Jede industrielle Revolution wirft ihre Fragen auf, denn erst das macht sie zur Revolution. Das Zeitalter der digitalen Industrialisierung, die wir heute durchleben, stellt diesbezüglich keine Ausnahme dar. Wir erleben, wie sie über ihre konkrete Anwendung in Industrie und Wirtschaft hinaus unseren Alltag transformiert. Sie verändert die Art, wie wir unsere Berufe ausüben, wie wir miteinander und mit Maschinen interagieren. Sie stellt uns Fragen der Datensicherheit, wie wir mit unseren Daten umgehen und wer davon profitiert. Und sie fragt uns, wie wir ihre Technologien nutzen, um unseren Alltag und unsere Jobs effizienter zu gestalten, wo sie uns unterstützen und entlasten kann.
Künstliche Intelligenz (KI) ist dabei ein Gebiet, das besonders starke Emotionen hervorruft. Die Potentiale von KI sind ohne Frage groß, jedoch hat das Aufgreifen des Themas durch die Populärkultur dazu beigetragen, teils angstbesetzte Zukunftsszenarien heraufzubeschwören, die zu einem schon fast verkrampften Umgang mit der Technologie führen. Gleichzeitig werden Pilotprojekte präsentiert, die beeindruckende und kreative, aber nicht notwendigerweise praxisreife Anwendungen für KI demonstrieren. Das alles hat durchaus das Potential, zu einiger Verwirrung zu führen und Berührungsängste zu schüren.
Dabei könnte man das Thema genauso gut von der anderen Seite betrachten und im Kleinen anfangen. Machine Learning (ML) ist ein Aspekt von KI, der ganz pragmatisch zeigt, wo die Technologie heute schon und ganz konkret ein großer Gewinn sein und enorm zur Wertschöpfung beitragen kann.
Maschinelles Lernen bedeutet, dass Programmierer nicht mehr alle Eventualitäten der Anwendung eines Systems bedenken und basierend darauf jeden einzelnen Arbeitsschritt einer Maschine codieren müssen. Stattdessen programmieren sie Lernmethoden. So werden Maschinen in die Lage versetzt, selbstständig Wissen aus Erfahrungen aufzubauen. Sie erkennen automatisch Muster und Korrelationen in großen Mengen von Daten und leiten daraus Regeln und letztendlich auch Vorhersagen ab. Die Maschine führt dadurch ihre Arbeitsschritte in einer komplexen Umwelt immer besser aus.
Was braucht es dazu? Die Antwort liegt auf der Hand: Informationen.
Sämtliche Daten müssen entlang der Wertschöpfungskette gesammelt, integriert und analysiert werden. Idealerweise geschieht dies auf einer zentralen Business-Plattform, welche relevante Informationen aus allen Teilen der Wertschöpfungskette bündelt und die passenden Tools zur Auswertung bereitstellt. Bei einer Plattformnutzung in der Cloud entfallen zudem aufwändige IT-Infrastrukturinstallationen, welche die Analyse großer Datenmengen erfordern würde.
Die Chancen von ML werden anhand von Predictive Maintenance besonders deutlich. Auf Basis der Regeln, die eine Maschine gelernt hat, ist sie in der Lage, abweichende Statusmeldungen zu erkennen, noch bevor sich ein Defekt ankündigt. Je größer die Datenbank von Ausfällen angelegt ist, welche der Maschine zum „Lernen“ gefüttert wurden, desto genauer kann sie den Defektablauf berechnen und den optimalen Wartungszeitpunkt bestimmen. Letztendlich werden so die Prozessabläufe optimiert und die Effizienz der Produktion gesteigert.
Die Bild- und Spracherkennung sind neben Themen wie Programmiersprachen oder Algorithmen die wichtigsten Funktionen von ML. Die Bilderkennung kommt nicht nur bei Google zum Einsatz, wenn eine Suchanfrage auf Basis eines Fotos gestartet wird. Mit demselben Mechanismus lernen autonome Fahrzeuge, Verkehrsschilder selbst bei hoher Fahrtgeschwindigkeit zu erkennen und in der Konsequenz ihr Fahrverhalten anzupassen.
In der Produktionshalle hilft die Analyse von Bildern, fehlerhafte oder falsch eingefärbte Komponenten auf Fließbändern zu erkennen. Auch hier werden die Analysen umso präziser, je mehr Bilder solcher fehlerhaften Teile das System bereits kennt. Im Marketing bietet die Sprachsteuerung neue Möglichkeiten für die Interaktion mit Kunden, insbesondere bei standardisierten Abläufen wie Anfragen im Call Center.
Doch ML schafft nicht nur Chancen zur Effizienzsteigerung. Die Technologie hat das Potential, völlig neue Geschäftsmodelle zu ermöglichen. Die Auswertung und Aufbereitung von Daten schafft sogenannte smarte Produkte, die ihre „Intelligenz“ aus einem großen Erfahrungsschatz an Daten schöpfen. Beispielsweise berechnen Mobilitätsdienstleister auf den User zugeschnittene, optimierte Reiserouten, welche die Präferenzen für bestimmte Wege und Fortbewegungsmittel berücksichtigen. Diese Geschäftsmodelle entfernen sich immer weiter vom klassischen Produkt und konzentrieren sich stattdessen darauf, dem Nutzer in Echtzeit maßgeschneiderte Erfahrungen zu bieten und letztlich positive Erlebnisse.
Trotz des disruptiven Potentials von ML wird anhand der Anwendungsbeispiele deutlich, dass man nicht das eigene Geschäftsmodell neu erfinden muss, um die Möglichkeiten von ML und KI gewinnbringend für sich zu nutzen. Die Digitalisierung und ihre Potentiale entfalten sich auch und erst recht in einer Implementierung in kleinen Schritten. ML bietet zahlreiche Möglichkeiten, schon heute mit der Optimierung von Produktions- und anderen Prozessen zu beginnen.
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