Wesentlichkeitsanalyse: der erste Schritt zur verpflichtenden Nachhaltigkeitsberichterstattung der EU

Auf ihrem Weg zu einem nachhaltigen europäischen Wirtschafts- und Finanzsystem hat die EU mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) zentrale Elemente der Nachhaltigkeitsberichterstattung geschaffen. Die Inhalte der CSRD werden durch die verbindlichen ESRS geregelt, die zu einer einheitlichen und vergleichbaren Berichterstattung führen und dafür sorgen, dass das Thema Nachhaltigkeitsberichterstattung in den nächsten Jahren sukzessive für alle Unternehmen relevant wird. Ein wichtiger Bestandteil dieser Berichterstattung ist die sogenannte „Wesentlichkeitsanalyse“, mit der relevante Nachhaltigkeitsthemen identifiziert werden. Wie Unternehmen sich dem Neuland Wesentlichkeitsanalyse trittsicher annähern können, erläutert dieser Beitrag.
Von   Yvonne Ebert   |  Produktmanagerin   |  Haufe Group
30. Oktober 2024

Für welche Unternehmen ist die Wesentlichkeitsanalyse verpflichtend?

 

Alle Unternehmen, die nach der CSRD berichten müssen, sind auch verpflichtet, eine Wesentlichkeitsanalyse durchzuführen. Doch die CSRD tritt nicht für alle Organisationen zur gleichen Zeit in Kraft, sondern ist gestaffelt nach Größe und bestimmten weiteren Eigenschaften. Große Unternehmen, die bereits in den Geltungsbereich der bislang gültigen Non-financial Reporting Directive gefallen sind, müssen im Jahr 2025 erstmals über das Geschäftsjahr 2024 entsprechend der CSRD berichten. 2026 müssen sich alle nicht kapitalmarktorientieren Unternehmen mit einem Bericht über ihr Geschäftsjahr 2025 anschließen, wenn mindestens zwei der folgenden drei Kriterien auf sie zutreffen:

  • Bilanzsumme von mehr als 25 Millionen Euro
  • Umsatzerlös von mehr als 50 Millionen Euro
  • Anzahl der Mitarbeitenden größer als 250

2027 wird schließlich der erste Bericht über das Geschäftsjahr 2026 für alle kleinen und mittleren Unternehmen sowie für börsennotierte Unternehmen mit zehn bis 250 Beschäftigten fällig. Teilweise besteht für diese Gruppe auch die Chance auf eine Verlängerung bis 2028. Somit ist klar: Die Berichtspflicht betrifft früher oder später fast jedes Unternehmen.

 

Was ist die Wesentlichkeitsanalyse?

 

Ziel einer Wesentlichkeitsanalyse – auch Materialitätsanalyse genannt – ist die Identifikation und Bewertung verschiedener Nachhaltigkeitsthemen sowie deren Relevanz sowohl für das eigene Unternehmen als auch für dessen Stakeholder. Mit dieser Risikoanalyse werden also die wesentlichen Nachhaltigkeitsthemen und die daraus resultierenden zukünftigen Handlungsfelder bestimmt. Damit legt sie also auch die strategische Ausrichtung des Unternehmens in punkto Nachhaltigkeit fest. Neu seit Einführung der CSRD ist, dass Unternehmen verpflichtet sind, sowohl die Auswirkungen von Nachhaltigkeitsaspekten auf das Unternehmen (Outside-In-Perspektive) als auch die Auswirkungen des eigenen wirtschaftlichen Handels auf Menschen und Umwelt (Inside-Out-Perspektive) zu analysieren. Dabei werden Nachhaltigkeitsaspekte bereits dann als relevant erachtet, wenn sie nur in einer der beiden Perspektiven wesentlich sind. Dies bedeutet im Vergleich zu der früheren Betrachtung einen deutlichen Anstieg der wesentlichen Themen, da ein Aspekt in der Nachhaltigkeitsberichterstattung bisher nur dann als wesentlich galt, wenn er in beiden Dimensionen der Nachhaltigkeit wesentliche Auswirkungen zeigte. Hintergrund dieser Ausweitung in der CSRD ist, dass die Berichterstattung ausgewogener erfolgen und eine bessere Vergleichbarkeit zwischen den Unternehmen hergestellt werden soll.

 

Methoden zur Erstellung einer Wesentlichkeitsanalyse

 

Generell gilt: DIE eine Methode, um eine Wesentlichkeitsanalyse durchzuführen, gibt es nicht, Allerdings besteht eine umfassende Wesentlichkeitsanalyse immer aus folgenden Schritten:

  1. Identifikation der wesentlichen Stakeholder (intern und extern sowie indirekt und direkt betroffene)
  2. Ermittlung von Auswirkungen sowie Chancen und Risiken zu allen in den ESRS definierten Nachhaltigkeitsaspekten aus beiden Perspektiven (Inside-Out und Outside-In
  3. Umfeldanalyse (externe Faktoren/Gegebenheiten)
  4. Unternehmensanalyse (Geschäftsmodell, Portfolio, Wertschöpfungskette etc.)
  5. Analyse der Ergebnisse und Bewertung: Erstellung einer Wesentlichkeitsmatrix
  6. Kommunikation und Veröffentlichung der Ergebnisse sowie Verankerung in der Nachhaltigkeitsstrategie

Um die einzelnen Schritte umzusetzen, können verschiedenste Methoden zum Einsatz kommen. Dazu gehören etwa Umfragen, Interviews, Auswertungen bereits vorliegender Daten oder Workshops. Möglich wäre etwa, mit einer Online-Befragung unter Mitarbeitenden und externen Stakeholdern zu starten, um einen ersten Überblick über die jeweils als wesentlich erachteten Nachhaltigkeitsthemen und die diesbezüglichen Erwartungen an das Unternehmen zu bekommen. Besonders bei fachlich anspruchsvollen und sehr spezifischen Nachhaltigkeitsaspekten ist es sinnvoll, die Expertise und Einschätzung von einzelnen internen Kollegen einzubeziehen, die sich mit dem jeweiligen Fachgebiet gut auskennen.

 

Tools können wichtige Unterstützung leisten

 

Gerade für Unternehmen, die vor ihrer ersten Wesentlichkeitsanalyse stehen, kann Software wie die Haufe Wesentlichkeitsanalyse eine einfache, strukturierte und effiziente Unterstützung bei der Umsetzung bieten. Dies gilt insbesondere, wenn die Lösung nicht nur rechtssicheres Fachwissen zur Regulatorik und den einzelnen Teilschritten zu Verfügung stellt, sondern die Anwender:innen gleichzeitig sicher durch den Prozess navigiert. So versetzt das Tool Unternehmen in die Lage, die Wesentlichkeitsanalyse rechtssicher, effizient und selbstgesteuert anzugehen – und damit genau die Nachhaltigkeitsthemen zu identifizieren, bei denen sie den größten Hebel besitzen.

 

Fünf Tipps für die erste Wesentlichkeitsanalyse

 

  • #1 Genug Kapazitäten bereitstellen: Gerade wenn Unternehmen mit der Wesentlichkeitsanalyse Neuland betreten, sollten sie den damit einhergehen Aufwand nicht unterschätzen und sowohl genügend personelle Ressourcen als auch ausreichend viel Zeit für den Prozess einplanen. Als Faustformel kann gelten: Je komplexer Geschäftsmodell und Firmenstruktur, desto mehr Zeit wird benötigt.
  • #2 Kommunikation ist Trumpf: Eine Wesentlichkeitsanalyse ist nur so gut wie die Daten und Insights, auf denen sie basiert. Aus diesem Grund sollten alle internen und externen Stakeholder für das wichtige Thema Nachhaltigkeitsberichterstattung sensibilisiert und kommunikativ so gut in den Prozess involviert werden, dass sichergestellt werden kann, dass alle relevanten Informationen bei den Verantwortlichen ankommen.
  • #3 Rechtzeitig um die richtigen Tools kümmern: Mit der richtigen technischen Unterstützung sind Unternehmen auch ohne umfassende fachliche Vorkenntnisse in der Lage, die Wesentlichkeitsanalyse einfach, schnell und rechtssicher abzubilden. Von daher lohnt es sich, rechtzeitig vor der ersten anstehenden Analyse den Markt zu sondieren und sich nach einer geeigneten Lösung umzuschauen. Besonders wichtig dabei: die Kombination aus fundiertem Fachwissen und intuitiver Prozessführung.
  • #4 Nach der Wesentlichkeitsanalyse ist vor der Wesentlichkeitsanalyse: Die Wesentlichkeitsanalyse beschreibt immer nur den aktuellen Status Quo. Sobald sich Rahmenbedingungen, Geschäftsfelder oder -modelle ändern, muss auch die Wesentlichkeitsanalyse entsprechend adaptiert werden. Deswegen empfiehlt sich eine jährliche Validierung, um stets die jeweils aktuellen Prioritäten und Handlungsfelder abzubilden.
  • #5 Die Wesentlichkeitsanalyse bedeutet einen großen Aufwand – aber noch mehr Potenzial: Eine Wesentlichkeitsanalyse zu erstellen, bedeutet für Unternehmen nicht nur die Erfüllung verbindlicher Regularien, sondern führt auch zu einer Vielzahl von Vorteilen. Diese reichen vom intensiven Dialog mit wichtigen externen und internen Stakeholdern über die Möglichkeit von Benchmarks zwischen Unternehmen und Branchen bis hin dazu, dass neue Märkte und Geschäftsmodelle erschlossen sowie Kostenersparnisse durch verbesserte Prozesse erzielt werden können.

Generell lässt sich sagen: Mit einer guten technischen und personellen Vorbereitung verliert das Damoklesschwert Wesentlichkeitsanalyse für Unternehmen schnell seinen Schrecken – und bietet richtig umgesetzt stattdessen sogar eine Menge Vorteile!

Yvonne Ebert ist Produktmanagerin Haufe Wesentlichkeitsanalyse bei der Haufe Group. Die studierte Medienbetriebswirtin verantwortet in ihrer Position die Konzeption, Umsetzung und Markteinführung von Neuprodukten im Bereich Nachhaltigkeit.

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