Prozessautomatisierung mit Bots und Co.: So werden Unternehmen zukunftsfähig

Softwareroboter werden zu neuen Kollegen, die Mitarbeiter*innen die Arbeit erleichtern und sie von lästigen Routinen befreien. Die Datenexplosion und die Zunahme von digitalisierten Services machen Robotic Process Automation (RPA) in Zukunft zu einem unverzichtbaren Baustein in der Unternehmensstrategie. Erfolgreiche Automatisierungsprojekte zeigen: Technologische und menschliche Mitarbeiter können Seite an Seite arbeiten und ihre Stärken ausspielen – wenn das Management mutig genug ist, den Wandel anzustoßen.
Von   Konstantin Teepe   |  Head of Telco, Media und Technology   |  Atos
16. November 2022

In einem Krankenhaus müssen zwei Millionen Patientenakten von einem System in ein anderes migriert werden, und zwar schnell – denn in einem Jahr läuft der Vertrag mit dem Altsystem aus. Neben dem Migrieren jeder einzelnen Patientenakte (inklusive Patientendaten, Befunde, Behandlungsplänen, Röntgenbildern etc) müssen diese gleichzeitig entsprechend den rechtlichen Bestimmungen und der DSGVO archiviert werden. Insgesamt ist dies eine typische Aufgabe der digitalen Transformation und kann so in jeder anderen Branche vorkommen. Eine versierte Person schafft an einem normalen Arbeitstag inklusive Pausen und Ablenkungen vielleicht 25 Akten. Bei durchschnittlich 220 Arbeitstagen im Jahr könnte ein Team aus acht Personen also 44.000 digitale Datensätze erzeugen. Diese Rechnung zeigt: Das Projekt lässt sich manuell nicht sinnvoll bewältigen, es würde Jahre dauern und die betrauten Mitarbeiter*innen auch nicht unbedingt fordern. Im Gegensatz dazu würden acht maschinelle Kollegen mit Robotic Process Automation (RPA) ein Jahr brauchen, um alle Dokumente zu migrieren und gleichzeitig zu archivieren. Solche Beispiele aus der Praxis zeigen den konkreten Nutzen von Prozessautomatisierung – für Unternehmen und Mitarbeiter*innen.

Prozessautomatisierung mit Softwarerobotern

Softwareroboter, oder auch Bots, sind intelligente Systeme, die repetitive, manuelle, zeitintensive oder fehleranfällige Tätigkeiten erlernen und automatisiert ausführen. Der Einsatz von Bots ist einfach und benötigt keine Schnittstellen, die hausinterne Entwickler*innen erst selbst programmieren müssten. Ein Softwareroboter verhält sich wie ein Anwender und meldet sich bei den entsprechenden Programmen und Lösungen selbst an. Wenn mehrere solcher intelligenten Lösungen interagieren, spricht man von Hyperautomation, etwa wenn ein Chatbot im Hintergrund des Serviceanrufs einen weiteren Bot anstößt, der eine Mail versendet.

Das klingt im ersten Moment positiv, doch viele Unternehmen zögern bei der Umsetzung von Automatisierungsprojekten mit RPA: Unsere Erfahrung aus der Praxis zeigt, dass oft die vermuteten Kosten ein Grund sind. In Wirklichkeit sind die Kosten für die technologischen Mitarbeiter viel geringer, als man zunächst annimmt. Zwar entstehen Lizenzkosten, die man sich als Gehaltskosten der digitalen Mitarbeiter vorstellen kann. Durch die Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit der Bots machen sie jedoch nur einen kleinen Teil echter Personalkosten aus. Zusätzlich entstehen Kosten für die Anpassung oder Entwicklung der Prozesse, die ein Bot umsetzen soll – so müssen beispielsweise genaue Arbeitsschritte definiert werden. Dies entspricht der Einarbeitungszeit und den Schulungskosten von Mitarbeiter*innen. RPA-Projekte können diese schon im Voraus transparent und verständlich kalkulieren, sodass für jeden einzelnen Prozess des Bots die verbundene Ersparnis berechnet werden kann. Ist ein Prozess automatisiert, kann man einen weiteren Bot hinzufügen, dem das gesamte Wissen des ersten in Form der bereits automatisierten Prozesse zur Verfügung steht. Softwareroboter lassen sich deshalb beliebig skalieren.

Bots machen flexibel – auch beim Fachkräftemangel

Bots lassen sich in vielen Bereichen einsetzen: Sie entlasten Mitarbeiter*innen bei administrativen Aufgaben, etwa Dateneingabe, Pflege von Excel-Tabellen oder der Prüfung von Dokumenten, weil sie Daten schneller und besser verarbeiten als Menschen. Den menschlichen Mitarbeiter*innen bleibt dadurch mehr Freiraum für Aufgaben, die Kreativität und Problemlösungskompetenzen erfordern. Wir sehen bei unseren Projekten in der Praxis, dass Motivation und Produktivität auf Seiten der Mitarbeiter*innen steigen, wenn lästige Admin-Aufgaben wegfallen. Damit unterstützt RPA Unternehmen auch dabei, dem Fachkräftemangel entgegenzutreten, denn durch die Automatisierung von repetitiven Aufgaben wird das Personal effizienter eingesetzt und bleibt länger beim Arbeitgeber. Zudem ist RPA eine Versicherung vor Knowhow-Verlusten bei Abwanderung oder Verrentung wichtiger Fachkräfte. Diese besitzen oft ein informelles Prozesswissen, das nirgendwo schriftlich niedergelegt ist. Wenn die Fachkraft fort ist, zieht mit ihr auch ihr Wissen weiter. RPA-Prozessbeschreibungen können es langfristig sichern.

Doch Robotic Process Automation bedeutet nicht nur eine Effizienzverbesserung. Das Verfahren steigert zudem die Qualität der Prozesse deutlich. Ein Beispiel: In Lieferprozessen werden mit RPA Stillstandzeiten vermieden. Nahtlos ineinander greifende Bots optimieren die Zeiten für Ankunft, Verladung und Weiterverarbeitung von Fracht. Dies gilt sogar rund um die Uhr, wodurch sich die Zusammenarbeit in verschiedenen Zeitzonen vereinfacht. Auch der Datenschutz wird mit RPA verbessert: Softwareroboter agieren anhand von festgelegten Regeln, von denen sie nicht abweichen. Wenn in der Prozessbeschreibung alle Kriterien der EU-DSGVO berücksichtigt sind, kommt es gar nicht erst zu Verstößen.

RPA-Projekte starten und zum Erfolg bringen

Wir haben bereits viele Automatisierungsprojekte begleitet, hier sind Tipps aus der Praxis, wie das Projekt ein Erfolg wird:

  • Gehen Sie ein RPA-Projekt langsam aber gezielt an: Der passende Bereich für den Testlauf des MVP (Minimal Viable Product) muss gut überlegt sein.
  • Binden Sie alle mit ein: In einem moderierten Workshop erfahren Sie von den Mitarbeiter*innen, wo der größte Automatisierungsgewinn erzielt werden kann. Aber auch die Befürchtungen der Beteiligten sollten nicht zu kurz kommen. Der Start eines Automatisierungsprojektes lebt vom Dialog.
  • Erfahrungen sammeln und weiterdenken: Auf Grundlage der Testlösung lässt sich der Bot nach und nach optimieren, wodurch das Risiko für Fehler sinkt. Meist spricht sich der Einsatz schon im Unternehmen herum, wodurch schnell weitere Bereiche gefunden sind, die die Automatisierung testen wollen.

Prozessautomatisierung perspektivisch einplanen

Die wichtigste Erkenntnis aus zahlreichen RPA-Projekten: Automatisierung hat einen zyklischen Ablauf. Sie beginnt mit einem einzelnen Prozess, der weiterentwickelt und agil nachjustiert wird. Anschließend wird der nächste Prozess automatisiert, sodass im Laufe der Zeit immer mehr Softwareroboter dazukommen und der Anteil manueller und repetitiver Arbeit sinkt, die Produktivität und Zufriedenheit der Mitarbeiter*innen steigt. So wird deutlich: Prozessautomatisierung mit RPA ist ein wichtiger Bestandteil der Digitalisierung von Unternehmen und sollte angestoßen werden, solange Unternehmen noch in der luxuriösen Position sind, Projekte in Form eines MVP zu testen. Durch das agile Vorgehen werden Schritt für Schritt Prozesse und Prozessketten digitalisiert und für eine weitergehende Hyperautomation mit komplexeren, lernfähigen KI-Softwarerobotern vorbereitet.

Das eigene Unternehmen für die Zukunft aufzustellen wird nur gelingen, wenn Kollege Roboter perspektivisch fest an der Seite der menschlichen Mitarbeiter*innen eingeplant wird.

Konstantin Teepe ist für die Business Unit Telco, Media, Technology/High-Tech (TMT) bei Atos Deutschland verantwortlich sowie für den Vertrieb von TMT Central Europe. Innerhalb der Atos Gruppe hat er in verschiedenen Rollen Unternehmen bei der IT-Transformation und Digitalisierung unterstützt und Projekte aus den Bereichen Cloud, SAP, Automation, SaaS, Big Data, IoT und Quantum Computing begleitet.

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