Wie kann Affective Computing profitabel im Marketing eingesetzt werden?

Von   Roman Uminski   |  Senior Key Account Manager   |  Kaufberater.io
12. Mai 2020

Der Begriff Affective Computing ist auch unter den Bezeichnungen Emotion Artificial Intelligence oder in der Kurzform Emotion AI bekannt. Es handelt sich dabei um ein Themengebiet, welches aus dem Bereich des Cognitive Computings [1] stammt und damit dem Oberbegriff der künstlichen Intelligenz, kurz KI, zugeordnet werden kann. Das Affective Computing beschäftigt sich damit, Daten aus der Körpersprache, der Stimme und den Gesichtern von Menschen zu sammeln, und diese im Anschluss zu analysieren und dadurch Emotionen und Gefühle messbar und erkennbar zu machen.
Mit dem Affective Computing wird das zentrale Ziel verfolgt, eine Schnittstelle zwischen Mensch und Computer zu schaffen, durch welche die emotionalen Befindlichkeiten des Nutzers erkannt werden kann, um darauf die richtige Reaktion zu senden. Durch die Fortschritte im Bereich der Emotion AI können Interaktionen immer mehr vermenschlicht werden und in einer großen Vielzahl an Anwendungsbereichen eingesetzt werden. Ärzte können in der Tele-Medizin beispielsweise Stimmungen von ihren Patienten schnell einfangen und so eventuell vorliegende Depressionen diagnostizieren. Aber auch eine Anwendung im Bereich der Human Resources, dem Customer Relationship Management, dem Entertainment und dem Marketing kann das Affective Computing profitabel eingesetzt werden.

Der folgende Artikel zeigt, welche Bedeutung das Affective Computing für das Marketing der Zukunft spielen könnte.

Affective Computing im Marketing – Die Basis

Im Supermarkt stehen viele Menschen nach Feierabend wohl immer vor der gleichen schwerwiegenden Entscheidung: Was soll ich hier eigentlich kaufen? Es würde dabei eine große Hilfe bieten, wenn das Regal im Supermarkt jedem Menschen anhand seines Gesichtsausdrucks, seiner Körpersprache und seinem Geschlecht einen Vorschlag unterbreiten könnte, welches Produkt am besten zu seinen aktuellen Anforderungen und Bedürfnissen passen würde. Dies könnte dann als biometrisches Offline-Marketing bezeichnet werden, hört sich auf den ersten Blick allerdings ein wenig unheimlich an.

Dabei gehört dies in der Online-Welt durch das sogenannte Behavioral Targeting [2] schon längst zum Tagesgeschäft des Marketings dazu. Das Affective Computing könnte allerdings dazu beitragen, dass dies bald auch außerhalb des eigenen PCs oder Smartphones funktioniert. In den Warteschlangen wird durch den Einzelhandel bereits heute eine spezielle personalisierte Videowerbung erprobt. Hierbei ist im Bereich der Kasse ein Werbe-Display angebracht, welches das Alter und das Geschlecht des Zuschauers erkennen kann und so die passenden Videowerbungen anzeigt. Frauen im jungen Alter werden mit Kosmetikwerbung versorgt, bei Senioren gibt es Werbung für Bier und Kindern wird eine Süßwaren-Reklame vorgespielt. Die Kunden werden dabei lediglich durch den Hinweis auf eine laufende Kameraüberwachung darüber unterrichtet, dass sie aufgenommen werden, während sie an der Kasse warten. Über die Ermittlung des Geschlechts- und Altersprofils erfolgt keine Aufklärung.

Welche Technik steckt hinter dem personalisierten Offline-Marketing?

Das Körper- und Gesichtsprofil wird dabei über eine Kamera aufgenommen. Daraus kann durch den Einsatz einer speziellen Analysesoftware ein Muster erkannt werden. Danach folgt ein Abgleich mit den Daten, die in der Vergangenheit bereits gesammelt werden konnten. Somit ist das Programm dazu in der Lage, zu erkennen, welcher Mensch sich aktuell vor dem Display befindet. Der Person wird dann auf Basis der vorhergegangenen Analyse genau der Inhalt angezeigt, der eine hohe Relevanz für das Personenprofil hat. Darüber hinaus wird durch das System gemessen, über welche Dauer das Werbedisplay von der Person ins Auge gefasst wird. Allerdings sind derartige Werbemaßnahmen im öffentlichen Raum aktuell noch stark umstritten und werden von Verbraucher- und Datenschützern stark kritisiert. Hier wird durch das personalisierte Offline Marketing eine gesetzliche Grauzone betreten.

Allerdings ist die Software für die Gesichtserkennung nicht die einzige Maßnahme, wie Kunden in einem Geschäft näher beleuchtet werden können. Es gibt auch Unternehmen, welche die Signale des WLANs der Kunden auswerten und auf Basis dessen durch die Nachverfolgung von Wärmebildern die Entscheidungswege, die vor einem letztendlichen Kauf durchlaufen werden, nachzuvollziehen. So kann die Customer Journey [3] vor Ort genau beleuchtet werden. Es können dadurch wertvolle Erkenntnisse darüber erlangt werden, ob eine besondere Aktion, ein Werbebanner oder eine Marketing-Strategie zu einer Erhöhung der Konversionsraten führt. Auf Basis der Daten, die dadurch ermittelt werden, ist es Einzelhändlern möglich, ihre Verkaufsstrategie entsprechend auf das Verhalten der Kunden anzupassen und damit zu optimieren.

Nahe Zukunftsmusik: Nutzung von empathischen Technologien

Hinter allen Technologien aus diesem Bereich steht das selbe Prinzip. Es erfolgt eine Erfassung von Daten, die dann durch einen Computer verarbeitet werden. Durch Nutzung von speziellen Algorithmen können Muster ausgemacht werden, und aus diesen dann Schlussfolgerungen gezogen werden. Dadurch wird dann die Kommunikation zur Erreichung des Ziels entsprechend angepasst. Hier existiert ein System, das stets Neues lernen kann und somit Daten über das Verhalten und die Emotionen von Menschen sammelt, auswertet und die Ergebnisse daraus entsprechend anwendet. Aktuell stehen die intelligenten sensorischen Systeme für die Erkennung bestimmter Muster, die aus Handlungen von Menschen Daten gewinnen können, schon kurz vor ihrer Marktpreise. Natürlich bieten die empathischen Technologien einige Vorteile für die Menschen, allerdings bietet das Geschäftsfeld auch ein gewisses Potenzial für eine missbräuchliche Nutzung.

Software-Assistenten mit Emotionssteuerung

Vielen ist vielleicht der Kinofilm „Her“ bekannt, in dem sich der Protagonist in seine digitale Assistentin Samantha verliebt, da ihn niemand besser als sie verstehen kann. Dieser Film macht deutlich, dass es durchaus vorstellbar ist, dass die damals einseitige Beziehung zwischen Computer und Menschen in den heutigen Zeiten auch eine beidseitige und emotionale Ebene erreichen kann.

In der heutigen Zeit sind digitale persönliche Assistenten wie Cortana, Alexa und Siri schon fest in den Alltag der Menschen integriert. Sie zeigen, wie die weitere Entwicklung des Affective Computings verlaufen könnte. Die Software, beziehungsweise der Algorithmus, der von ihr genutzt wird, lernt immer neues dazu und ist schon jetzt in der Lage, die tägliche Grußformel, jeden Tag ein wenig abzuändern und anzupassen. Die Sensibilität der Programme für die Emotionen und Stimmungen der Menschen wird immer größer, wodurch sie in der Lage sind, immer besser auf die jeweiligen Wünsche und Bedürfnisse einzugehen. Der Puls wird mit Hilfe der Smartwatch gemessen [4], die Ansprache durch die jeweilige Tonhöhe erfasst und so Schlussfolgerungen gezogen, welches Level der An- oder Aufregung aktuell besteht. Die Botschaft, die gesendet wird, kann durch die Interpretation der Emotionen perfekt angepasst werden.

Die zukünftige Entwicklung des Affective Computings im Bereich des Marketings

Personenbezogene Daten, wie beispielsweise das Geschlecht oder das Alter, lagen schon immer allen Befragungen zugrunde. Um die passende Zielgruppe im Marketing zu finden, werden häufig Personas erarbeitet. Dies zeigt schon, dass es im Marketing besonders um Einfühlungsvermögen geht, damit die Wünsche, Einstellungen und Lebenslagen der potenziellen Kunden bestmöglich nachvollzogen werden kann. Technische Messverfahren werden in Zukunft dabei eine große Hilfe sein, da diese die Nutzerprofile viel genauer erfassen können und sie präzise Antworten darauf liefern können, was die Kunden wirklich wollen.

Selbstverständlich ist es möglich, noch viel größere Datenmengen zu erfassen, um Personen noch präziser und lebensnaher dazustellen. Die Mimik, Gestik und der Tonfall in der Stimme geben schnell Aufschluss über die aktuellen Emotionen und das Befinden einer Person. Wenn dazu noch der BMI, der Hormonspiegel, die Pulsmessung und der Lügendetektor kommen, kann sich jeder ein ungefähres Bild davon machen, wie gezielt die Bedürfnisse der Kunden in Zukunft angesprochen werden können. Ausschlaggebend wird hier allerdings insbesondere die Rechtssprechung sein, die entscheiden muss, in welchem Maße Kundendaten für Verkaufszwecke erhoben werden dürfen. Für das personalisierte Marketing ist es jedenfalls überaus zielführend, so viele Informationen wie nur möglich über die potentiellen Kunden zu sammeln. Das Affective Computing wird mit großer Wahrscheinlichkeit also eine wichtige Rolle in der zukünftigen Entwicklung des Marketings spielen.

 

Quellen und Referenzen:

[1]https://www.bigdata-insider.de/was-ist-cognitive-computing-a-641356/

[2]https://de.ryte.com/wiki/Behavioral_Targeting

[3]https://de.ryte.com/wiki/Customer_Journey

[4]https://www.fitforbeach.de/samsung-gear-sport-smartwatch-test/

 

Roman Uminski unterstützt seit 2017 das international tätige digitale Verbrauchermagazin Kaufberater.io als Key Account Manager und SEO-Spezialist. Durch seine langjährige Erfahrung ist er der erste Ansprechpartner für die digitalen Kooperationen im deutschsprachigen Raum.

Um einen Kommentar zu hinterlassen müssen sie Autor sein, oder mit Ihrem LinkedIn Account eingeloggt sein.

21616

share

Artikel teilen

Top Artikel

Ähnliche Artikel