Vom zentralen Faktor Mensch und wie man diesen Prozess gut kommuniziert

Wer für die digitale Transformation eines Unternehmens verantwortlich ist oder an ihr arbeitet, muss viel kommunizieren. Es gilt, die Vorteile des Wandels darzustellen, Teams zu formen, Überzeugungsarbeit zu leisten und und und. Für diese kommunikative Aufgabe ist es hilfreich, sich die digitale Transformation als Bau eines Hauses vorzustellen. Mit dieser Metapher holt man Beteiligte gut ab. Wir zeigen Euch die Parallelen zwischen Hausbau und digitaler Transformation und heben Euer Verständnis für diesen Prozess auf die nächste, menschenzentrierte Ebene.
Von   Lisa Reimer   |  Lead User Experience Design, Changitor   |  UID GmbH
28. März 2023

Die Haus-Metapher

Was hat die digitale Transformation mit dem Hausbau zu tun? Auf den ersten Blick nicht viel. Sieht man jedoch genauer hin, stellt man einige Parallelen fest. Beide Projekte sind immer individuell. Es gibt nicht DIE digitale Transformation, genauso wenig wie es DAS Haus gibt. Jedes neue Projekt muss von Beginn an gut geplant sein, viele Aspekte berücksichtigen und vor allem auch umsetzbar sein. Sowohl während der Bauphase als auch während der digitalen Transformation ist es wichtig, die richtigen Fachkräfte auszuwählen und fortwährend zu reflektieren, ob das, was entsteht, auch den Anforderungen entspricht. Gerade zu Beginn sollte darauf ein besonderes Augenmerk gelegt werden. Weder ein Bauvorhaben noch die digitale Transformation eines Unternehmens kann einfach den Standard-Plänen folgen.

Die Bedingungen

Haus, Halle, Apartment, Loft, ..? Was darf es sein? Was bei jedem Bauprojekt gleich ist: Ein Grundstück, auf das gebaut wird, unveränderlich in seiner Lage aber mit variabler Nachbarschaft. Ebenso steht ein Unternehmen an einem bestimmten Punkt, hat Marktbegleiter und Vernetzungen. Die digitale Transformation baut in den meisten Fällen auf etwas Bestehendem auf und fängt nicht auf der grünen Wiese an. So steht auch bei manchem Bauobjekt schon etwas da, womöglich das eigene Haus. Das soll manchmal gar nicht neu, sondern nur umgebaut werden, vielleicht sogar, während man darin lebt. Gleiches gilt für Unternehmen, die neben der Transformation auch dem Tagesgeschäft nachgehen müssen.

Die Ausgangssituation könnte also so aussehen, dass die Produkte und Services eines Unternehmens schon so lange auf dem Markt sind, dass sie eingestaubt daherkommen und nicht mehr den Zahn der Zeit treffen. Gleichzeitig muss das Unternehmen weiterhin Gewinne generieren, um die Veränderung überhaupt vorantreiben und den Geschäftsbetrieb aufrechterhalten zu können.

Die Bedürfnisse der Nutzenden

Versteht eine Organisation die Bedürfnisse seiner Nutzenden, ist das ausschlaggebend für den Gewinn. Denn nicht zuletzt ist die wirtschaftliche Lage einer der wichtigsten Treiber für eine Veränderung in einem Unternehmen. Gerät diese in die Schieflage, ist es höchste Zeit zu verstehen, woran es liegt. Mit einer konsequenten und effizienten Ausrichtung auf die Bedürfnisse der Nutzenden kann der Mehrwert des Produktes (Usability) aber auch das Gesamterlebnis bei der Nutzung (User Experience, UX) gesteigert werden.

Menschen bringen Bedürfnisse mit, die möglicherweise offensichtlich sind – bei einem Haus wären das beispielsweise die richtige Deckenhöhe, eine Heizung oder eine Küche. Andere Bedürfnisse verändern sich mit der Zeit. So hat ein Produkt vor ein paar Jahren noch Sinn ergeben, passt jetzt aber nicht mehr in übliche Gewohnheiten oder die Technik hat sich weiterentwickelt und andere Lösungen hervorgebracht. Während für den Single noch eine 2-Zimmer-Wohnung genügt, braucht man als 4-köpfige Familie mehr Raum oder hat das Bedürfnis nach einem Garten.

Das Vorgehen

Wenn man verstanden hat, mit welchen (Vor-)Bedingungen ein Unternehmen in diesen Wandel geht und auf welche Bedürfnisse man wie stark eingehen muss, ist der Prozess der digitalen Transformation weiterhin kein Selbstläufer. Auch ein Haus fängt man nicht einfach an zu bauen und überlässt es dem Zufall, wie das Ergebnis aussieht. Allem voran steht ein Bauplan für die Veränderung. Mit Hilfe von Spezialist:innen müssen auch weitere Faktoren wie der finanzielle und zeitliche Handlungsspielraum berücksichtigt werden.

Es stehen dazu verschiedene agile Methoden zur Verfügung. Ein wichtiges Element, welches alle Methoden verbindet, ist die Iteration. Das sind Schleifen, in denen man die Prozessschritte wiederholt durchläuft. Wie auch bei der Hausplanung geht es dabei darum, eine Hypothese aufzustellen, je nach Möglichkeit erfahrbar zu machen, zu testen und die Erkenntnisse für den nächsten Schritt zu nutzen.

Bei der Entwicklung interaktiver Produkte und Systeme ist die in der DIN ISO 9241 beschriebene Methode des Human Centered Design Process zu nennen. Dieser lässt sich vor allem bei der Digitalisierung, Weiterentwicklung und/oder Optimierung von bestehenden Produkten und Services aber auch neuen Geschäftsideen anwenden. Nach mehreren Iterationen steht so nun ein validierter, auf die Nutzenden optimierter Plan, den es umzusetzen gilt.

Der Baubeginn

Noch befinden sich die Ideen auf Papier bzw. in prototypischer Form. Jetzt ist es an der Zeit zu verstehen, welche Expertisen nötig sind, um diesen Plan zu verwirklichen.

Hier kommen gerade traditionelle Unternehmen oft an den Punkt, an dem neue Technologien bei deren Belegschaft so nicht etabliert sind oder ganze Fachbereiche fehlen. Sicherlich lassen sich solche Ressourcenlücken durch externe Zuarbeit ausgleichen. Doch hat dieses Vorgehen dann Bestand? Führt dies zu einer wirklichen Veränderung des Unternehmens oder nur einem neuen Produkt im Portfolio?

Schauen wir auch hier noch einmal auf Bedürfnisse. Nicht nur die späteren Nutzenden und Käufer:innen haben Bedürfnisse, die die Umsetzung beeinflussen. Wenn ich ein Haus aus Steinen bauen will, mein Team aber z.B. nur Holzbau kann, sollte ich bereits bei den ersten Überlegungen meine eigenen Leute mit einbeziehen. Besteht die Möglichkeit, dass diese umlernen und sich neue Fähigkeiten aneignen? Oder können die Lücken durch externe Fachkräfte geschlossen werden? Bevor es zu einer fehlenden Akzeptanz für die Veränderung in der eigenen Belegschaft kommt, sollten bereits zu Beginn des Vorgehens alle Beteiligten mit in die Planung einbezogen werden. Das Feedback des Teams hat die gleiche Wichtigkeit, wie das der späteren Nutzenden oder Kund:innen.

Die Instandhaltung

Zu Beginn haben wir von der digitalen Transformation als Prozess gesprochen. Mit der Fertigstellung einer ersten Version ist es somit nicht getan. Wirklich erfolgreich kann nur der sein, der den Weg konsequent weitergeht. Auch ein Haus ist nie fertig. Immer wieder findet sich Optimierungspotenzial oder Sanierungsbedarf. Die Erkenntnisse aus dieser ersten Version, sei es das Feedback, das ich aus dem Markt erhalte, aber auch die Expertise meines Bauteams, dienen dazu, den Plan für Runde zwei anzupassen.

Für diesen weiteren Teil des Weges wird das Verständnis für die Bedürfnisse innerhalb des Unternehmens vertieft. Man findet allmählich heraus, an welchen Schrauben wie angesetzt werden kann und muss, um die Ergebnisse des Plans zu erhalten und weiter zu optimieren.

Die Beteiligten

Bild 1 zeigt die Ebenen, die in einem Unternehmen adressiert werden müssen, um Menschenzentrierung nachhaltig zu etablieren Eine Vorgabe von „oben“ taugt gleich viel wie die Ausbildung eines einzelnen Mitarbeitenden, wenn keine Brücken zwischen allen Beteiligten errichtet sind.

Ebenso handeln auch bei einem Haus unterschiedliche Akteure mit verschiedenen Bedürfnissen und Detailtiefen miteinander. Von den Grundmauern über Innenausbau und Installation zu den einzelnen Räumen, die am Ende wahrscheinlich eher von den Bewohner:innen selbst ausgestaltet und dekoriert werden.

 

(c) UID GmbH

  • Einzelne Personen: Sicherlich ist fachliche Expertise in bestimmten Bereichen notwendig. Doch hier geht es darum, dass die Mehrheit der vom Wandel betroffenen Mitarbeitenden diesem gegenüber positiv eingestellt ist. Sie müssen verstehen, warum dieser Weg so gegangen wird. Um diesen Punkt zu erreichen, ist eine frühzeitige Integration von möglichst vielen Bereichen, eine punktuell fachliche Weiterentwicklung und ein direktes Coaching von besonderen Schnittstellenfunktionen hilfreich.
  • Das Team: Ein ausgewogenes Teambuilding ist eine Herausforderung. Bei einer Transformation sind es oft etablierte Gruppen, in die neue fachliche Expertise integriert werden muss. Das kann beispielsweise Fachwissen im Bereich User Experience Design sein. Je nach Ressourcen kann zum Beispiel jedes bestehende Team ein neues Mitglied aus diesem Fachbereich erhalten oder es kann ein neues Team aus Expert:innen etabliert werden. Beide Varianten bedürfen meist Änderungen im Organigramm oder gar in Prozessen. Es sollte schnellstmöglich konkretisiert werden, was das für das zukünftige Arbeiten bedeutet (Bild 2).

(c) UID GmbH

  • Das Projekt: Innerhalb eines Projekts spielt vor allem das oben geschilderte Vorgehen eine wichtige Rolle. Wie schafft man es, das volle Potential aus dem vorhandenen Team und den finanziellen und zeitlichen Ressourcen herauszuholen? Welche Stärken können genutzt werden? Und noch viel mehr: Wie lernt man nachhaltig für Folgeprojekte und setzt neue Erkenntnisse um?
  • Das Produkt: Hier ist es ein erstrebenswertes Ziel, einen menschenzentrierten Produktlebenszyklus zu schaffen und dauerhaft zu verankern. Kund:innen und deren Bedürfnisse werden VOR, WÄHREND und NACH dem Kauf berücksichtigt . Dadurch ergeben sich Potenziale für weitere Innovationen oder Geschäftsfelder und der Marktanteil kann dauerhaft ausgebaut werden.
  • Die Organisation: Der digitale Reifegrad von Unternehmen, die sich auf den Weg der Veränderung machen, ist jeweils unterschiedlich. Auch das Ziel variiert: Bei manchen sollen nur einzelne Bereiche oder Produkte digitalisiert werden, andere erwarten eine völlige Ausrichtung hin zu User Experience. Entsprechend sind konkrete Handlungsempfehlungen auf dieser Ebene nicht pauschal möglich. Wichtig ist jedoch das Bewusstsein, dass die Organisation den finalen Rahmen um alles bildet. Ist nicht klar, wie diese denkt oder wohin sie sich entwickeln soll, verpuffen auch Aktivitäten darunter mit der Zeit.

Warum nun also nicht einfach so weitermachen, wie bisher?

Wenn all das analysiert und beachtet werden muss, stellt sich oft die Frage: Warum nicht einfach so weitermachen wie immer? Wie der Forschungsbeirat des Fraunhofer Institutes anhand des Beispiels Industrie 4.0 zeigt, ist der fehlende Startimpuls das häufigste Hemmnis, dicht gefolgt von fehlendem Leistungs- und Wettbewerbsdruck. Es zeigt sich somit, dass es erst ein gewisses Leiden braucht, um sich auf den Weg zu machen.

So ist es manchmal auch bei Hausbewohnern, die mit ihrem ersten Kind doch noch in ihrer kleinen Wohnung bleiben können. Beim zweiten oder dritten Kind müssen sie sich jedoch eingestehen, dass sie sich räumlich vergrößern müssen.

Auf der anderen Seite reicht aber auch manchmal das Geld einfach nicht, um die laufenden Kosten tragen zu können. Energetische Maßnahmen müssen her, um Einsparungen zu erzielen. Hier heißt es: Erst investieren, dann davon profitieren.

Diese Entscheidung kann niemanden abgenommen werden. Für die Art und Weise der Investition gibt es sowohl im Baugewerbe als auch in der strategischen Organisationsentwicklung jedoch Expert:innen, die man um Rat fragen kann.

Lisa Reimer begleitet bei der UID GmbH (www.uid.com, www.changitors.com) seit über 15 Jahren Unternehmen auf ihrem Weg zu mehr Menschenzentrierung. Dabei trägt sie vor allem bei Produkten und Services im Industrieumfeld zu mehr Benutzerfreundlichkeit und einer besseren User und Customer Experience bei. Sie befähigt zudem die Teams ihrer Kund:innen und etabliert Vorgehen und Prozesse für eine nachhaltige Veränderung im Unternehmen. Lisas LinkedIn-Profil: https://www.linkedin.com/in/lisareimer/

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