Für Unternehmen, die sich immer noch die Frage stellen, ob KI für sie überhaupt eine Option ist, hat die Uhr gerade Punkt zwölf geschlagen. Wer sie jetzt umgehend mit „ja“ beantwortet, kann noch aufspringen, aber der KI-Zug ist bereits angerollt – und er wird 2022 rasant an Fahrt aufnehmen.
Der KI-Boom geht jetzt erst so richtig los. Der Grund dafür ist, dass Künstliche Intelligenz (KI) endgültig in den Unternehmen angekommen ist. 2022 wird das Jahr des Durchbruchs für die operative Nutzung von KI. Sie hat die Pubertät hinter sich gelassen und rückt aus den Innovationslabors in das Zentrum unternehmerischen Handelns, um dort ihre innovative und transformative Kraft zu entfalten. Das hat auch mit dem besseren Verständnis für KI und der gewachsenen Akzeptanz der Nutzer zu tun. Der Trend geht in Richtung evidenz- und datengetriebener automatisierter Entscheidungen zur Optimierung von internen Prozessen und externen Interaktionen. KI wird damit zum Business-Tool und entwickelt sich aus dem Stadium eines komplexen Insider-Assets für einen exklusiven Kreis von Experten zu einem wertvollen Werkzeug für den operativen Einsatz. Die Mustererkennung in riesigen Datensätzen wird zum Allgemeinwissen und führt – richtig eingesetzt – zu einer höheren Agilität und einer Verbesserung der Geschäftsergebnisse. Daraus resultiert ein Anwendungsdruck, dem sich kaum ein Unternehmen entziehen kann, ohne seine Wettbewerbsfähigkeit zu gefährden.
Alte KI-Hasen und interessante Newcomer
In nackten Zahlen wird dieser Trend durch das enorme Umsatzwachstum von KI-Software sichtbar. So prognostizierten beispielsweise die Marktforscher von Gartner [1] dafür jüngst einen weltweiten Markt von 62 Milliarden US-Dollar für 2022 – ein Wachstum von über 21 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die große Frage ist jetzt, was die Unternehmen daraus machen. Das beliebteste KI-Einsatzgebiet ist das Segment der virtuellen Assistenten, dergrößte Wachstumsschub unter den etablierten KI-Anwendungen ist aktuell beim Knowledge Management zu verzeichnen. Neben diesen klassischen Bereichen, zu denen unter anderem auch digitale Arbeitsplätze gehören,bleibt die KI-Landschaft aber bunt und vielfältig. Über die Hälfte der Anwendungen gehören nicht zu den erwähnten typischen KI-Einsatzszenarien. Das unterstützt die Sichtweise, KI als ein Werkzeug zu betrachten, das für viele unterschiedliche Anwendungsfelder geeignet ist. Umso wichtiger ist die fortschreitende Integration des Wissens über die Einsatzmöglichkeiten im Business und die weitere Vereinfachung von KI-Tools für Business und Citizen Developer nach dem Muster von No-Code/Low-Code-Plattformen.
Großes Potenzial wird vor allem Edge-KI zugeschrieben, das großen Einfluss auf die Veränderungen von Geschäftsprozessen nehmen wird. Durch Edge-KI werden smarte Systeme und mobile Devices, die bislang auf zentrale IT-Ressourcen angewiesen waren, in die Lage versetzt, KI-basierte Operationen weitgehend autonom durchzuführen. Datenerfassung, -verarbeitung und -analyse erfolgen ebenso wie die daraus resultierende Aktionssteuerung direkt vor Ort. Durch diese neue Fähigkeit und die Peer-to-Peer-Vernetzung von solchenintelligenten und selbstlernenden peripheren Systemen entstehen völlig neue Geschäftsprozess-Architekturen und Möglichkeiten.
Die Grenzen von Ethik und Recht
In den vergangenen Jahren ist im Zusammenhang mit KI viel über ethische Verantwortung gesprochen worden. Ergebnis dieser Diskussionen sind Initiativen wie der Coordinated Plan on Artificial Intelligence [2]der EU, die National AI Strategy [3] in Großbritannien oder die Strategie Künstliche Intelligenz der Bundesregierung [4]. Sie sollen dafür sorgen, dass kritische KI-Anwendungen wie Gesichtserkennung oder Verhaltensüberwachung im öffentlichen Raum strenger reguliert werden. Ethik spielt aber nicht nur in diesen sicherheits- oder gesellschaftskritischen Szenarien eine elementare Rolle. Sie gilt beispielsweise auch für KI-Anwendungen, die bislang aufgrund nicht Bias-freier Algorithmen für verzerrte Ergebnisse sorgen, etwa in entscheidungsunterstützenden Systemen.
Das beste Mittel gegen solche Verfälschungen ist ein Ethical Bias Check, der potenziell diskriminierende Ergebnisse im Vorfeld automatisch erkennt. Die KI-unterstützte Funktionalität weist standardmäßig auf sozial-, ethno- oder geschlechtsspezifische Verzerrungen hin, die durch fehlerhafte Algorithmen bei Kundeninteraktions- und Vermarktungsanwendung ausgelöst werden. Sie hilft so bei der Vermeidung von potenziell diskriminierenden Interaktionsprozessen. Generell geht die Entwicklung hin zu strengeren und stringenteren Vorgaben mit standardisierten Prozessen und transparenter Dokumentation, die sowohl den Missbrauch von KI als auch deren fahrlässige Nutzung bei der Anwendungsentwicklung unterbinden. Ein weiterer ethisch wertvoller, und gleichzeitig ganz praktischer Effekt von KI, ist ihr Einfluss auf des Erkennen und Eliminieren von gefährlichen Apps. Das bessere Verständnis von KI hilft dabei, Schadsoftware frühzeitig zu erkennen und zu blockieren. Das schafft Raum für mehr sichere KI-Anwendungsfelder und damit einen breiteren Zugang zu KI-gestützten Services.
KI wird menschlicher
Diese Entwicklung wird gestützt durch ein weiteres Merkmal der aktuellen KI: Sie wird menschlicher. Bislang wurde KIvorrangig dafür genutzt, intellektuelle Funktionen zu übernehmen. Jetzt entwickelt sie zunehmend kreative, emotionale und beziehungsorientierte Fähigkeiten. Für Unternehmen bedeutet das die Chance, ihre Kunden und Partner auch auf dieser Ebene besser zu verstehen und mit ihnen zielgerichtet interagieren zu können. Davon profitieren Transaktions- und Servicequalität. Parallel dazu erweitern sich auch die Einsatzmöglichkeiten für KI, etwa in gesellschaftlich wichtigen Feldern wie dem Gesundheitswesen und der Pflege. Dort ist sie bereits bei Routineaufgaben wie der zeitfressenden Dokumentation, beim Alarm-Management, bei Inventarnutzungsprognosen, bei der Bestands- und Nachfrageprognose in Pflegeheimen oder bei der Routenplanung mobiler Pflegedienste im Einsatz.
Über diese „versteckten“ Einsatzmöglichkeiten im Backend hinaus können KI-gestützte Roboter auch bei der Erfüllung einer der wichtigsten sozialen Komponente in der Pflege helfen und zumindest einen Teil der menschlichen Kommunikation und Interaktion am Frontend übernehmen. Pflegeroboter sind mithilfe von KI in der Lage, die Gestik, Mimik und Artikulation von Menschen zu imitieren. Damit sind sie fähig, typische emotionale Werte wie Empathie, Zuneigung oder Mitleid in die soziale Interaktion einzubringen und die menschliche Nähe durch Pflegekräfte zumindest teilweise zu ersetzen und so auch für deren Entlastung zu sorgen.
Diese Beispiele zeigen die ganze Bandbreite der KI-Unterstützung, die weit über die rein operativen Anwendungsmöglichkeiten in Unternehmen hinausgeht. Künstliche Intelligenz hilft bei der Optimierung von Kundeninteraktionen genauso wie bei der praktischen Verbesserung sozialer Systeme. Täglich kommen neue Einsatzszenarien dazu. Und ein Ende ist nicht abzusehen.
Quellen und Referenzen
[1] https://www.gartner.com/en/newsroom/press-releases/2021-11-22-gartner-forecasts-worldwide-artificial-intelligence-software-market-to-reach-62-billion-in-2022#:~:text=Gartner%20forecasts%20that%20the%20top,data%20(see%20Table%201)
[2] https://digital-strategy.ec.europa.eu/en/policies/plan-ai
[3] https://www.gov.uk/government/publications/national-ai-strategy
[4] https://www.ki-strategie-deutschland.de/home.html
Bildmaterial: (Quelle: pixabay)
artificial-intelligence-1920.jpg: Künstliche Intelligenz wird immer menschlicher.
robot-1920.jpg: Vom Concierge bis zum Entertainer: Die Einsatzszenarien für humanoide Roboter sind schier grenzenlos.
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