Zwei Jahre Pandemie haben die Digitalisierungsbemühungen in den unterschiedlichsten Bereichen massiv beschleunigt. In der Zusammenarbeit verteilter Teams, deren Mitwirkende – wo auch immer – im Remote-Modus an Projekten mitwirken. An Schulen und Hochschulen, die ihren Bildungsbetrieb über digitale Schnittstellen von jetzt auf gleich aufrechterhalten mussten. Bei digitalen Check-ins, Online-Bestellungen und Pick-ups im Laden oder Restaurant. Oder auch lange ausgesessene Innovationen von Augmented-Reality-Lösungen für den Vertrieb bis zu Chatbots in der Kundenbetreuung oder intelligenten Assistenten, die Arbeit, Vertrieb und Verkauf effizienter gestalten – all das konnten wir in den letzten zwei Jahren in einer Art Zeitraffer mitverfolgen.
Wie schwer es ist, Versäumtes in kurzer Zeit nachzuholen, hat vor allem der Handel mit Beginn der Pandemie und den damit verbundenen Einschränkungen bis zum Lockdown hautnah erleben müssen. Und nicht alle haben den rechtzeitigen Sprung in den E-Commerce noch geschafft. Das liegt nicht zuletzt daran, dass der Online-Handel über die Jahre einen nicht zu verachtenden Reifegrad erlangt hat. Der Sättigungsgrad an Anbietern, aber auch an Möglichkeiten, aus Sicht der Händler noch signifikante Verbesserungen im eigenen Onlineshop vornehmen zu können, ist gefühlt erreicht.
Wo der Online-Handel in Optimierungen investiert
Umso mehr stellt sich für viele die Frage, was in der Krise, die sich mit Lieferengpässen, dem Ukraine-Krieg und seinen Folgeerscheinungen Inflation und Energiepreissteigerungen weiter zuspitzt, tatsächlich noch positiven Einfluss auf die Performance des eigenen Onlineshops hat. Viele Online-Händler befinden sich im Krisenmodus. Das bedeutet, dass jede Investition in die Verbesserung des eigenen Angebots noch kritischer hinterfragt wird. Nahezu alle Anbieter sind performanceorientiert. Angesichts knapper Margen und eines harten Wettbewerbs ist das nur verständlich. Was mehr oder weniger allen klar ist: Vor allem der Funnel und der Check-out-Prozess müssen kontinuierlich optimiert werden.
In den sogenannten Sales- oder Conversion Funnel, also den Prozess von der Ansprache der Kunden und der Verfügbarkeit bestimmter Angebote über die Auffindbarkeit bis zum konkreten Kaufinteresse und der “Kaufbarkeit” bis zum tatsächlichen Kaufabschluss wurde (und wird nach wie vor) beständig viel Zeit und Geld investiert. Das gilt vor allem für den “Lower Sales Funnel”, etwa die Kampagnenplanung und Erstansprache, die dank Social Commerce noch vielfältiger geworden ist. Unermüdlich investiert wird nach wie vor auch in die Optimierung der Check-out-Schritte wie bspw. Auto-Vervollständigungsfunktionen bei Registrierungsformularen oder Lieferadressen und die Vereinfachung von Bezahlverfahren. Die Effekte sind in aller Regel jedoch vergleichsweise ernüchternd – nicht zuletzt im Abgleich mit den bereitgestellten Budgets. Verbesserungen der Conversion bewegen sich hier nicht selten im prozentualen Nachkommabereich.
Wo der Online-Handel in Optimierungen (und KI) investieren sollte
Angesichts des Reifegrads des E-Commerce gilt es daher, sich noch einmal grundlegend Gedanken darüber zu machen, was Kunden wirklich wollen. Aus strategischer Sicht kommt ein weiterer wichtiger Aspekt hinzu: Wie schaffen es Online-Händler, sich von den großen E-Commerce-Marktplätzen wie Amazon, Ebay, Otto oder Zalando unabhängiger zu machen? Der Grund hierfür ist denkbar einfach: Nur mit dem eigenen Shop gestalten sie die Kundenbeziehung selbst. Nur hier haben sie kompletten Einfluss auf Produktdarstellung, Preisgestaltung und sämtliche erfolgskritischen Prozesse wie etwa das Kundenbeziehungsmanagement. Das ist der Moment, in dem die Künstliche Intelligenz ins Spiel kommt. Denn wer hier tatsächlich etwas bewegen möchte, ist auf die Unterstützung von Maschinen und selbstlernender Software angewiesen. Das Gebot der Stunde lautet: Content-Automatisierung, genauer: personalisierte Produktbeschreibungen.
Die Erfahrung zeigt: Personalisierte Produkttexte sind ein echter Conversion-Treiber. Während – wie beschrieben – bei der Ausgestaltung des Funnels und im Check-out-Prozess mit sehr großer Akribie jedes noch so scheinbar unwichtige Detail unter die Lupe genommen wird und mit A/B-Tests alle denkbaren Varianten durchgespielt werden, liegt eine andere Hausaufgabe des Online-Handels, nämlich die Optimierung der Produktseiten, nahezu brach. Aus der eigenen Praxis und der Zusammenarbeit mit Online-Händlern kann ich berichten, dass Conversion Uplifts im mittleren zweistelligen Prozentbereich eher die Regel als die Ausnahme sind.
KI stärkt die Kundenbeziehung und macht unabhängig(er)
Woran liegt das? Produkttexte, die mit automatisierten Detailbeschreibungen, die auf den situativen Kontext des Online-Kaufs oder – sofern über Registrierung im Shop oder Kaufhistorie bekannt – auf persönliche Vorlieben des jeweiligen Kunden eingehen, bringen auf mehreren Ebenen spürbare Vorteile. Sie erhöhen aufgrund ihrer permanenten Aktualität schon bei der Suche nach Produkten die Sichtbarkeit, sie schaffen Nähe zum jeweiligen Kunden und sie senken erfahrungsgemäß auch die Retourenquote – vor allem in Relation zu Standardtexten, die nicht selten das aus Sicht des Käufers entscheidende Detail nicht berücksichtigen.
Der wichtigste Vorteil aber liegt in der Stärkung der Kundenbeziehung. Kunden mit individueller Aufmerksamkeit und maßgeschneiderter Beratung zu begegnen – sowohl bei der Beschreibung von Produkten als auch in der After-Sales-Kommunikation –, schafft genau die Nähe, die sie oft aus dem stationären Handel gewohnt sind, im Online-Handel aber meist vermissen.
KI ist automatisch, aber nicht automatisch Enterprise-Lösung
Spricht man mit Online-Händlern über das Thema Content-Automatisierung und Personalisierung, wird meist abgewunken: Zu teuer, zu langwierig, zu aufwändig. Dabei wird leider übersehen, dass wir im Jahr 2022 längst weiter sind:
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Künstliche Intelligenz muss nicht teuer sein.
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Künstliche Intelligenz ist auch Software-as-a-Service.
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Dank “Plug & Play” und API-Schnittstellen ist Künstliche Intelligenz schnell einsatzfähig.
Die drei genannten Aspekte sind nicht zu unterschätzen, denn sie stehen mitunter im Widerspruch zu den bisherigen Erfahrungen von E-Commerce-Treibenden, die sich zuvor schon mit der automatisierten Personalisierung ihrer Inhalte beschäftigt haben. Allein die Anlaufkosten lagen in der Vergangenheit – und liegen leider auch immer noch in der Gegenwart – im sechs- bis siebenstelligen Bereich. Das gilt vor allem für Technologien im sogenannten Enterprise-Segment. Die internen Kosten für den Umbau der Infrastruktur, die Schulung und den Einsatz des Personals waren (und sind) dabei noch gar nicht berücksichtigt.
Hinzu kommt, dass die vermeintlich vage Vorstellung einer grundsätzlichen Personalisierung, ohne die Conversion dabei gezielt in den Fokus zu nehmen, letztlich auch den Blick auf den Effekt verstellt. Die Identifikation des Return-on-Investment ist so kaum möglich. Allein das monatelange Onboarding solcher Technologien scheint mir nicht mehr kompatibel mit einem auf Quick Wins ausgerichteten agilen Vorgehen, bei dem Optimierungen Schritt für Schritt im laufenden Betrieb vorgenommen werden. Planen, ausschreiben, bewerten, testen, überdenken, analysieren und neu ausschreiben – das alles bringt noch kein Ergebnis und dient letztlich nur der Vorbereitung. Gerade in Krisenzeiten ist ein solches Vorgehen kontraproduktiv! Ich bin geneigt zu sagen, dass die aktuelle Krise das Zeitalter der Enterprise-Software nur noch schneller besiegelt.
Kleiner Aufwand, große Wirkung: KI im Jahr 2022
Der Start in die Content-Automatisierung und Personalisierung kann heute schon mit geringen vierstelligen Investments erfolgen. Vor allem der kurzfristige Effekt, der durch das automatisierte Optimieren und Personalisieren vieler Textbausteine allein bei den Produktdetailseiten der Onlineshops entsteht, dürfte die Motivation der Shopbetreiber weiter steigern. Und um es nochmal klar zu sagen: Von Menschenhand lässt sich das nicht machen. Zwar braucht es die Erfahrung der E-Commerce-Macher, um die relevanten Kriterien und auch das Basis-Setup für die Automatisierung von Texten und anderen Contents zu errichten – für die Umsetzung braucht es allerdings eine Künstliche Intelligenz. Immerhin reden wir im Online-Handel nicht selten über mehrere tausend Produkte und entsprechend viele Produktausführungen, die dann letztlich individuell ausgespielt werden. Und richtig komplex wird es, wenn die Shops auch noch mehrsprachig sind.
Niedrige Eintrittsbarrieren für das Onboarding von KI-Technologien für die Text- und Content-Automatisierung lassen sich aus Anbietersicht anhand der Initialkosten, des erforderlichen Schulungsaufwands, der Anpassungen der Infrastruktur und der sogenannten Time-To-Market-Spanne identifizieren. Hier sollte nach meinem Empfinden keine wirkliche Barriere spürbar sein. Eine Natural-Language-Generation-Lösung hilft Shopbetreibern aber nur dann wirklich weiter, wenn sie nicht rein regelbasiert Texte automatisiert, sondern ihnen indirekt auch noch dabei hilft, ihre Kunden besser zu verstehen. Etwa indem die Lösung Rückschlüsse darüber zulässt, wie sich die Interaktion der Kunden mit dem Produkttext verhält und wie sich diese weiter optimieren lassen. So entpuppt sich die Automatisierung und Personalisierung von Content als echter Conversion-Hebel. Und um es noch einmal deutlich zu sagen: Hier wird die Künstliche Intelligenz über einen einfachen Code-Schnipsel in den Onlineshop eingebunden.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass mit einem vergleichsweise geringen Investment in KI ein Maximum an Impact erzielt werden kann. Personalized Commerce hilft nicht nur, Umsätze zu steigern, sondern vor allem auch das Kundenerlebnis zu verbessern – vor, während und nach dem Kauf. Auf diese Weise emanzipieren sich Online-Händler zudem von den E-Commerce-Marktplätzen und bleiben unabhängig.
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