Markenschuhe und allen voran Sneaker werden nach aufwendigen Werbekampagnen oft in einer limitierten Auflage auf der Website des Unternehmens vorgestellt und verkauft. Der Hype rund um die Markteinführung ist riesig und treue Kunden warten sehnsüchtig darauf, ihre Bestellung aufzugeben, sobald das Produkt veröffentlicht wird. Doch wenn dieser Moment gekommen ist, dann ist der Webshop meist in Sekundenschnelle ausverkauft. Viele Kunden fühlen sich bei ihrem Versuch, ein Paar der begehrten Schuhe zu ergattern, überrumpelt und sehen die einzige Möglichkeit immer öfter darin, einen Aufpreis zu zahlen, um die Schuhe von einem Reseller zu kaufen. Der verlangte Wucherpreis enttäuscht den Kunden und er verliert womöglich ein Stück Vertrauen in die Marke.
Dieses Szenario ist in den letzten Jahren immer häufiger zu beobachten, da organisierte Reseller immer raffiniertere Methoden anwenden, um beliebte Trendartikel von renommierten Einzelhändlern zu kaufen und zu überhöhten Preisen weiterzuverkaufen. Mode, Technologie, Konzerte und Reisen sind nur einige der Sektoren, die sich für die Reseller als äußerst attraktiv erweisen.
Die COVID-19-Restriktionen haben diesen Trend noch beschleunigt – vor allem in der Mode- und Technologiebranche. Da die Verbraucher nicht in der Lage waren, physische Geschäfte zu besuchen, sprangen die Wiederverkäufer ein, um die Nachfrage zu befriedigen. Laut einer Studie der SaaS-Plattform für Unternehmensmarktplätze Mirakl aus dem Jahr 2021 trugen die besten 25 % der Verkäufer 88 % des Brutto-Warenvolumen auf Unternehmensplattformen bei, und die Wiederverkäufer übertrafen die „traditionellen“ Einzelhändler auch beim Kundenservice. Folglich sind diese Marktplätze im letzten Jahr doppelt so schnell gewachsen wie der digitale Handel.
Auf den ersten Blick scheint der Aufstieg der Wiederverkäufer keine große Bedrohung für die Einzelhändler darzustellen. Schließlich können die Unternehmen die erwartete Menge ihrer Produkte verkaufen und der Service, den die Drittanbieter ihren Kunden bieten, wirkt zunächst sinnvoll. Diese umsatz- und gewinnorientierte Sichtweise ist jedoch zu vereinfachend und zu kurzfristig. Das wahre Risiko, das von Resellern ausgeht, wird ersichtlich, wenn man die Methoden und ihre Auswirkungen betrachtet, die sie auf die Beziehungen der Händler zu ihren Kunden und die allgemeine Markenwahrnehmung haben.
Einkaufen mit Bots
Der Schlüssel zu den raffiniertesten Operationen ist der Einsatz von Bots zur Überwachung und Automatisierung von Einkäufen auf den Websites der Einzelhändler. Häufig agieren hier automatisierte Systeme, die mit regulären Verbrauchern um die begehrtesten Artikel konkurrieren. Bot-gestützte Überwachungssysteme und die Zusammenarbeit von Resellern in Online-Communities warnen, wenn neue Veröffentlichungen anstehen. Die Bots werden dann beauftragt, Massenkäufe zu tätigen, sobald das Produkt auf den Markt kommt.
Die Programme können herkömmliche Betrugserkennungssysteme umgehen, indem sie es ihren Nutzern ermöglichen, mehrere E-Mail-Adressen und Lieferadressen einzugeben – meist nehmen sie dafür viele kleine Änderungen an der tatsächlichen Adresse vor. Die Bots sind so konfiguriert, dass sie Proxys verwenden, damit Einzelhändler nicht erkennen können, dass mehrere Bestellungen von derselben IP-Adresse stammen. Auch technische Anti-Bot-Lösungen wie CAPTCHA werden umgangen.
Was danach folgt, ist recht unkompliziert. Sobald der Reseller die Ware erhält, legt er den Preis fest und bewirbt die Verfügbarkeit des begehrten Produkts, oft auf Marktplatzseiten. Einige Bots sind so konfiguriert, dass die Tätigkeit für den Reseller noch weniger riskant ist und er die Waren gar nicht erst physisch handhaben und lagern muss. Bots automatisieren den Kaufprozess, indem sie dem Käufer die Anmeldedaten für den Einkaufswagen übermitteln, den der Bot im Namen des Resellers gesichert hat. Sobald er den Zugang zum Warenkorb verkauft hat, werden die Anmeldedaten übermittelt und der Käufer hat ein Zeitfenster von 10 bis 15 Minuten, um sich auf der Website des Einzelhändlers anzumelden und den Bestellvorgang abzuschließen.
Der Reseller-Markt ist so ausgereift, dass die Tools selbst zu einem Massenprodukt geworden sind. Bots können gemietet werden und es werden Schritt-für-Schritt-Anleitungen angeboten, wie man einen Wiederverkauf erfolgreich durchführen kann. Gute Nachrichten für private Ein-Mann-Unternehmer, aber schlechte Nachrichten für die Einzelhändler.
Einzelhändler riskieren, Beziehungen an Reseller zu verlieren
Wenn Einzelhändler erleben, dass Reseller massenhaft Produkte kaufen, hat das mehrere negative Auswirkungen auf die Kundenbeziehung. Der loyale Kunde ist sehr enttäuscht, wenn er versucht, ein Produkt zu kaufen, das innerhalb weniger Sekunden oder Minuten nicht mehr vorrätig ist. Die Enttäuschung wird noch größer, wenn er sieht, dass das Produkt von Dritten zu einem überhöhten Preis zum Verkauf angeboten wird. Außerdem besteht beim Kauf auf Marktplätzen Dritter statt direkt bei der Marke das Risiko, dass es sich bei dem gekauften Produkt nicht um eine echte Ware, sondern um eine Fälschung handelt.
All dies schadet dem Ruf der Marke erheblich und erweckt den Eindruck, dass die Marke sich nicht um den Schutz ihrer Stammkunden oder die Qualität ihrer Produkte und Dienstleitungen kümmert. Der Kunde kann natürlich beschließen, das Produkt trotzdem zu kaufen und akzeptieren, dass eine hohe Nachfrage mit höheren Preisen einhergeht. Dies bedeutet jedoch, dass er eine Beziehung mit dem Reseller und nicht mit der Marke eingeht, was zu einer möglichen Wertschöpfung auf Lebenszeit für den Reseller und nicht für den ursprünglichen Einzelhändler führt. Dies stellt eine enorme verpasste Chance dar.
Einzelhändler werden daran gehindert, personalisierte Kundenerlebnisse zu schaffen und treue Kunden mit Sonderangeboten zu belohnen. Wenn man bedenkt, wie viele Marketing- und Werberessourcen für die Entwicklung von Kundenanreizen aufgewendet werden, bedeutet der immer häufigere Missbrauch dieser Kundenbeziehung durch Reseller einen erheblichen Verlust für die Marke. Letztendlich ist im heutigen Einzelhandelsumfeld die Qualität der angebotenen Kundenerfahrung und Belohnung treuer Kunden eine Schlüsselwährung im Kampf um Relevanz und Reputation.
Auswirkungen von automatisierten Masseneinkäufen auf die Webpräsenz
Der Missbrauch durch Reseller kann auch betriebliche Auswirkungen haben. In einer digitalen Welt, in der die Erwartungen der Kunden an Geschwindigkeit und Benutzerfreundlichkeit enorm hoch sind, kann sich schon eine Sekunde Verzögerung beim Laden einer Website negativ auf die Konversionsraten auswirken. Im Extremfall können Bot-Aktivitäten ähnliche Auswirkungen wie ein DDoS-Angriff haben und Websites verlangsamen oder sogar offline schalten, was zu unmittelbaren Umsatz- und Reputationsverlusten führt.
Neben Website-Problemen erschwert die rege Aktivität von Resellern das Einschätzen der tatsächlichen Produktnachfrage und das entsprechende Management der Lieferkette. Dadurch geraten unter Umständen die Lagerkapazitäten der Händler an ihre Grenzen, was wiederum zu Abfall und unnötigen Umweltbelastungen führen kann.
Bekämpfung der unlauteren Methoden der Reseller
Der Missbrauch, den Wiederverkäufer betreiben, bestraft die Kunden auf unfaire Weise für ihre Treue zu einer Marke. Er treibt die Preise künstlich in die Höhe und wirkt sich auf das gesamte Kundenerlebnis aus, indem er die Möglichkeiten der Einzelhändler einschränkt, Kunden mit Treueprämien zu erreichen. Daher sollte die Bekämpfung dieses Missbrauchs eine Priorität für Einzelhändler sein.
Die Raffinesse und Automatisierung, die von Resellern eingesetzt wird, führen dazu, dass einfache Lösungen zur Erkennung von Betrug und Missbrauch nicht funktionieren. Infolgedessen sehen sich die Einzelhändler gezwungen, den Schutz zu erhöhen, doch oft erfordern diese Lösungen eine stärkere Überprüfung durch den Kunden. Dadurch werden zwar einige Reseller aussortiert, aber auch die Kundenerfahrung wird beeinträchtigt, d. h. Kunden und Einzelhändler leiden weiterhin unter den Auswirkungen.
Fazit
Es wird eine intelligente Methode benötigt, um den Fingerabdruck von Reseller-Transaktionen zu erkennen. KI-gestützte Tools zur Betrugserkennung können hier eine Lösung des Problems darstellen. Durch die Analyse des Nutzerverhaltens über die gesamte Customer Journey hinweg und den Einsatz von maschinellem Lernen, um dieses mit einem globalen Datennetzwerk in Echtzeit zu verknüpfen, können Einzelhändler versteckte Identitätsverknüpfungen aufdecken, wie z. B. leicht veränderte Lieferadressen und mehrere E-Mail-Konten.
Auf diese Weise wird sichergestellt, dass echte Kunden das bestmögliche Einkaufserlebnis haben. Gleichzeitig können Einzelhändler ihr Markenimage, ihre Preispolitik und die Verfügbarkeit von Lagerbeständen bei Resellern kontrollieren. Indem sie die Automatisierung von Großeinkäufen erschweren und Serientäter sperren, können Einzelhändler den Wiederverkauf weniger profitabel machen und Akteure davon abhalten, ihre Marke ins Visier zu nehmen. Das bedeutet, dass Einzelhändler sich wieder darauf konzentrieren können, personalisierte, wertvolle Erfahrungen für echte Kunden zu schaffen, ohne dabei die essenzielle Beziehung zu ihnen zu riskieren.
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