„Daten sind der Schlüssel zum Geschäftserfolg. Nur wer Informationen über seine Nutzer sammelt und auswertet, kann sein Businessmodell langfristig optimieren.“ So lautet das Mantra der Digitalisierer. Und natürlich haben sie damit recht. Doch wie kommen Unternehmen an ihre Daten? Sie brauchen lediglich ein paar einfache Regeln und einen klaren Fahrplan. Damit gelingt so manches von dem, was die einflussreichsten Unternehmen der Welt heute vormachen.
Eines vorweg: Die Zeiten sind vorbei, in denen Mitarbeiter stetig angeschoben werden mussten, Excel-Listen mit Daten vollzuschaufeln, die anschließend auf einer Festplatte verstaubten. Datengenerierung funktioniert heute anders, ganz anders. Und viel einfacher und nutzbringender. Sofern Sie diese Aufgabe richtig angehen.
Ich lade Sie zu einem kleinen Gedankenspiel ein. Nehmen wir an, ich komme auf Sie zu und sage: Hallo, ich möchte meine Geschäftszahlen verbessern und brauche dazu Ihre Daten. Schreiben Sie mir täglich zehn Minuten lang auf, was Sie heute erlebt haben. Dazu bitte fünf Fotos aus Ihrem Alltag, gerne auch persönliche. Und dann gebe ich Ihnen noch fünf ähnliche Erlebnisberichte von anderen Nutzern, die Sie für mich bewerten. Übrigens, Geld bekommen Sie dafür nicht.
Vermutlich würden Sie mich eher für verrückt erklären, als auf diese Bitte einzugehen. Und trotzdem gibt es ein Unternehmen, das genau auf diese Weise Daten sammelt. Täglich stellen ihm eine Milliarde Nutzer ihre persönlichsten Informationen zur Verfügung. Mit diesen Daten erzielt das Unternehmen circa 56 Milliarden Dollar Umsatz.
Wahrscheinlich ahnen Sie bereits, um wen es sich handelt: Facebook, das größte soziale Netzwerk der Welt. Da stellen sich doch Fragen: Warum geben Menschen diesem Unternehmen ihre Daten preis? Und was macht Facebook anders als Datenbanksysteme, die nur vor sich hinschlummern? Es sind vier einfache Regeln, die Facebook erfolgreich gemacht haben – und mit denen auch Sie Ihr Datensammeln auf ein neues Level heben.
1.Generieren Sie einen Mehrwert
Facebook bietet seinen Nutzern einen Mehrwert, einen Gewinn: Sie dürfen eine Plattform nutzen, um sich mit Freunden und Bekannten – ihrer Community – auszutauschen. Der einzige Preis für diesen Service sind ihre Daten. Wie gesagt: Für eine Milliarde Nutzer täglich ist das ein fairer Deal. Was bedeutet das für Ihre eigene Daten? Fordern Sie nicht ohne Gegenleistung Daten von Ihren Nutzern – sondern geben Sie ihnen etwas zurück. Schaffen Sie einen Mehrwert.
Sehen wir uns einige weitere Beispiele an: Single-Börsen wie Parship oder Elitepartner verbinden Personen mit ähnlichen Interessen und Wünschen. Ein Austausch startet, sobald beide Personen Interesse haben, sich kennen zu lernen.
Einen Mehrwert schafft auch der Unterkunftsanbieter Airbnb. Als Reisender übernachten Sie nicht in einem Hotel, sondern bei Einheimischen. Sie erhalten nicht nur eine günstige Bleibe: Durch den persönlichen Kontakt kann darüber hinaus jeder etwas über die Kultur und die Lebensgewohnheiten des anderen erfahren.
Fazit: Alle erfolgreichen Plattformen generieren einen Mehrwert für ihre Nutzer. Die Qualität dieses Mehrwerts entscheidet über den Erfolg des Datensammelnss.
2.Fangen Sie klein an …
Überschaubare Gruppen sind leichter zu handhaben. Das kommt Ihnen entgegen, wenn Sie noch wenig Erfahrung mit Plattformen und daraus generierten Daten haben. Kleine Communities erleichtern es Ihnen, von Anfang an einen ausreichend hohen Mehrwert für alle zu bieten. Facebook hat an der University of Harvard mit circa 20.000 Studenten begonnen.
Kleine Gruppen sind zudem familiärer. Anfangsfehler und Missgeschicke lassen sich hier leichter korrigieren als in einer unüberschaubaren Menge. Sie kennen das sicher aus Ihrer Familie. Beispielsweise habe ich zu Weihnachten immer Socken von meiner Oma bekommen. Jedes Jahr aufs neue. Habe ich meine Oma nur wegen der Socken besucht? Nein, das Geschenk fand ich total langweilig. Ich wollte einfach gerne Zeit mit meiner Oma verbringen. Was lernen wir daraus? Unattraktive Geschenke werden in einer kleinen, familiären Gruppe leichter verziehen. Was zählt, ist das gemeinschaftliche Miteinander.
Tappen Sie auf Ihrer Plattform in ein Fettnäpfchen, dann wird Ihnen das eine familiäre Community leichter verzeihen als eine anonyme Masse. Zudem können Sie mit einer kleinen, begrenzten Gruppe besser ins Gespräch kommen und lernen, an welchen Stellen die Plattform Verbesserungen nötig hat. Erst wenn der Mehrwert für jeden einzelnen ausreichend hoch ist, dann ist auch der Zeitpunkt gekommen, die Plattform im großen Stil auszurollen und wie ein Saatkorn wachsen zu lassen.
3…. aber denken Sie von Anfang an groß
Die Größe und Reichweite einer Plattform spielt beim Aufbau eine wichtige Rolle. Plattformen funktionieren nur richtig gut, wenn sie eine Monopolstellung einnehmen. Mit dieser Strategie hat sich Facebook gegenüber anderen Vernetzungsplattformen wie zum Beispiel StudiVZ durchgesetzt.
Überlegen Sie von Anfang an:
- wie groß Ihre Plattform werden könnte
- mit welcher Reichweite Sie die Plattform langfristig ausrollen können
- inwiefern Ihre Plattform als Rollenmodell dienen kann
Ein weiterer wichtiger Punkt: Für jede Abteilung eine eigene Plattform bzw. Datenbank einzuführen macht ebenso wenig Sinn wie für unterschiedliche Aufgaben. Oft arbeiten Unternehmen aber schon mit unterschiedlichen Datenbanksystemen, weil Organisations- und Gesellschaftsstrukturen im Lauf der Zeit gewachsen sind. Prüfen Sie in diesen Fällen, wo Vereinfachungen und Vereinheitlichungen einen Mehrwert für die einzelnen Nutzer(-gruppen) bieten.
4.Nutzen Sie die Künstliche Intelligenz
Manchmal ist trotz aller Bemühungen kein ausreichend hoher Mehrwert für die User zu erzielen. Bringen Sie in solchen Fällen die Künstliche Intelligenz (KI) ins Spiel. Sie bietet heute zahllose Möglichkeiten, das Eingeben von Daten schneller und einfacher zu erledigen – beispielsweise durch intelligentes Suchen oder vorausgefüllte Eingabefelder.
Warum ist es inzwischen so einfach, Fotos am Smartphone zu bearbeiten? Früher war diese Kunst professionellen Fotografen vorbehalten, die mittels teurer Software Helligkeit und Kontrast einzeln bearbeitet haben. Heute genügt ein Klick und sie erhalten ein Bild, über das Ihre Freunde auf Facebook und Instagram staunen. Die Funktion dieses Zauberstabs verbessert sich stetig, und zwar dank Auswertung von Nutzerdaten. Die Künstliche Intelligenz ermittelt, wie Bilder bevorzugt bearbeitet werden und integriert diese Einstellungen in den Zauberstab.
Bedenken Sie aber: So wertvoll die Nutzung von Künstlicher Intelligenz auf einer Plattform sein kann, so wenig hilfreich ist sie beim Start der Datensammlung. Denn hier besteht ein Henne-Ei-Problem: Damit die KI arbeiten kann, müssen erst einmal Daten vorliegen. Sobald jedoch ein Grundbestand an Daten vorhanden ist, kann die Künstliche Intelligenz eingreifen und Sie beim Datensammeln und bei der Auswertung unterstützen. Dann können Sie Aussagen treffen und Informationen verknüpfen, wie Sie das zum Beispiel von Amazon kennen: Sobald Sie ein paar Produkte gekauft haben, erhalten Sie Vorschläge für andere Produkte. Ähnlich funktionieren auch die Urlaubsvorschläge bei Airbnb und die personalisierte Werbung auf Facebook. Wollen Sie den Verkauf von Beton oder Maschinen analysieren und anschließend optimieren? Die Wirksamkeit von Präventionsmaßnahmen? Oder den Wissenstransfer bei Bildungsangeboten? Im Prinzip ist Künstliche Intelligenz in praktisch allen Bereichen einsetzbar.
Vorschläge zur Umsetzung
Nehmen wir an, Sie haben das Potenzial digitaler Plattformen erkannt und wollen nun einsteigen. Wo fangen Sie am besten an?
• Ermitteln Sie Ihre Nutzer und teilen Sie diese in Nutzergruppen ein:
Fragen Sie sich: Welche Nutzergruppen sollen meine Datenbank füttern? Welche Nutzer
erhoffen sich daraus einen Mehrwert? Wer ist darüber hinaus für mich interessant und sollte mit der Plattform adressiert werden?
Häufig zielen Plattformen auf Endnutzer, zum Beispiel auf die Teilnehmer eines Seminars, auf
Käufer Ihrer Produkte, auf Patienten oder Bewohner. Sind diese Nutzergruppen noch nicht als
Akteure berücksichtigt? Dann müssen ihre Interessen und Bedürfnisse definiert und in die
Plattform integriert werden.
• Arbeiten Sie heraus, was Ihre Nutzergruppen an Arbeitsaufgaben erledigen und was sie tun sollen, um die Datenbank zu befüllen:
Nicht nur die Interessen einer Nutzergruppe sind für Ihre Plattform wichtig. Identifizieren Sie
auch die Aufgaben Ihrer Nutzergruppen und formulieren Sie diese aus. Eine dafür sehr gut
geeignete Methode ist „Jobs-to-be-done“ von Clayton M. Christensen.
In einer anschließenden Root-Cause-Analyse können Sie die Ursachen für freigelassene
Eingabefelder und andere unerledigte Aufgaben sichtbar machen. Aus meiner Erfahrung haben
ausgerechnet die wertvollsten Nutzer oft am wenigsten Zeit, Ihre Datenbank zu befüllen.
Machen Sie es ihnen deshalb so leicht wie möglich.
Erarbeiten Sie deshalb …
– welche dieser Arbeitsaufgaben vereinfacht werden können
– welche wegfallen können
– wer alternativ die Datenbank befüllen könnte.
Zeitersparnis ist für die genannte Nutzergruppe ein enormer Mehrwert – und besonders hoch ist der Mehrwert für sie, wenn unangenehme Aufgaben wegfallen. Richten Sie Ihre Plattform
danach aus.
• Starten Sie mit einem Piloten und optimieren Sie die Plattform kontinuierlich:
Suchen Sie sich ein kleines Übungsfeld und informieren Sie alle Nutzer darüber, dass sie an
einem Pilotprojekt teilnehmen. Fragen Sie die Nutzer immer wieder nach ihren Erfahrungen im
Umgang mit Ihrer Plattform. Und nutzen Sie die Erkenntnisse zur kontinuierlichen Verbesserung.
Die Methoden der User Experience und des Customer Development können Ihnen bei dem
iterativen Vorgehen im Auf- und Ausbau der Plattform helfen. Sparen Sie sich die Mühe, die
Plattform von Beginn an auf Inhalte, Eingabemasken, Zeitpunkte der Eingabe, Voraussetzungen etc. festzulegen. Konzentrieren Sie sich stattdessen auf die Befragung der Nutzer, integrieren Sie die daraus gewonnenen Erkenntnisse und arbeiten Sie kontinuierlich an der Vereinfachung von Aufgaben. Dieses agile Vorgehen ist extrem wichtig, damit Sie sich nicht verzetteln.
Sie können den Piloten beenden, sobald Sie einen ausreichend hohen Mehrwert für jeden
Nutzer erzielt haben. Dann ist es Zeit, die Plattform auszurollen.
Fazit: Kein Respekt vor großen Plattformen
„Schön und gut, aber an Facebook und Co. kommen wir niemals heran“, höre ich immer wieder. Das stimmt. Sie müssen sich auch gar nicht mit den großen Plattformen messen. Vielleicht ist Ihre auf einen speziellen Zweck ausgerichtete Plattform viel attraktiver als Facebook. Das würde bedeuten, dass Sie einen völlig neuen Mehrwert für sich selbst und für Ihre Nutzer erzielen. Mit Ihren Daten sind vielleicht Erkenntnisse möglich, die eine Bereicherung für unsere ganze Gesellschaft sind. Was spricht gegen einen Einsatz von Plattformen im Gesundheitsbereich, im Maschinenbau oder im Bildungssektor? Was spricht dagegen, dass Sie den ersten Schritt tun?
Wir sagten es schon: Auch Facebook hat klein angefangen. Sie brauchen nicht Milliarden Nutzer, damit Ihre Plattform erfolgreich ist. Es kommt darauf an, dass Sie nicht warten, bis andere die Initiative ergreifen. Sondern Sie sollten anfangen, selbst in diese Richtung zu denken und zu handeln. So können Sie mitgestalten und zum Beispiel dafür sorgen, dass ethische Rahmenbedingungen gesetzt und eingehalten werden. Oder dass ein KI-Bias möglichst schnell erkannt und darauf reagiert wird. Das ist einfacher und effizienter, als auf Dauer zur Dateneingabe zu motivieren oder Ressourcen für Datenfriedhöfe zu verschwenden.
Nutzen wir die Erkenntnisse, die wir von den großen Plattformen lernen können. Und zeigen wir unseren Branchen, Nutzern und Mitarbeitern Respekt, indem wir Plattformen entwickeln, die Ihnen und damit unserer Gesellschaft einen Mehrwert bieten.
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