie- und Businesspartnern, die die Digitalisierung von Prozessen und Produkten unterstützen und IT-Transformationen entlang der gesamten Wertschöpfungskette begleiten, kann das 1,5-Grad-Ziel erreicht werden. Zugunsten eines gesunden Planeten.
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