„Machine Learning“ ist in der Buchhaltung angekommen

Von   Phillip C. Campbell   |  Partner   |  Campbell Hörman PartG
23. Mai 2018

Digitalisierung und Automatisierung werden für viele Branchen eine disruptive Wirkung haben. Besonders betroffen hiervon wird der Bereich Buchhaltung und Steuerberatung sein. Die Digitalisierung ist in einer zunehmenden Anzahl von Steuerkanzleien mittlerweile fester Bestandteil der Arbeitswelt. Die Entwicklung schreitet aber mit großen Schritten voran und auch der Einsatz künstlicher Intelligenz ist nicht länger ein futuristischer Trend, sondern ist in der Buchhaltung angekommen. Viele Branchen wurden in den letzten Jahren komplett umgekrempelt und in der vermeintlich angestaubten und unflexiblen Branche der Buchhaltung werden die Automatisierung und der Einsatz künstlicher Intelligenz eine große Auswirkung haben. Künstliche Intelligenzen machen den Menschen das Arbeiten leichter und gerade im Bereich der Belegbuchung schreitet die Entwicklung so schnell voran, dass ein Durchbruch hin zu selbstbuchenden Systemen in greifbarer Nähe ist.
In unserer Steuerkanzlei Campbell Hörmann Partnerschaftsgesellschaft, Steuerberater und Rechtsanwälte, München, setzen wir seit einigen Jahren die digitale Buchhaltung um. Dies beginnt mit dem elektronischen Erfassen der Kontoauszüge der Banken. Lange vorbei sind die Zeiten, als der Sachbearbeiter den Kontoauszug der Bank abgetippt hat. Das Rechenzentrum erhält mit sämtlichen im geschäftlichen Bereich tätigen Banken und Sparkassen in Deutschland den Zugriff auf die Kontoauszugsdaten. Der sichere und schnelle Austausch vom Rechenzentrum der Bank zum Rechenzentrum der Steuerberatersoftware bedeutet für die Steuerkanzlei, dass zentrale Daten wie Betrag, Datum, Verwendungszweck schon erfasst sind und nur noch das Gegenkonto erfasst werden muss. Diese Entwicklung ist aber bereits ein Jahrzehnt alt.

Der nächste Schritt der Entwicklung ist das Buchen digitaler Belege. Hier transferiert der Mandant seine Belege digital an die Steuerkanzlei, indem ihm entweder die originär digitalen Dateien hochgeladen werden oder Papierdateien eingescannt und hochgeladen werden. Über eine sichere Verbindung vom Computerarbeitsplatz des Mandanten oder seit Neuestem auch über eine sicherer webbasierte Lösung kann der Belegtransfer in die Steuerkanzlei erfolgen, genaugenommen wiederum in das Rechenzentrum. Der Sachbearbeiter in der Steuerkanzlei öffnet auf einem Bildschirm den Buchhaltungsbeleg und verbucht diesen auf dem zweiten Bildschirm. Der Beleg wird zum Abschluss des Buchungssatzes an die Buchung „angehängt“, sodass der Jahresabschluss-Sachbearbeiter, der Mandant oder ein Steuerprüfer direkten Zugriff auf die Buchung und damit verknüpft auf den Beleg haben. Das Suchen und Sortieren von Belegen entfällt.

Hierin knüpft jetzt das Machine Learning an. Die originär-digitalen oder eingescannten Rechnungen werden von der Software mit einer OCR-Erkennung behandelt, sodass wesentliche Inhalte wie Rechnungsdatum, Rechnungsbetrag, Absender und dergleichen automatisiert erkannt werden können. Auch dies erleichtert dem Buchenden die Arbeit erheblich, denn auf diese Weise müssen Belege nicht mehr händisch eingepflegt werden. Auch repetitive und besonders fehleranfällige Tätigkeiten der Buchführung können so von smarter Software übernommen werden.

Mittels „maschinellem Lernen“ kann die intelligente Software mit jedem einzelnen Beleg dazulernen, ihre Fähigkeiten erweitern und sich so individuell an die Bedürfnisse des jeweiligen Nutzers anpassen. Nach dem Verbuchen eines Belegtypen unter die relevanten Erlös- oder Aufwandskonten wird die Lerndatei bei dem nächsten Beleg den entsprechenden Buchungssatz schon vorschlagen. Auch hier wandelt sich die Tätigkeit des Buchhalters weg von der manuellen Eingabe hin zu Kontrolle und Freigabe der Buchungen.

Die digitale Vernetzung sorgt zudem dafür, dass auch der Umgang mit bisher unbekannten Belegformaten von anderen Softwareanwendern auf das eigene System übertragen werden kann. So ist die Technik immer auf dem neuesten Stand und die Klassifizierung von Daten wird kontinuierlich verbessert und verfeinert, das System lernt selbständig dazu.

Selbstbuchende Software

Durch diesen schnellen technischen Fortschritt ist der Weg zum selbstbuchenden Software bereitet. In absehbarer Zeit wird intelligente Software vollständig und eigenständig das Einlesen und Verbuchen von Belegen übernehmen können. Dateneingaben, rechtliche und auch rechnerische Prüfung, Ablage und Freigabeprozesse wird von der Software übernommen werden. Selbst die Verknüpfung mit dem Bankkonto zum Abgleich und Ausführung von Buchungen kann so durch künstliche Intelligenz dem Menschen abgenommen werden. Einzig die stichprobenartige Kontrolle der Vorgänge oder das gezielte Einbringen von Know-how obliegt in der Zukunft der menschlichen Komponente des Arbeitsprozesses. Durch diese Synergien aus menschlicher und maschineller Komponente wird dem Arbeitnehmer in der Steuerkanzlei eine primäre Fokussierung auf taktische und strategische Themen ermöglicht.

Die Vorteile dieses strukturellen Wandels liegt auf der Hand: Neben der Einsparung von Ressourcen wie Personal und Arbeitszeit, ermöglicht gerade ein intelligentes Ablagesystem neben einem gezielten Suchen und schnellem Auffinden einzelner Belege auch eine bedürfnisgerechte Datenanalyse. Durch intelligente Filtersysteme und automatisierte Auswertungstools lassen sich betriebliche Kennzahlen einfach per Mausklick ermitteln und der geschäftliche Erfolg detailliert und verständlich abbilden, sodass dem Unternehmen ein Wettbewerbsvorteil entsteht.

Erfolgreich auf dem internationalem Markt

Diese Prozessoptimierung und Effizienzsteigerung endet aber nicht an der Bürotür. Durch passgenaue IT- und Cloudlösungen wird in Zukunft das Arbeiten und die Vernetzung mit dem Steuerberater flexibel gestaltet. Der Steuerberater ist immer auf dem gleichen Stand und die Ressourcen können zur Beratung und nicht mehr zur Berechnung genutzt werden. Jenseits der internen IT-Infrastruktur des Unternehmens wird es möglich sein, Arbeiten von überall auf der Welt zu erledigen und die Buchhaltung auch von international agierenden Unternehmen maschinell erledigen zu können. So kann der intelligenten Software mit nur einem Update Fremdsprachenkenntnisse beigebracht werden, wofür der Mensch oftmals Jahre lang braucht. Die Datenklassifizierung erfolgt auch im internationalen Bereich zuverlässig, korrekt und in Sekundenschnelle.

Ausblick

Die Zukunft der selbständig arbeitende und buchende Software ist in greifbarer Nähe. Unternehmen haben mit einem kompetenten Partner nun die einmalige Möglichkeit, ihr System frühzeitig an die bestehenden und zukünftigen Möglichkeiten anzupassen und sich so entscheidende Wettbewerbsvorteile zu sichern. Denn eines ist sicher: die Digitalisierung und Automatisierung ist nicht mehr aufzuhalten und eine frühzeitige Umsetzung der Möglichkeiten kann helfen, Prozesse effizient und kostensparen zu gestalten.

Phillip C. Campbell ist Gründungspartner der Campbell Hörmann PartG Steuerberater und Rechtsanwälte. – Zulassung zur Rechtsanwaltschaft 2001 – Bestellung als Steuerberater 2009 – Selbständige Tätigkeit ab 2011 – Davor Angestelltentätigkeit als Rechtsanwalt und Steuerberater

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