Warum Robotic Process Automation ausgerechnet nicht für die Prozessautomatisierung geeignet ist

Die robotergestützte Prozessautomatisierung (Robotic Process Automation, RPA) übernimmt mit großem Erfolg grundlegende und sich wiederholende Aufgaben in Unternehmen, die normalerweise manuell erledigt werden müssen. Dabei beschleunigt RPA den Durchsatz, minimiert die Fehlerquote und senkt einige Kostenarten. Unternehmen geraten jedoch oft in Schwierigkeiten, wenn sie den Begriff RPA zu wörtlich nehmen und versuchen, die Technologie für die tatsächliche Automatisierung von ganzen Prozessen statt einzelnen Aufgaben einzusetzen. Warum das so ist und welche Alternative es für die Business Process Automation gibt, wissen die Experten von WEBCON.
Von   Philipp Erdkoenig   |  Consultant   |  WEBCON
20. Januar 2023

Die robotergestützte Prozessautomatisierung (Robotic Process Automation, RPA) übernimmt mit großem Erfolg grundlegende und sich wiederholende Aufgaben in Unternehmen, die normalerweise manuell erledigt werden müssen. Dabei beschleunigt RPA den Durchsatz, minimiert die Fehlerquote und senkt einige Kostenarten.

Unternehmen geraten jedoch oft in Schwierigkeiten, wenn sie den Begriff RPA zu wörtlich nehmen und versuchen, die Technologie für die tatsächliche Automatisierung von ganzen Prozessen statt einzelnen Aufgaben einzusetzen. Warum das so ist und welche Alternative es für die Business Process Automation gibt, wissen die Experten von WEBCON.

Robotic Process Automation und ihre Grenzen

Wie eingangs erwähnt, ist Robotic Process Automation nicht für die Automatisierung von Prozessen gedacht, sondern für sich stark wiederholende manuelle Tätigkeiten konzipiert. Diese Mikro-Workflows sind so entworfen, dass sie die menschliche Tätigkeit am Bildschirm simulieren und eher aufgaben- als prozessorientiert arbeiten. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Ausfüllen eines Formulars (Dateneingabe).

Es gibt viele Gründe, die für den Einsatz der RPA-Technologie sprechen; besonders bei umfangreicheren Projekten, die zwei oder mehr Systeme umfassen und miteinander integriert werden müssen.
RPA steigert die Prozesseffizienz und -optimierung durch die Automatisierung von Standardprozessen, speziell bei hochvolumigen Arbeitsabläufen, die sich dadurch gleichzeitig leichter skalieren lassen. Auch bei der Integration von Daten aus Legacy-Systemen hilft RPA: Die Software-Roboter agieren wie ein Mensch systemübergreifend, können auf relevante Datenbanken und Applikationen zugreifen, Informationen kopieren, eintragen, Daten sammeln und in einem einzigen Frontend, ob App, Software oder Voice User Interface, ausspielen. Dies alles geschieht völlig ohne technische Eingriffe in bestehende Systeme. So trägt sie dazu bei, die Bereitstellung geeigneter Schnittstellen weniger aufwendig und zeitintensiv zu gestalten und erlaubt es, Schnittstellen zu System zu schaffen, die über keine API verfügen.

Beim Thema Compliance und Security zeigt RPA eine weitere Stärke: Die virtuellen Roboter dokumentieren automatisch jeden Arbeitsschritt nach festgelegten Business-Regeln genau gleich. Durch die automatisierte Dokumentation erhöht sich die Compliance – das Unternehmen behält stets einen klaren Überblick, kann informierte Entscheidungen auf der Basis von zuverlässigen Daten treffen und die Reporting-Qualität steigt.

Trotz ihres großen Nutzens bei manuellen Aufgaben ist RPA nicht als Allheilmittel für die Business Process Automation geeignet. RPA kann nämlich keine menschliche Intelligenz simulieren. Sie arbeitet nur nach den Regeln, die Aktionen definieren – die Technologie kann keine Daten interpretieren oder gar Schlüsse aus ihnen ziehen. Häufige Anwendungsfälle verdeutlichen drei wichtige taktische Einschränkungen:

  1. Gültigkeit von RPA-Bots: Wenn eine Anwendung aktualisiert wird und sich ihre Benutzeroberfläche ändert, wird ein RPA-Bot ungültig.
  2. Ressourcen: Jede Bot-Sitzung kann im großen Maßstab sehr ressourcenintensiv werden. Nachdem üblich ist, dass RPA-Anbieter ihre Plattformen auf Grundlage der Anzahl der gleichzeitig laufenden Bots berechnen, kann ihre Anwendung zusätzlich enorm teuer werden.
  3. Auslesbarkeit von IDs: Ein Teil der Bot-Integration hängt von der Identifizierung von Daten durch eindeutige IDs ab. Während Datenbankabfragen und Funktionsaufrufe diese zwar verwenden, werden sie nicht immer auf dem Bildschirm angezeigt. Ist die ID entsprechend nicht sichtbar, kann RPA sie nicht auslesen.
    Und selbst, wenn die ID eines Stammartikels sichtbar ist, gibt es keine Garantie dafür, dass sichtbare IDs für Einzelposten oder verknüpfte Daten angezeigt werden – z. B. die Ausrüstungsliste einer Bestellanforderung oder Informationen zu bevorzugten Lieferanten.

Die bei weitem größte Einschränkung ist jedoch nicht taktischer, sondern strategischer Natur: ein Missverständnis seitens der Anwender darüber, was eine Aufgabe und was ein größerer Prozess ist.

Aufgabe versus Geschäftsprozess

Zur Veranschaulichung des Unterschieds zwischen einer einfachen, automatisierbaren Aufgabe und einem Prozess sehen wir uns das Onboarding eines neuen Mitarbeiters als Beispiel an. In diesem Onboarding-Prozess finden sich folgende einzelne Aufgaben:

  • Aushandeln eines Gehalts
  • Festlegen eines Starttermins
  • Zuteilung von Büroraum oder Vereinbarung von Fernarbeit
  • Zuteilung von Parkprivilegien
  • Erstellung von Sicherheitsausweisen und Schlüsseln
  • Beschaffung und Versand von Ausrüstung
  • Erstellen von Netzwerkanmeldeinformationen
  • Zuteilung von Lizenzen für eine Vielzahl von Software, die Single Sign-On unterstützt
  • Erstellen von Benutzernamen/Passwörtern für Software, die Single Sign-On nicht unterstützt
  • Teilnahme an der Orientierung
  • Erläuterung der Spesenabrechnung
  • Erläuterung der Reiseverfahren
  • Registrierung der Wahl des Leistungspakets
  • Einrichten der Gehaltsabrechnung und der direkten Einzahlung
  • Planung einer Überprüfung am Ende der anfänglichen Probezeit

Dies ist ein Beispiel für einen verwalteten Prozess, der aus einer Vielzahl von Aktivitäten besteht, von denen einige automatisiert sind und andere nicht. RPA kann potenziell dazu beitragen, die Einarbeitung eines neuen Mitarbeiters in verschiedenen Bereichen zu beschleunigen. Aber jede dieser potenziellen RPA-Implementierungen stellt eine isolierte Aufgabe dar. Das gesamte Onboarding ist ein Prozess, an dem mehrere Teile des Unternehmens beteiligt sind (z. B. die Personalabteilung, die IT-Abteilung, das Team, das den Mitarbeiter eingestellt hat, usw.), und der eine Verschmelzung einzelner Aufgaben, Entscheidungen und Workflows darstellt.

Bei solch komplexen Prozessen erreicht RPA schnell ihre Grenzen. Viele Unternehmen erkennen das jedoch nicht rechtzeitig und reizen diese Grenzen aus oder versuchen, mit fehleranfälligen Workarounds die Einschränkungen der Plattform zu kompensieren. Die Folge sind oft frustrierende Ergebnisse und fehlgeschlagene Projekte.

Das Software-Repertoire eines Unternehmens sollte entsprechend neben einem RPA-Tool auch und Digital-Process-Automation- und Business-Process-Management-Plattformen umfassen (DPA, BPM) umfassen, um solche Ausgänge zu vermeiden. Diese sind in der Lage, auch Prozesse und komplizierte Arbeitsabläufe, die weit mehr sind als bloße Aufgabensätze, zu automatisieren und zu beschleunigen.

Business Process Automation mit Low Code

Insbesondere Low-Code-Plattformen können Unternehmen helfen, die hohen Ansprüche an Anpassungsfähigkeit und Geschwindigkeit bei der Prozessautomatisierung gerecht zu werden. Das Versprechen vieler Hersteller: Citizen Developer übernehmen die Erstellung von Anwendungen für die Automatisierung selbst, die IT-Teams werden entlastet.

Die Auslagerung dessen an Citizen Developer allein, weist oft aber mehrere Nachteile auf: Viele der entwickelten Anwendungen sind nicht skalierbar und fügen sich nicht in die Arbeitsabläufe des gesamten Unternehmens ein, es entstehen Prozess- und Informationsbrüche. Außerdem folgen sie oftmals keinem einheitlichen Design-Prinzip, das verringert ihre Nutzerfreundlichkeit.

Stattdessen hilft die Methode des Citizen-assisted Development, bei der die Arbeit zwischen IT-fremden Mitarbeitern und IT-Experten anders aufgeteilt wird: Der Citizen Developer erstellt auf Basis seiner Anforderungen und seines Prozesswissens einen ersten Prototyp, mit dem das eigene Fachwissen schneller vermitteln lässt. Der Prototyp entsteht dabei innerhalb der Rahmenbedingungen der Standards und technischen Grenzen. Damit wissen alle Beteiligten, was möglich ist – und was nicht.
Die IT ist bei diesem Entwicklungsprozess für den Betrieb und die Entwicklung der Anwendungen verantwortlich, um deren professionelle Umsetzung zu garantieren. Dazu gehören unter anderem Aspekte wie Usability, Sicherheit, Dokumentation und Auditierbarkeit.

Die Low-Code-Plattform unterstützt ein solches Vorgehen idealerweise, ohne dass die IT zum Bottleneck wird. Damit erfolgt die Umsetzung dann nicht nur schneller, auch die Kommunikation mit der Fachabteilung auf Basis leicht verständlicher Prozessmodelle wird unterstützt. Änderungen lassen sich jederzeit und mit geringem Aufwand umsetzen.
Die Ergebnisse dieses Entwicklungsprozesses sind eine optimierte Zusammenarbeit, schnellere Entwicklungszyklen und bessere Anwendungen. Außerdem entsprechen die Applikationen durch diese Kooperation ideal dem Anforderungsdesign und sie können besser in die bestehende IT-Infrastruktur integriert werden. So bringen sie das gesamte Unternehmen voran und nicht nur einzelne technik-affine Mitarbeiter.

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